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Corona-Krise: Donald Trumps Fehler eröffnet Europa eine große Chance


Was heute wichtig ist
Trumps Fehler eröffnet Europa eine große Chance

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 17.04.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Donald Trump versucht von eigenen Fehlern abzulenken, indem er die WHO bestraft. Europa sollte einspringen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump versucht von eigenen Fehlern abzulenken, indem er die WHO bestraft. Europa sollte einspringen. (Quelle: Alex Brandon/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

und herzlichen Dank für die vielen Zuschriften. Es ist eine Freude zu hören, wie sehr der Tagesanbruch als Morgenlektüre geschätzt wird. Hier können Sie ihn weiterempfehlen. Auch in dieser schwierigen Zeit arbeiten wir von t-online.de gerne für Sie. Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Gestern hatte ich die Faxen dicke. Wollte endlich mal wieder unter Leute kommen. Also stürzte ich mich ins Getümmel. War super. Eine Kollegin zeigte mir ihre Sandsammlung: 1.500 Sorten aus 180 Ländern, alle in Gläschen abgefüllt! Eine zweite schwärmte so sehr von Sri Lanka, dass ich da unbedingt mal hin muss. Eine dritte verriet mir eine neue Berliner Gin-Sorte. Ein Musikliebhaber ließ mich aus seiner riesigen Plattensammlung wählen. Ich entschied mich für britischen Hip-Hop, sehr groovig. Ein anderer erzählte mir beim Bier einen Schwank: Drei Minuten, nachdem Frau Merkel vorgestern angekündigt hatte, dass Friseure ab dem 4. Mai wieder öffnen dürfen, rief eine Bekannte bei ihrem Scherenschwinger an – doch da war der bereits bis Ende Mai ausgebucht. Wir lachten herzhaft und wuschelten uns durch unsere Corona-Mähnen.

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Ja, es ist herrlich, Bekannte zu treffen, mit ihnen zu plaudern, zu trinken, rumzualbern. Wir Menschen brauchen das, und durch die Kontaktsperre merken wir erst, wie wichtig die soziale Nähe für unser Wohlergehen ist. Selbst Introvertierten und Einzelgängern fällt irgendwann die Decke auf den Kopf, wenn sie nur noch in der Bude hocken. Stimmungskanonen sowieso. Deshalb habe ich den Abend gestern genossen. Auch wenn er nur virtuell war: Videokonferenz per Zoom, Skype oder GoToMeetings anschalten, Bier aus dem Kühlschrank holen – und dann den lieben Leuten auf dem Bildschirm zuprosten. Klingt meschugge? Ist es nicht. Probieren sie‘s mal aus. Hinterher fühlt man sich besser. Und kann über den Virenschlamassel sogar lachen.


Fast nichts auf dieser Welt ist noch wie sonst, aber ein paar Dinge bleiben wie immer. In den hektischen Tagen der Corona-Krise konnten wir für den Hitzkopf im Weißen Haus nur wenig Zeit erübrigen, aber dass dort angesichts der riesigen Herausforderungen die Stimme der Vernunft zu Kräften gekommen wäre, war nicht zu erwarten. Nun haben wir den Beweis geliefert bekommen: Wer würde mitten in der größten Pandemie unserer Lebenszeit einer Organisation, die rund um den Globus den Kampf gegen ebenjene Pandemie koordiniert, den Geldhahn zudrehen? Natürlich, der Donald. Weil es gerade in seine Wahlkampftaktik passt. Nachdem Herr Trump die Bedrohung durch das Virus wochenlang kleingeredet hatte, dann aber die Opferzahlen explodierten, musste ja irgendjemand schuld daran sein. Die Chinesen haben es verbockt!, trompetet Herr Trump. Und die Weltgesundheitsorganisation WHO, die den Chinesen gehorche wie der Dackel an der Leine, die auch!

