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SPD – Kohnen vor Bayern-Wahl: "Was im Bund passiert, schadet uns"


"Was im Bund passiert, schadet uns"

Ein Interview von Jonas Schaible

Aktualisiert am 01.10.2018Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Natascha Kohnen im Landtag, im Hintergrund sitzt Markus Söder: Die bayerische SPD-Chefin kritisiert die Wohnungsbaupolitik der CSU scharf.Vergrößern des Bildes
Natascha Kohnen im Landtag, im Hintergrund sitzt Markus Söder: Die bayerische SPD-Chefin kritisiert die Wohnungsbaupolitik der CSU scharf. (Quelle: Peter Kneffel/dpa)

Lehrergehälter hoch, Mieten runter, Nahverkehr kostenlos – im Interview spricht SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen über ihr Programm für Bayern. Nur über eines möchte sie nicht reden.

Die bayerische SPD hatte es nie leicht. Gegen die übermächtige CSU hat sie nur in den Städten eine Chance. Selbst mit dem beliebten und bekannten Münchner Oberbürgermeister Christian Ude als Spitzenkandidaten reichte es vor fünf Jahren gerade einmal für 20,6 Prozent. Die Partei hatte sich deutlich mehr erhofft.

Natascha Kohnen war dagegen vorher vergleichsweise unbekannt – und wurde im Frühjahr 2017 trotzdem in einem Mitgliederentscheid unter sechs Kandidaten auf Anhieb mit absoluter Mehrheit zur neuen SPD-Chefin in Bayern gewählt. Dann zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Später sogar zu einer der stellvertretenden Parteivorsitzenden der Bundespartei. Beobachter glaubten, diesmal könne die Partei gut abschneiden.

Aber in den Umfragen sieht es nicht gut aus für die SPD. Sie verliert Unterstützung, statt zu gewinnen. Selbst ein nur einstelliges Ergebnis ist denkbar.

Kohnen will das mit Konzentration auf soziale Fragen ändern und mischt sich auch in die Berliner Politik ein. Im Interview spricht sie über ihre Mietenpolitik und die Folgen der Berliner Koalitionskrisen auf die Bayern-SPD, die womöglich bald ebenfalls entscheiden muss: schwarz-rote Koalition, ja oder nein?

Frau Kohnen, Sie haben die Parteichefin in einem offenen Brief aufgefordert, die Beförderung von Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium zu stoppen. Die hat ihrerseits einen offenen Brief geschrieben und die Entscheidung zusammen mit der Kanzlerin und Innenminister Horst Seehofer revidiert. Haben Sie die SPD gerettet?

Natascha Kohnen: Horst Seehofer hat mit der Entscheidung, Herrn Maaßen für dessen Fehlverhalten zu befördern, die Regierung in eine schwierige Lage gebracht. Ich habe direkt erklärt, dass diese Entscheidung nicht vermittelbar ist und korrigiert werden muss. Ich bin froh, dass wir als SPD nun gemeinsam zu diesem Entschluss gelangt sind.

Trotzdem machte die SPD keinen guten Eindruck. Sie kritisiert heftig, aber trägt am Ende alles mit. Warum lässt sie das mit sich machen?

Das ist die falsche Frage.

Das finde ich nicht.

Die Frage, die man stellen muss, heißt: Was ist eigentlich mit Herrn Seehofer los?

Stimmt, aber ich nehme an, die können Sie mir nicht beantworten.

Aber darum geht es! Was treibt diesen Mann an, diesen Staat permanent in Regierungskrisen reinzupeitschen? Und warum nimmt die Kanzlerin ihn nicht an die Zügel? Denn so regiert man kein Land. Die Union hat einen Familienkonflikt. Die SPD wird nur hineingezogen.

Viele gehen davon aus, dass Horst Seehofer nach der Landtagswahl als CSU-Parteichef gehen muss. Dann wäre er auch als Minister leichter zu entlassen, die Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU dadurch nicht mehr unbedingt gefährdet. Würde die SPD dann mehr Druck ausüben?

