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Tagesanbruch: Lagebild zu Clan-Kriminalität – Diese Zahlen sind eine Warnung


Was heute wichtig ist
Jetzt droht das nächste ESC-Desaster

MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 16.05.2019Lesedauer: 6 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Das Duo S!sters.Vergrößern des Bildes
Das Duo S!sters. (Quelle: Ronen Zvulun/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages – heute von mir als Stellvertreter von Florian Harms:

WAS WAR?

Diese Zahlen sind ganz besondere, weil sie die ersten sind. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hat das bundesweit erste Lagebild zur Clan-Kriminalität veröffentlicht. Ergebnis: In NRW gebe es 104 kriminelle Clans. In den Jahren 2016 bis 2018 sollen die für rund 14.000 Straftaten verantwortlich sein, begangen von 6.500 Verdächtigen. Von den Straftaten seien 26 Tötungsdelikte, davon 24 Versuche und zwei vollendete. Das sind hohe Zahlen, die NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) da präsentiert hat.

Aber was bedeuten sie?

Fakt ist: Die Bundesländer haben das Thema Clan-Kriminalität eher jahrzehntelang als jahrelang verpennt. Das hat Reul selbst noch im Februar zugegeben. Deshalb sind die Zahlen so hoch. Deshalb hat es so lange gedauert, bis es jetzt überhaupt welche gibt. Und deshalb haben mehrere Bundesländer und insbesondere die Städte Essen, Berlin oder Bremen ein riesiges und gefährliches Clan-Problem.

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Expertengremien von Polizei und Kriminalämtern in Bund und Ländern arbeiten angeblich seit Monaten an einer besseren Erfassung der Straftaten von Clans – sowie an einer besseren Definition und Abgrenzung anderer Bereiche organisierter Kriminalität. Sonderlich viele Ergebnisse sind dabei offensichtlich noch nicht rum gekommen.

Immerhin in NRW sind sie mittlerweile wach. Das Landeskriminalamt in Düsseldorf gründete erst im Dezember 2018 eine Taskforce mit Clan-Fokus. Es folgten diverse Razzien. Sie hat den Kampf gegen Raub, Erpressung und Körperverletzung also aufgenommen. Da helfen neben den Zahlen insbesondere weitere Erkenntnisse. Der Ursprung der Clans seien türkisch-arabischstämmige Großfamilien. Viele Clan-Mitglieder hätten keinen oder einen niedrigen Schulabschluss, aber große Erwartungen an ihren Lebensstandard. Einkünfte würden aus Drogenhandel, Shisha-Bars, Wettbüros und dem Autohandel kommen, aber auch aus Betrugsmaschen.

Was jetzt?

Die betroffenen Länder müssen schlicht noch mindestens einen Gang hochschalten. Die Razzien der vergangenen Monate und nun die Erhebung der Zahlen in NRW können nur der Anfang sein, um die entstandenen Parallelstrukturen und die Paralleljustiz zu zerschlagen, wie NRW-Justizminister Peter Biesenbach sie nannte.

  • Gerade die Hotspots für Clan-Kriminalität wie Berlin und Bremen müssen nachziehen und ebenfalls schnellstmöglich Lagebilder erarbeiten und veröffentlichen. Das gilt natürlich auch für andere Länder wie Niedersachsen, die ebenfalls unter Clans leiden. Und für den Bund.
  • Die Länder müssen endlich Erkenntnisse austauschen und wirklich zusammenarbeiten – statt nur darüber zu reden.
  • Die Länder müssen selbstbewusst auftreten und das geltende Recht durchsetzen. Reul sagt beispielsweise: "Das können Clans gern als Drohung oder als Kampfansage verstehen. Bei uns gilt nicht das Recht des Clans, sondern das Recht des Staates."
  • Sie müssen zugleich Mitgliedern der Clans den Ausstieg ermöglichen aus dem Teufelskreis – und Zeugen noch besseren Schutz garantieren.
  • Das Gesetz zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sieht seit 2017 bereits eine teilweise Umkehr der Beweislast vor und muss noch konsequenter umgesetzt werden: Verdächtige müssen die Herkunft ihres Vermögens belegen. Besteht kein Zweifel daran, dass Vermögen aus kriminellen Handlungen herrührt, kann es auch dann eingezogen werden, wenn die konkrete Straftat, aus der es stammt, nicht nachgewiesen werden kann. Durch Beschlagnahmungen müssen die Clans finanziell ausgetrocknet werden.

Die Zeit drängt, will man den Kampf gegen die Clan-Kriminalität noch gewinnen. Die Zahlen aus NRW sind da eindeutig eine Warnung.


WAS STEHT AN?

Was kann Deutschland besonders gut? Autos bauen? Bier brauen? Fußball spielen? Womöglich. In einer Disziplin allerdings läuft es seit Langem überschaubar: beim Singen. Einen Weltstar sucht man in Deutschland derzeit vergeblich. Über die erfolgreichste Sängerin Helene Fischer haben sich die Briten sogar lustig gemacht und ihre "schreckliche Musik" verspottet.

Am Samstag findet nun der Eurovision Song Contest in Israel statt. Für Deutschland am Start: S!sters mit dem Lied "Sister".

Nie gehört? Kein Wunder. In Wettbüros ist das weitgehend unbekannte Duo krasser Außenseiter. Wahrscheinlich zu Recht. Ein Blick auf die deutsche Historie zeigt: Irgendwie fahren (fast) immer die Falschen zum Contest. Zu den Top-Drei-Nationen gehört Deutschland nur bei den größten Verlierern aufgrund letzter Plätze.

Mehr zu dem Thema gibt es bei unseren Kollegen von Statista hier.