Wir sind wieder einmal Zeugen einer Trump’schen Masche: Der Präsident zündet ein Aufregungsfeuerwerk, um von seinen Verfehlungen abzulenken, also legt er den amerikanischen Beitrag zum Budget der WHO auf Eis. Das trifft die Organisation hart, die USA waren ihr größter Geldgeber. Entsprechend entsetzt reagiert jetzt alles, was Beine... Pardon, was Verstand hat. Bei der gestrigen Videokonferenz der G7-Regierungschefs stellte sich Angela Merkel demonstrativ hinter die WHO und führte damit den langen Reigen derer an, die der Organisation ihre Solidarität bekundeten. Trumps Manöver sei so, wie mitten im Flug "den Piloten aus dem Flugzeug zu werfen", funkte Außenminister Maas aus seinem Tower in Berlin hinterher. Den tollkühnen Amerikaner in seiner fliegenden Kiste ficht das erwartungsgemäß nicht an. "Ein Werkzeug Chinas" sei die WHO, donnert er.

Alles nur Getöse? Nicht ganz. Den Vorwurf selbst – auch wenn er übertrieben daherkommt wie das Meiste aus dem Munde dieses Präsidenten – kann man nicht einfach beiseite wischen. Ohne die Kooperation der Pekinger Bosse lief nichts in der Frühphase der Corona-Bekämpfung, so dass man den Weltgesundheitshütern den einen oder anderen Bückling gen Osten nicht verdenken kann. Doch der Kuschelkurs der WHO hat nicht bloß mit geschickter Krisendiplomatie zu tun. Dass die Top-Leute der Organisation Chinas Diktator Xi behandelt haben wie ein rohes Ei, ist nicht nur der Propagandaabteilung im Weißen Haus sauer aufgestoßen. Ein denkwürdiges Video hat die Untertänigkeit kürzlich dokumentiert. Der chinesische Einfluss in den Organisationen der Vereinten Nationen ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Erst Anfang April kam es zum Eklat, weil wieder einmal der Bock zum Gärtner gemacht und den Unterdrückern aus Peking ein Platz im UN-Menschenrechtsrat zugebilligt wurde. Im Allgemeinen jedoch streckt der chinesische Machtapparat seine Tentakel geräuschloser zur Umarmung aus. Mal gibt es Geschenke für arme, aber stimmberechtigte Mitgliedsstaaten. Oder Drohungen, wo das nicht hilft. Mal wird die Beitragssumme für die Vereinten Nationen erhöht. Geschickt nutzt Peking die Lücke aus, die das mangelnde Engagement der USA hinterlässt: Amerika blockiert? Wir können helfen! Wo Not am Mann ist oder wo der Rest der Weltgemeinschaft wieder einmal das Interesse an irgendeiner UN-Unterorganisation vermissen lässt: Die Chinesen sind da. Und dann sind sie drin.

Doch jetzt bietet der Corona-Krach auch uns eine Chance: Europa erhält überraschend die Chance, das Vakuum, das der amerikanische Rückzieher im Geldbeutel der WHO hinterlassen hat, mit Großzügigkeit zu füllen. Die Gelegenheit, der erdrückenden Umarmung von Herrn Xi und dem Großmachtgehabe von Herrn Trump etwas Konstruktives entgegenzusetzen und dafür zu sorgen, dass mehr Objektivität und Unabhängigkeit in den UN-Institutionen Einzug halten, dürfen wir uns nicht durch die Lappen gehen lassen. Denn wer zahlt, der redet mit. Der kann die internationale Politik entscheidend prägen. Jetzt, wo der Schreihals aus Washington den Saal verlassen hat, sollten wir zügig die Stimme erheben.


WAS STEHT AN?

