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Corona-Krise in Deutschland: Der Druck auf die Politik erhöht sich


Was heute wichtig ist
Ein Wundermittel für die Corona-Diskussionen

MeinungVon Luis Reiß

Aktualisiert am 04.05.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Demo gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Stuttgart.Vergrößern des Bildes
Demo gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Stuttgart. (Quelle: 7aktuell/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute vertrete ich an dieser Stelle Florian Harms – und liefere Ihnen den kommentierten Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Ab heute gibt es bundesweit ein weiteres Stück Freiheit zurück – die Maßnahmen in der Corona-Krise werden gelockert. Einige Schüler dürfen wieder zum Unterricht. Wenn Sie einen neuen Haarschnitt genauso nötig haben wie ich, werden Sie sich über die offenen Friseursalons freuen. Und es gibt noch mehr Änderungen. Welche Regeln in welchem Bundesland gelten, lesen Sie hier.


Am Wochenende waren hitzige Reaktionen zu beobachten. Die einen schlugen Alarm – das ist doch alles viel zu riskant! Den anderen gehen diese Lockerungen noch nicht weit genug. Wirtschaftsverbände erhöhten noch einmal den Druck auf die Politik. In mehreren Städten gab es Demonstrationen, an denen auch Verschwörungstheoretiker teilnahmen. Allein in Stuttgart waren Tausende Menschen dabei.

Sie merken: Die Corona-Debatte wird immer unversöhnlicher geführt. Und immer mehr Menschen glauben zu wissen, was in dieser Situation das Richtige ist.

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Die mutigste aller Aussagen ist dabei aber nur selten zu vernehmen. Sie kann helfen, vieles besser einzuordnen. Vier Wörter wie ein Wundermittel.

Sie lauten: "Wir wissen es nicht."

Auf der großen Polit-Bühne ebenso wie am Stammtisch hat dieser Satz viel zu häufig keinen Platz. Dabei sollten wir ihn besonders im Zusammenhang mit dem Coronavirus aussprechen.

Klingt komisch? Dann machen wir uns doch ein paar Wissenslücken deutlich.

  • Wir wissen noch fast nichts über mögliche Langzeitfolgen von Covid-19.
  • Wir wissen noch nicht sicher, wie das Virus in Kindern wirkt – und inwieweit sie es weiterverbreiten.
  • Wir können noch nicht genau benennen, welchen Effekt die einzelnen Schutzmaßnahmen haben – und welche man nun gefahrlos lockern kann.
  • Wir wissen kaum, welche Medikamente wirklich helfen können und wann ein sicherer Impfstoff massenhaft verfügbar sein wird.

Diese Liste ließe sich wahrscheinlich noch lange fortsetzen. Und jede Wissenslücke spielt bei den aktuellen Corona-Debatten eine wichtige Rolle.

Die Aussage "Wir wissen es nicht" sollten wir aber auch zulassen. Derzeit wächst die Kritik an den größten Experten der Gesellschaft – den Wissenschaftlern. Ständig verlangen wir von ihnen klare Empfehlungen, obwohl viele Forschungsprojekte zum Coronavirus längst nicht abgeschlossen sind. Korrigieren die Experten dann ihre Meinung, weil neue Studien zu neuem Wissen führen, verzeihen wir ihnen das nicht. Die Virologen haben doch alle keine Ahnung! Die Stimmung verschiebt sich vom Rationalen ins Emotionale, berichtet Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar im ZDF.

Umso mehr müssen Politik und Wissenschaft immer auch deutlich benennen, was sie nicht wissen. Wenn sie sich auf Grundlage von einzelnen Studien vortasten oder bloß eine Meinung formulieren, muss das klar sein. Irren sie sich, geht sonst viel Vertrauen verloren – und das treibt Tausende in die Arme von Verschwörungstheoretikern.

Gleichzeitig gilt nicht nur in der Krise: Abwägen ist keine Schwäche. Wer seine Meinung auf Grundlage neuer Fakten ändert, der handelt verantwortungsbewusst. Und etwas ganz offen nicht zu wissen, ist deutlich besser, als überzeugend Quatsch zu verbreiten.


