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Tagesanbruch: Polizeiaktion gegen mutmaßliche Terrorgruppe in Chemnitz


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 02.10.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Mutmaßliche Rechtsterroristen treffen in Karlsruhe einVergrößern des Bildes
Mutmaßliche Rechtsterroristen treffen in Karlsruhe ein. (Quelle: Christoph Schmidt/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Regierungsparteien kämpfen um ihren Status als führende politische Kräfte. Nach dem Asyl-Maaßen-Führungs-und-sonst-wie-Debakel rauschen CDU, CSU und SPD in den Umfragen in den Keller. Die Union bundesweit nur noch bei 26 Prozent! Die AfD zweitstärkste Kraft im Land! Die Grünen überholen die SPD! So prasseln jeden Tag neue Umfragen auf uns ein, weil halt jeden Tag irgendein Institut irgendwelche Umfrageergebnisse veröffentlicht.

Sicher, einerseits ist die Tendenz ziemlich eindeutig, sehr viele Bürger sind vom wochenlangen Zorn, Zank und Murks in der Koalition abgeschreckt. Andererseits wird kein Wahlergebnis so heiß gegessen, wie die Umfrage gekocht wurde, ohnehin geht die übliche Fehlertoleranz von zweieinhalb bis drei Prozentpunkten hinter den riesigen Schlagzeilen meist unter.

Trotzdem ist es bemerkenswert, wie Union und SPD nun versuchen, gerade noch rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen bei den Bürgern wieder mit Sachpolitik um Vertrauen zu werben. Mühen scheuen sie jedenfalls nicht. Bis tief in die Nacht saßen sie im Kanzleramt zusammen, um endlich, endlich einen Ausweg aus dem Dieseldrama zu finden: die Herren und Damen Seehofer, Brinkhaus, Kramp-Karrenbauer, Dobrindt, Scheuer, Altmaier, Nahles, Scholz, Schulze, Heil und natürlich Merkel. Ganz großer Auflauf. Und, hat er etwas bewirkt?

Ja, am Ende gab es eine Einigung. Nach rund sechsstündigen Beratungen wurde ein "Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten" beschlossen. Was genau dahinter steckt? Da müssen wir uns offenbar noch etwas gedulden. Die Details des Pakets sollen im Laufe des Tages von den Fachministern vorgestellt werden.

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Erschreckend, was die Sicherheitsbehörden in Sachsen aufgedeckt haben wollen: Eine Terrorgruppe soll einen rechtsradikalen Umsturz in Deutschland angestrebt haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Bande namens “Revolution Chemnitz“ Angriffe auf Politiker, Ausländer, Journalisten und Repräsentanten des Rechtsstaats plante. Demnach wollten die acht Verdächtigen die Verbrechen des “Nationalsozialistischen Untergrunds“ in den Schatten stellen, die Mörder Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe übertrumpfen. Schon morgen, am Tag der Deutschen Einheit, wollten sie den Ermittlern zufolge zuschlagen. Wenn das alles so zutrifft, kam die Razzia der sächsischen Polizei gerade noch rechtzeitig.

Recherchen meiner Kollegen Lars Wienand, Jonas Mueller-Töwe und Jan-Henrik Wiebe erhärten den Extremismusverdacht. Demnach waren mindestens zwei der Verdächtigen schon zuvor in verbotenen rechtsextremen Vereinigungen aktiv. Einer führte offenbar den Internet-Auftritt einer verbotenen Gruppe fort und warb dort für fremdenfeindliche Demonstrationen in Chemnitz und Köthen.