Ich finde das reichlich kompliziert, ehrlich gesagt. Und ich finde, man muss Parteiämter von Ministerämtern trennen. Als Minister nimmt Seehofer die Regierung in Geiselhaft, dabei müsste er versöhnen. Als Bauminister hätte er die Aufgabe, für neue Wohnungen zu sorgen. Wir alle warten auf irgendetwas von diesem Mann, aber Seehofer erfüllt seine Aufgabe nicht. Er kümmert sich Nullkommanull ums Bauen.

Und damit kümmert sich auch die Regierung, in der die SPD sitzt, nicht ums Bauen. Sie führen einen Mietenwahlkampf. Wie erklären Sie das den Wählern?

Zum einen ist Katarina Barley als Justizministerin zuständig für Mieten, und die arbeitet sehr wohl. Im Gegensatz dazu arbeitet der Bauminister nicht. Umso wichtiger ist, dass wir in Bayern selbst etwas gegen steigende Mieten tun.

Meine Erfahrung ist: Wenn man zwei Großstädter in einen Raum sperrt, sprechen sie bald über Mieten. Aber politisch scheint man damit wenig zu gewinnen.

Das ist mir egal. Im ganzen Land kommen inzwischen Menschen auf mich zu und fragen, wie sie sich künftig ihr Dach überm Kopf leisten sollen. Ich habe das Thema nicht ausgesucht, weil ich damit am besten den Wahlkampf führen kann.

Vielleicht sollte die SPD ab und an auch darüber nachdenken. Die Bayern-SPD verliert in Umfragen seit Längerem. Warum wirkt das soziale Programm nicht?

Unser Problem ist, dass ewig nur ein Thema diskutiert wurde: Flucht und Migration. In diesem Klima kamen soziale Themen überhaupt nicht durch. Ich habe vor einem Jahr gesagt: Mieten sind das Thema Nummer 1. Ich habe damals den Leitantrag für den Parteitag ändern lassen. Ich musste mit dem Kopf durch die Wand. Aber jetzt kommt das Thema hoch – auch in Umfragen. Dass die SPD in einer schwierigen Phase ist, ist klar. Die Umfragen sagen aber auch, dass die Wahlen noch offen sind. Mehr als die Hälfte der Menschen wissen noch nicht, wem sie ihre Stimme geben.

Das hat Martin Schulz auch immer gesagt.

Das macht es nicht falsch.

Trotzdem dürfte es Ihnen zu denken geben, dass die SPD in Umfragen verliert, während die Grünen gewinnen.

Die Grünen tun sich leichter, die sind in Bayern und in Berlin in der Opposition. Wir sind in Berlin in einer Koalition mit den unseligen Dreien, mit Seehofer, Söder, Dobrindt, die das Land immer wieder an den Rand einer Staatskrise bringen. Was im Bund passiert, schadet uns.

War es aus dieser Perspektive ein Fehler, in die große Koalition zu gehen?

Irgendwer muss das Land voranbringen. Die FDP und die Grünen haben sich ja vom Acker gemacht. Jetzt hat es ein Ende mit sachgrundlosen Befristungen, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit kommt – dank der SPD.

Die Frage nach Schwarz-Rot wird sich womöglich auch in Bayern stellen. Und dann?

Ich rede nicht über Koalitionen. Die Menschen da draußen interessieren sich dafür auch nicht.

Aber ohne Koalition keine Politik. Würden Sie in eine schwarz-rote Koalition gehen, um etwas zu verändern, auch wenn es der SPD nicht guttut – wie im Bund?

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Ich rede nicht über Koalitionen, nur über Themen.

Machen wir jetzt, keine Sorge. Wie genau wollen Sie Wohnungen bezahlbar halten – oder eher: machen?

Kommunen und Land müssen zusammenarbeiten. Unser Dreiklang beim Wohnungsbau lautet: Bauland mobilisieren, Neubau voranbringen und in den Städten intelligent nachverdichten. Wir brauchen in Bayern eine echte landeseigene Wohnbaugesellschaft. Die muss in den nächsten fünf Jahren 25.000 Wohnungen bauen. Und die Sozialbindungen, die für bestehende Wohnungen gelten, müssen verlängert werden. Bayern hat sich versündigt, die CSU hat Mittel gekürzt und öffentliche Wohnungen verkauft. Wir brauchen viel mehr Wohnungen in Staatshand. Und dann muss man den Druck auf die Städte mindern.

