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Tagesanbruch: Donald Trumps Impeachment, die SPD und The Who


Was heute wichtig ist
Die Teufelskerle sind zurück

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 06.12.2019Lesedauer: 5 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
In den sechziger Jahren interpretierte die Band The Who den Rock n Roll als wildes Dauerfeuer aus Akkorden, Rhythmen und zerstörten Instrumenten.Vergrößern des Bildes
In den sechziger Jahren interpretierte die Band The Who den Rock n Roll als wildes Dauerfeuer aus Akkorden, Rhythmen und zerstörten Instrumenten. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hoffentlich haben Sie heute Morgen etwas Feines in Ihren Stiefeln gefunden. Ich habe zwar nichts in den Schuhen, wohl aber viel Feines in meinem E-Mail-Postfach gefunden: In den vergangenen Tagen haben uns besonders viele Zuschriften von Leserinnen und Lesern erreicht. Dafür danke ich sehr herzlich. Ob Anregungen, Lob oder Kritik: Zwar kann ich nicht jede Nachricht persönlich beantworten, aber ich lese sie alle gerne.

Und hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Weihnachten ist das Fest der Liebe, aber bei manchen ist es vor allem die Vorfreude auf die Geschenke, die die Augen leuchten lässt. So erklärt sich auch die freudige Erregung unter Abgeordneten und Anhängern der Demokratischen Partei in den USA. Noch vor Weihnachten soll das Repräsentantenhaus über die formale Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Trump abstimmen. Da die Demokraten in der Kammer die Mehrheit stellen, wird ihr Wunsch in Erfüllung gehen.

Es ist die Stunde der Verfassung, was zu großen Worten Anlass gibt. Denn ihrer Verfassung bringen Amerikaner nicht nur gebührenden Respekt entgegen, wie auch wir das gegenüber dem Grundgesetz tun. Sie begegnen der Verfassung – und den Gründervätern, die sie zu Papier gebracht haben – mit einer religiösen Verehrung, als sei sie auf einer Tontafel direkt vom Berg Sinai herabgereicht worden. Diese Überhöhung des eigenen politischen Systems, als Gottes Segnung für die Menschheit, lädt zu Selbstüberschätzung geradezu ein. Jüngstes Opfer: die Demokraten.

Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses und als solche nicht nur die mächtigste Vertreterin der Demokraten, sondern auch die Nummer drei in der Hierarchie der Vereinigten Staaten, trat gestern feierlich vor die Nation. Von Fahnen eingerahmt, kündigte sie in Worten voller Pathos an, nun die Anklageschrift gegen den Präsidenten verfassen zu lassen. Zitate der Gründerväter, in der heute recht befremdlichen Sprache des 18. Jahrhunderts, durchtränkten ihre Rede. Verfassungspatrioten mit höherem Bildungsabschluss, die Herrn Trump ohnehin für einen Primitivling halten und sowieso die Demokraten wählen, werden da zufrieden nicken. Und gar nicht merken, wie reich sie nicht sich, sondern Donald Trump schon zum Nikolaustag beschenken.

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Denn der Präsident der Anstößigkeiten ist der Mann des anderen Amerikas: das der Landeier, der Kleinstädter, der Leute im abgehängten Landesinneren. Trump-Fans mögen ihn für seine direkte, oft plumpe Art, denn er redet nicht wie die Ostküsten-Elite (zu der er eigentlich gehört), sondern – als geborener Verkäufer – wie jene, deren Stimmen er haben will. Niemals spricht er zu ihnen wie Nancy Pelosi, die distinguiert Geschichte beschwört und mit Zitaten glänzen will. Den Schulterschluss mit Patrioten im ganzen Land, denen es an Ehrfurcht vor der Verfassung nicht mangelt, am Hochschulabschluss aber schon, hat die Dame gerade mal wieder verpasst.

Dabei geht es auch anders: Donald Trumps Antwort kam nicht auf förmlicher Bühne vor großer Flaggenkulisse – sondern per Tweet. Die Demokraten, wetterte er, "sind verrückt geworden". Seine Fans hören es gern. So kennen sie ihren Präsidenten. Der ist in Ordnung, der Typ, einer wie sie. Die Gründerväter braucht er gar nicht zu bemühen. Weder am Nikolaustag noch an Weihnachten.


WAS STEHT AN?