Der Fahndungserfolg der sächsischen Ermittler wirft ein Schlaglicht auf die rechtsextreme Szene, die vielerorts erstarkt, die sich vernetzt und militante Pläne schmiedet. Haben deutsche Sicherheitsbehörden die Gefahr am rechten Rand zu lange vernachlässigt, waren sie auf dem rechten Auge blind? Diese Frage haben mein Kollege Jonas Mueller-Töwe und ich kürzlich Clemens Binninger gestellt, der als Bundestagsabgeordneter jahrelang die NSU-Verbrechen aufarbeitete. Seine Antwort: “Nein, aber die Behörden waren betriebsblind. Sie haben sich jahrelang auf falsch angewandtes Erfahrungswissen verlassen.“

Inzwischen, das zeigt auch die jetzige Aktion in Sachsen, sind die Ermittlungsbehörden wacher. Ob sie am Ende alle Vorwürfe gegen die Verdächtigen beweisen können, bleibt abzuwarten. Aber dass sie früher hinsehen und eingreifen, wenn sich am rechten Rand militante Strukturen bilden, ist konsequent und richtig.

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WAS STEHT AN?

Die Diagnose Krebs ist ein Schock. Ob man die Krankheit überlebt? Meist ungewiss. Im medizinisch hochentwickelten Deutschland sollten sich Krebspatienten eigentlich gut behandelt fühlen – werden sie häufig aber nicht, wie beispielsweise die Skandale um gepanschte Infusionen in Nordrhein-Westfalen und um gestohlene Krebsmittel in Brandenburg zeigen. Missstände in der Krebsmedizin sind ein deutschlandweites Phänomen. "Täglich bekommen Zehntausende Patienten abgelaufene Medikamente gespritzt", sagt Oliver Schröm, Chefredakteur des Recherchenetzwerks “Correctiv“. In der Krebsmedizin herrschten Vorgehensweisen, die er nur aus dem Mafiamilieu, von Drogenhändlern und Waffenschiebern kenne. Meint er das wirklich ernst? Und ob. Meiner Kollegin Larissa Koch hat er die Hintergründe im Interview erklärt.

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Am Montag letzter Woche fragte ich im Tagesanbruch, warum die kriselnde SPD sich nicht stärker um Wählerstimmen in den Sicherheitsbehörden, bei überarbeiteten Polizisten und in der kleingesparten Bundeswehr bemühe: “Dort regt sich enormer Frust über Kanzlerin Merkel und ihre Flüchtlingspolitik, über Ursula von der Leyen und ihre oft als überheblich empfundene Attitüde. Warum macht die SPD sich dies nicht stärker zunutze, warum gibt sie diesen Menschen keine Stimme?“ Einen Tag später wählte die Unionsfraktion im Bundestag Ralph Brinkhaus zu ihrem neuen Vorsitzenden – und was macht der nun als eine seiner ersten Amtshandlungen? Er besucht heute Mittag den Truppenübungsplatz Lehnin und die Fläming-Kaserne im Landkreis Potsdam. Ein klares Signal an die Truppe: Ihr seid uns (wieder) wichtig, wir vertreten eure Interessen. Selbstverständlich hat Herr Brinkhaus nicht erst durch den Tagesanbruch festgestellt, wo seine Partei in den vergangenen Jahren Zustimmung verloren hat. Das weiß er schon selbst. Der Unterschied zu anderen: Er tut etwas. Und was tut die SPD?

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Morgen ist der Tag der Deutschen Einheit, da kommt ein Film in die Kinos, der Großes will und Großes kann. Er dauert drei Stunden und acht Minuten, aber unser Kolumnist Gerhard Spörl hat kein einziges Mal auf die Uhr geschaut – im Gegenteil, er war fasziniert von der Wucht der Musik und der Bilder, dem Können der Schauspieler, der Handlung mitten in der deutschen Geschichte.

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“Werk ohne Autor“ heißt der Film, gedreht hat ihn der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, den Sie vielleicht noch von “Das Leben der Anderen“ kennen. Diesmal hat er sich vom Leben des Dresdner Malers Gerhard Richter inspirieren lassen, für dessen Werke Millionen bezahlt werden. Zugegeben, nicht jeder Rezensent ging so beschwingt aus dem Film wie mein Kollege. Den einen ist er zu opernhaft, den anderen zu lang, den dritten zu kitschig, und die vierten fragen sich, woher die Obsession mit der deutschen Geschichte rührt. Vor allem für eine Szene musste der Regisseur sich verteidigen, in der er zwei disparate Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs gegeneinander schneidet: Ein kleiner Junge sieht, wie die alliierten Bombergeschwader in Richtung Dresden fliegen und die Stadt in den letzten Kriegstagen sinnlos in Brand setzen – während Nazis Frauen in die Gaskammer schicken. Darf man das, darf man Euthanasie und Zerstörung nebeneinander setzen? Man darf, findet unser Kolumnist: Es handele sich um eine historische Gleichzeitigkeit, nicht um eine Aufrechnung oder Apologie, nicht um eine Anklage oder Rechtfertigung. Seine Rezension des Films lesen Sie heute Nachmittag auf unserer Seite.