Kennen Sie noch die Teilnehmer der vergangenen Jahre? Die meisten sind leider wieder in der Versenkung verschwunden.

So viel zum musikalischen Teil. Denn viel schlimmer als die Darbietungen auf der Bühne ist die Lage, in der sich Israel nach wie vor befindet – trotz der Waffenruhe, die eigentlich herrscht.

Keine zwei Wochen ist es her, dass militante Palästinenser Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert und damit israelische Vergeltungsangriffe ausgelöst hatten. Vier Menschen in Israel und 25 Palästinenser, darunter mindestens neun Mitglieder der radikalislamischen Hamas oder der mit ihr verbündeten Gruppe Islamischer Dschihad, wurden getötet. Es waren die schwersten Zusammenstöße seit dem Gazakrieg im Jahr 2014.

Und gestern kam es bei Konfrontationen von Palästinensern und israelischen Soldaten an der Gaza-Grenze laut palästinensischen Angaben zu 65 verletzten Menschen, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Die Palästinenser protestierten wegen des Nakba-Tages, an dem sie der Vertreibung und Flucht Hunderttausender im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 gedenken. Laut palästinensischen Augenzeugen setzten die Soldaten scharfe Munition, Gummimantelgeschosse, Tränengas und stark stinkendes Wasser gegen die Demonstranten ein.

Beim ESC sind sie bemüht, das Thema einfach zu verschweigen. Sie möchten eine Normalität vermitteln, die es nicht gibt.


Normalerweise stellt jede Bundestagsfraktion mindestens einen Bundestagsvizepräsidenten – wie es die Geschäftsordnung vorsieht. Die AfD hat allerdings immer noch keinen Abgeordneten im Präsidium des Parlaments. Es fand sich schlicht keine Mehrheit für einen der bisher zwei AfD-Kandidaten. Gerold Otten ist die Nummer drei, die es versucht. Der frühere Soldat fiel zwar auch im ersten Wahlgang durch, will sich aber heute wieder zur Wahl stellen. Im Interview mit Florian Harms und Jonas Schaible hat er unter anderem verraten, dass er selbst nicht alle anderen Kandidaten gewählt hat.

Klappt es heute mit der Wahl? Wahrscheinlich nicht.

Aber immerhin stehen noch andere Themen auf der Agenda im Bundestag: Eine Debatte zum Jubiläum "70 Jahre Grundgesetz" mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, eine Aktuelle Stunde zur Grundrente auf Antrag der FDP, die Schlussabstimmung zur Bafög-Novelle und vieles mehr.

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Die Spitzenkandidaten zur Europawahl (26. Mai) stellen sich zu ihrem zweiten TV-Duell. Frans Timmermans (Europäische Sozialdemokraten) und Manfred Weber (Europäische Volkspartei) sind zu Gast im Hauptstadtstudio des ZDF, das "Das #tvDuell zur Europawahl" live ab 20.15 Uhr und auch im Livestream überträgt.


Beim Treffen der 19 Finanzminister der Euro-Zone in Brüssel stehen Diskussionen zur Konjunkturentwicklung in Europa auf dem Programm. Sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung hatten zuletzt ihre Prognosen für das laufende Jahr nach unten revidiert. Anschließend beraten 27 Finanzminister – ohne Großbritannien – im erweiterten Format über die Vertiefung der Eurozone sowie das geplante Eurozonenbudget.


Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt ab 11.30 Uhr über die Rechtmäßigkeit des millionenfachen Tötens männlicher Küken, nachdem das Land Nordrhein-Westfalen die langjährige Praxis untersagt hatte und zwei Brütereien dagegen klagten. Das Bundesverwaltungsgericht muss endgültig klären, ob das "Kükenschreddern" oder "-vergasen" mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist. Da kann es eigentlich nur eine Antwort geben.


Um 10 Uhr beginnt in Berlin der Prozess gegen den Islamisten, der im Oktober 2016 einen Sprengstoffanschlag in Deutschland vorbereitet und dem sich laut Anklage auch der spätere Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri angeschlossen haben soll.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

Es klingt gruselig, ist aber Realität: Wahlwerbung kann im Internet passgenau auf das psychologische Profil jedes Nutzers zugeschnitten werden. Der Computerexperte und Psychologe Michal Kosinski hat das mit ermöglicht – jetzt warnt er im Interview mit unserem Washington-Korrespondenten Fabian Reinbold vor dem Einsatz im Europawahlkampf: "Ich kann Ihnen garantieren, dass alle Parteien und Akteure auf diese Methoden zurückgreifen." Ist wirklich gruselig. Die Details finden Sie hier.


"Überstunden sind die Grundlage für die Karriere. Die Vorstellung, dass jemand mehr leistet, obwohl er früher nach Hause geht, ist ein Märchen, das von den Stiftfallenlassern erfunden wurde." Das schreibt Lukas Martin zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach künftig jedes Unternehmen die Arbeitszeit seiner Angestellten systematisch erfassen muss. Ana Grujić hält das für Quatsch. Warum? Das lesen Sie im Pro-und-Kontra-Format.


WAS AMÜSIERT MICH?

Eigentlich ist es tragisch, was beim einst so stolzen Hamburger Sport-Verein passiert. Aber: Es ist auch ein bisschen lustig, wie sich der Streit entwickelt hat, ob der Verein nun seinen Trainer Hannes Wolf gefeuert hat oder nicht. Trotz der widersprüchlichen Aussagen kann man davon ausgehen, dass er nicht weitermachen darf. Und dann hat der HSV seine spektakuläre Trainer-Bilanz der letzten 20 Jahre weiter ausgebaut.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag. Morgen schreibt mein Kollege Peter Schink für Sie.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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