Schalte ich das Radio an, schalte ich es gleich wieder aus. Unerträgliches Gedudel, das uns da um die Ohren gehauen wird. Wo sind die großen Melodien, wo die kraftvollen Gitarrenakkorde, wo die provokanten Texte, deren Botschaften auch nach Jahrzehnten noch im Gedächtnis haften? Gibt’s nicht mehr, stattdessen nur belangloses Gedud… oh! Was ist denn das? Donnerwetter! Gibt‘s ja doch noch, die großen Songs, hier und heute, schnell lauter drehen! Sage und schreibe 13 Jahre nach ihrer letzten Platte veröffentlichen die Altrocker von The Who heute ein nigelnagelneues Album. Oder besser: das, was von The Who noch übrig ist. Der wahnsinnige Keith Moon, der schneller trommelte als sein Schatten, und Donnerfingerbassist John Entwistle rocken ja nicht mehr hier auf Erden, sondern schon ein paar Stockwerke höher. Also haben Gitarrenzerschmetterer Pete Townshend und Rockröhre Roger Daltrey das Werk alleine aufgenommen – allerdings in unterschiedlichen Studios. Nach all den Jahren Sex & Drugs & Rock n Roll können sich die beiden nicht mehr riechen.

Mitreißende Musik können sie aber immer noch machen, das hören wir schon am vorab ausgekopppelten Song "Ball and Chain", den Sie sich jetzt beim Morgenkaffee zu Gemüte führen dürfen. Wenn der schon so einschlägt, wie großartig muss dann erst der Rest sein? Heute Vormittag wissen wir es. "Das ist unsere beste Platte seit 'Quadrophenia' von 1973", tönt Mister Daltrey und bringt tatsächlich auch ein Lob für seinen Kollegen über die Lippen: "Pete hat’s noch drauf, er ist ein großer Songwriter."

Das kann man wohl sagen. Und heute kommen wir in den Genuss, uns seiner Kunst hingeben zu dürfen. Dafür schalte ich sogar das Radio an.


Man tritt sicher niemandem zu nahe, wenn man feststellt, dass die SPD des Jahres 2019 nicht mehr ganz so viel Rock n Roll im Blut hat. Die Genossen machen eher in Blues. Heute könnte es in ihren Reihen trotzdem krachen, auf dem Bundesparteitag in Berlin geht es um alles: Wahl der neuen Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Kampfkandidaturen der Stellvertreter, Debatte zur Halbzeitbilanz der ungeliebten großen Koalition – und jede Menge Gelegenheiten für den linken und den rechten Flügel der Partei, übereinander herzufallen. Da ist Musik drin.

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Trotzdem raunen uns die Auguren zu: Am Ende wird alles nicht so laut aufgedreht, wie es angekündigt wurde. Nun, wo er den Olaf ausmanövriert hat und seine Verbündeten auf die Chefsessel hievt, will der Kevin die Groko auf einmal doch nicht mehr platzen lassen. Macht macht gefügig. Allerdings bergen solche Manöver auch Risiken. "Die Revolutionäre mussten ihre Revolution absagen. Das ist gefährlich für sie", schreibt unser Parlamentsreporter Johannes Bebermeier in seiner Analyse. Er wird Sie auch am Wochenende über den Parteitag auf dem Laufenden halten.


Bundeskanzlerin Merkel besucht heute zum ersten Mal das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, wo die Nazis mehr als eine Million Menschen ermordeten, überwiegend Juden. Die brasilianische Künstlerin Marina Amaral hat in ihrem Projekt "Faces of Auschwitz" die Schwarz-Weiß-Porträts von Insassen nachträglich koloriert. So entfalten sie eine noch viel stärkere Wirkung.

Die Bundesregierung stellt heute ihren Lebenslagenbericht vor, mein Kollege Jonas Mueller-Töwe konnte ihn bereits einsehen. Demnach sind deutsche Ämter und Behörden besser als ihr Ruf.

Am kommenden Donnerstag wählen die Briten mal wieder ein neues Parlament. Heute treffen Premierminister Boris Johnson und Oppositionsführer Jeremy Corbyn in einem TV-Duell der BBC aufeinander.

Apropos bewegte Bilder, Sie haben es vielleicht schon bemerkt: Wir haben die Funktion der Videos auf t-online.de umgestellt. Die Videos starten nun nicht mehr automatisch, sondern nur dann, wenn Sie sie anklicken. Ist natürlich viel besser. Unser Videochef Martin Trotz erklärt Ihnen die Hintergründe.


WAS LESEN?

Englischsprachige Artikel empfehle ich Ihnen hier eher selten, diesmal mache ich eine Ausnahme. Diese Visualisierung der "New York Times" zur Luftverschmutzung in Städten rund um den Globus sollten Sie gesehen haben.


Frau Dittrich redet über große Gefühle wie andere über Einkaufslisten: Sie erzählt mit ruhiger Stimme und spricht dabei jedes Wort deutlich aus, von Romantik keine Spur. Dabei sucht die 79-Jährige einen Partner – nach 45 Jahren Ehe. Mit meiner Kollegin Ana Grujić hat sie über ihre Erfahrungen gesprochen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Super, so eine CO2-Steuer.


Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Freitag. Ab morgen erscheint wieder der Audio-Tagesanbruch am Wochenende. Mein Kollege Marc Krüger und ich unterhalten uns über die wichtigsten Themen der Woche. Hören Sie gerne hinein. Alles, was Sie dafür brauchen, ist ein kostenloses Tagesanbruch-Abo.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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