Wie?

Durch aktive Landesplanung. Die Landespolitik hat nicht jeden Winkel Bayerns im Blick. Es fehlt ein Überblick, ein Flächenkataster, das auflistet, welche Flächen in staatlicher Hand sind, die wir bebauen können. Die Großstädte leiden unter der Landflucht, weil in den ländlichen Regionen das Internet zu langsam ist für Unternehmen, weil Schulen geschlossen werden und Orte nicht einmal eine ÖPNV-Verbindung haben. Das hat die CSU verschlafen. Ohne Jobs, Internet und Mobilität wird keiner auf dem Land bleiben.

In München sind die Mieten in den vergangenen fünf Jahren um rund 50 Prozent gestiegen. Nehmen wir an, Sie könnten all das umsetzen: Wie sähe es nach fünf Jahren aus?

Wir brauchen den Mietenstopp, den muss der Bund beschließen. Dann dürften Mieten nur mit der Inflationsrate steigen, was über fünf Jahre übrigens immer noch gut zehn Prozent wären.

Wenn der Mietenstopp aus dem Bund nicht kommt, was dann?

Münchens SPD-Bürgermeister Dieter Reiter arbeitet gerade an einer kommunalen Mietpreisbremse: Er versucht, große Verbände, die Wohnungen besitzen, dazu zu bringen, sich zu verpflichten. Auch mit anderen Kommunen sprechen wir. Die Kommunen brauchen Unterstützung des Landes.

Noch einmal: Wie sehr steigen die Mieten, wenn Sie freie Hand bekommen, aber der Bund nicht liefert?

Ich weiß nicht, was Dieter Reiter genau verhandeln wird. Aber klar, wir haben die Inflationsrate als Größenordnung vorgeschlagen. Das ist eine nachvollziehbare Größe. Wir können auf jeden Fall erreichen, dass sich der Markt entspannt. Dass der Wohnungsmarkt nicht mehr absurde Renditen verspricht. Es geht schließlich um ein Grundrecht.

In München, Hamburg und Berlin bieten vor allem Genossenschaftswohnungen noch bezahlbare Wohnungen. Wollen Sie die fördern?

Ja, wir wollen eine eigene Fördersäule im Land aufbauen. Es gab bis in die 1980er außerdem eine allgemeine Förderung von gemeinnützigen Wohnungen. Solche Anreize brauchen wir unbedingt.

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Sie fordern auch einen kostenlosen Nahverkehr – aber erst irgendwann in der Zukunft. Warum nicht jetzt schon?

Weil er bezahlbar sein muss. Das geht nur Schritt für Schritt, und wir wollen mit einem kostenlosen Ticket für Auszubildende, Schüler, Studierende, alle im Freiwilligendienst, Senioren und Bedürftige beginnen.

Das würde für viele Menschen konkret helfen. Aber inwiefern bereitet das die nächsten Schritte vor? Was sind die nächsten Schritte überhaupt? Was ist der längerfristige Plan?

Wir wollen erst einmal diesen Gruppen helfen. Das geht schnell. Die nächsten Schritte können wir gehen, wenn klar wird, wie sich die Verkehrsverbünde entwickeln. Da wäre viel zu tun.

Lehrer sollen künftig alle gleich viel verdienen, wenn es nach Ihnen geht. Würde nach oben angepasst oder nach unten?

Ein Grundschullehrer hat nicht weniger Verantwortung als ein Gymnasiallehrer. Natürlich müssen wir Lehrergehälter nach oben anpassen! Wir können ja nicht jungen Leuten sagen, werdet Lehrer, wir brauchen euch, wir steuern auf einen krassen Lehrermangel zu, aber ihr verdient dann weniger. Noch wichtiger ist aber, dass wir endlich alle Lehrer entfristen. Von Unternehmen verlangt Bayern das schon. Zeit für den Staat, nachzuziehen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Natascha Kohnen in München
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