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Dass ein Verein mal zwei Spiele in Folge nicht gewinnt? Ist ziemlich normal. Dass der FC Bayern zwei Spiele in Folge nicht gewinnt? Ist mindestens schon eine kleine Krise. Heute können die Münchner ihren Schluckauf überwinden: In der Champions League empfangen sie Ajax Amsterdam – doch leicht wir das keinesfalls. Angeführt von einem 19-jährigen Kapitän sorgen die Niederländer derzeit mächtig für Furore. Wie machen die das? Mein Kollege Benjamin Zurmühl hat den Ajax-Experten Sjors van Veen gefragt. Der weiß es.

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WAS LESEN?

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es, und ich zeige Ihnen nun eins, bei dem das keine Übertreibung ist. Das Bild zeigt eine Landkarte – eine bemerkenswerte, fast schon schockierende Landkarte. Sie verzeichnet die Ergebnisse der Parlamentswahl in Polen aus dem Jahr 2007. Wahlbezirke, in denen die liberal-konservative Bürgerplattform (PO) vorne lag, sind orange eingefärbt; die mit einer Mehrheit für die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erscheinen blau. Eine unsichtbare Linie scheint die Lager zu trennen. Sie verläuft genau dort, wo bis 1918 die Grenze des deutschen Reiches lag.

Das Bild hat eine Botschaft: Auch nach fast einem Jahrhundert wirkt sich die Teilung eines Landes massiv auf Weltanschauung, Werte, politische Überzeugungen aus. Wenn diese Auslegung stimmt, dann dürfen wir uns beim Zusammenwachsen zwischen Ost- und Westdeutschland noch auf einen langen Weg einstellen. Die Kräfte vom rechten Rand, die sich in einigen ostdeutschen Regionen tief in die Gesellschaft eingegraben haben, werden uns demzufolge auf Dauer beschäftigen. Noch Jahre lang, Jahrzehnte lang. So einfach, informativ, ernüchternd kann der Blick auf eine Landkarte sein. Mehr als tausend Worte wert.

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Natascha Kohnen ist nicht zu beneiden. Als Spitzenkandidatin versucht sie, die Bayern bis zur Landtagswahl in zwei Wochen zu überzeugen, irgendwie doch noch SPD zu wählen – während ihre Partei in den Umfragen immer weiter verliert. Und dann muss sie sich auch noch mit ihren Genossen in Berlin herumärgern, im Streit um die (Zeitweise-)Beförderung von Verfassungsschutzchef Maaßen stellte sie sich gegen ihre Parteichefin Nahles. “Was im Bund passiert, schadet uns“, sagt Kohnen im Interview mit meinem Kollegen Jonas Schaible. Ihre eigene Politik ist dagegen ziemlich klar: “Mieten sind das Thema Nummer 1“, sagt sie, und fordert außerdem mehr Geld für Lehrer und kostenlosen Nahverkehr. Ob es ihr am Ende zu mehr Stimmen verhilft? In dem Gespräch können Sie sich ein Bild der Kandidatin machen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Bei manchen Sachen muss man sich entscheiden. Man nimmt entweder eine Pepsi oder man nimmt eine Cola. Normalerweise. Heute nehmen wir beides, schütten die ganze Brühe weg und ersetzen sie durch Hackfleisch. Film ab für den Basteltipp des Tages!

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag und morgen einen entspannten Feiertag. Am Donnerstag sehen, Pardon, lesen wir uns wieder.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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