Norbert Röttgen gilt als führender Außenpolitiker der CDU. Auch er erkennt in der Corona-Krise einen Vorteil: Sie entlarve Politiker, die nur große Reden schwingen, aber keine Probleme lösen. "Die Pandemie führt zur Schrumpfung der Populisten", sagt er im Interview mit unserem Reporter Tim Kummert – warnt zugleich aber: Wenn die Pandemie irgendwann ausgestanden sei, könnten Egoismus und Nationalismus wieder triumphieren: "Die Pandemie ist ein Überlebenstest für die EU." Dieses Gespräch dürfte heute für Aufmerksamkeit sorgen.

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Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will heute mit ihren Länderkollegen entscheiden, wie die Kitas schrittweise wieder geöffnet werden können. Das dürfte viele Eltern interessieren.

Außenminister Heiko Maas (SPD) informiert über die weltweite Corona-Reisewarnung und die Rückholaktion für Urlauber. Noch immer sitzen Hunderte im Ausland fest.

In Stuttgart beginnt der Prozess um einen Mord mit Samurai-Schwert: Ein 30-jähriger Jordanier erstach im vergangenen Juli seinen früheren Mitbewohner auf offener Straße. Das genaue Motiv ist immer noch unbekannt.

Zahlreiche Gedenkstätten erinnern in den kommenden Tagen im Internet an die Befreiung der deutschen Konzentrationslager durch die Rote Armee vor 75 Jahren. Dazu zählen auch Videobotschaften von Überlebenden.


WAS LESEN?

Nicht nur Viren können verheerende Seuchen auslösen, sondern auch Bakterien. "Das ist etwas, wo ich wirklich große Probleme für die Zukunft sehe", sagt der Paläobiologe Pierre Stallforth in unserem Podcast "Tonspur Wissen". "Wir wähnen uns heutzutage sehr oft in einer Sicherheit, die eigentlich nicht da ist." Dass Bakterien keinesfalls harmloser sind als Viren, erklärt er an einem drastischen Beispiel.


Ob Masken oder Kittel: Was Schutz bietet, ist durch die Corona-Krise zum Schatz geworden – und lockt Kriminelle an. Unser Rechercheur Jonas Mueller-Töwe hat einem besonders dreisten Fall nachgespürt, bei dem Betrüger einen Unternehmer um mehr als zwei Millionen Euro prellten.


Man könnte darüber lachen, was manche Menschen glauben – wäre es nicht so alarmierend: Mein Kollege Lars Wienand hat sich in Internetkanälen umgeschaut, wo das Coronavirus als Ablenkungsmanöver gilt, um eine "globale satanistische Elite" aus dem Verkehr zu ziehen und Hunderttausende angeblich gefangene Kinder zu befreien. Wer sind die Leute, die diesen Stuss glauben, und warum sind es so viele?


Unsere Alltagswelt hat sich durch das Virus stark verändert – aber auch die Umwelt, in der wir uns jeden Tag bewegen, sieht plötzlich anders aus. Manche Dinge bekommen eine neue Bedeutung. Das wurde mir schlagartig klar, als ich beim Joggen im Park dieses Ding auf dem Weg liegen sah: Es war eine Atemmaske, die ein Fußgänger offenbar verloren hatte. "Ein Schatz!", fuhr es mir durch den Kopf, als hätte dort ein 50-Euro-Schein gelegen. Als ich einigen Kollegen von dem Erlebnis erzählte, sprudelten sie sofort los: Auch sie hatten in diesen Tagen viele denkwürdige Beobachtungen gemacht, wie so viele Bürger. Also habe ich sie gebeten, mir Bilder zu schicken. Hier ist eine Auswahl, Schnappschüsse in einem Land im Ausnahmezustand:


WAS AMÜSIERT MICH?

Delfine sind total nette Tiere. Wussten Sie bestimmt schon. Ziemlich intelligent sind sie allerdings auch. Und wer intelligent ist, der kommt halt manchmal auf die Idee, nicht so nett zu sein.

Ich wünsche Ihnen einen sicheren Tag. Alle Tagesanbruch-Abonnenten erhalten morgen früh die Wochenendausgabe. Mein Kollege Marc Krüger und ich freuen uns auf ihre Ohren.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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