Die Bundesliga kämpft weiter um eine Fortsetzung der Saison noch in diesem Monat – da muss der 1. FC Köln vermelden, dass sich zwei Spieler und ein Betreuer mit dem Coronavirus infiziert haben. Trotzdem soll mit den verbliebenen Spielern diese Woche nach weiteren Tests das Mannschaftstraining beginnen.

Mitspieler Birger Verstraete zeigte sich im belgischen Fernsehen ratlos: "Wir werden nicht unter Quarantäne gestellt das ist schon ziemlich bizarr." Verstraetes Freundin gehört zur Risikogruppe, er selbst hatte Kontakt zu den Infizierten, deren Namen nicht bekannt sind. Es ist das erste Mal, dass ein Spieler offen Kritik am Kurs der Bundesliga übt – auch wenn dieser konform mit den aktuell geltenden Gesundheitsrichtlinien ist. Da die Spieler untereinander offiziell keinen engen Kontakt über mindestens 15 Minuten haben, sind sie nicht quarantänepflichtig. Doch ein Restrisiko bleibt.

Der Fall zeigt deutlicher denn je, auf welch schmalem Grat die Bundesliga mit ihrem Plan wandelt. Es gilt der Deal: Gesundheitsrisiko gegen Millionen Euro. Offenen Widerstand von den Profis gibt es bislang nicht.

Auch Verstraete musste einknicken. Er korrigierte sich gestern in einer Vereinsmitteilung kurz nach seinem Interview, er habe sich "falsch ausgedrückt". Am Training wird er weiterhin teilnehmen. Die Prioritäten des Systems Bundesliga sind damit geklärt. Und schon jetzt ist klar: Sollte es während des Spielbetriebs trotz aller Schutzmaßnahmen zu Infektionen kommen, wäre das Image der Liga ruiniert.


WAS STEHT AN?

Die EU startet eine internationale Allianz zur Finanzierung von Impfstoffen und Arzneien gegen das Coronavirus. 7,5 Milliarden Euro sollen heute ab 15 Uhr auf einer Online-Geberkonferenz von Staaten und Stiftungen aus aller Welt eingeworben werden. Kanzlerin Merkel hatte bereits am Wochenende einen “deutlichen finanziellen Beitrag” aus Deutschland zugesagt.

Das internationale Wettrennen um Impfstoffe und Medikamente ist längst eröffnet. Die größten Produzenten – Indien, China und die USA – haben bereits angedeutet, zuerst ihre eigenen Bürger versorgen zu wollen. Schon jetzt ist klar: Bei der Verteilung der möglicherweise lebensrettenden Mittel wird es extreme Ungleichgewichte geben. Ziel der neuen Allianz ist es, Impfstoff und Medikamente für alle Menschen auf der Welt möglichst schnell verfügbar zu machen.

Zur Frage, wann wir mit einem Impfstoff rechnen können, hat die "New York Times" eine anschauliche Animation. Kurz: Die derzeit angepeilten Zeitrahmen sind mehr als ambitioniert.


Nicht nur in Deutschland, auch in vielen anderen europäischen Ländern werden heute die Corona-Maßnahmen gelockert: In Italien ist beispielsweise Sport und Spazierengehen wieder erlaubt, Industrie und Bauwirtschaft nehmen die Arbeit auf. In Österreich beginnt für die Schüler der Abschlussklassen wieder der Unterricht. Griechenland und Ungarn lockern ebenfalls, führen aber zugleich eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen und öffentlichen Verkehrsmitteln ein.


In Hamburg kommt heute die Witwe des Gangsterrappers und späteren IS-Mitglieds Denis Cuspert ("Deso Dogg") vor Gericht. Die Vorwürfe gegen die 35 Jahre alte Deutsch-Tunesierin Omaima A.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Menschenhandel und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie soll Anfang 2015 mit drei kleinen Kindern ihrem Mann nach Syrien gefolgt sein, sich dem Islamischen Staat angeschlossen und eine 13-Jährige als Sklavin in ihrem Haushalt gehalten haben.

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WAS LESEN, ANSCHAUEN ODER HÖREN?

Noch ist unklar, wie lange die Immunität nach einer überstanden Coronavirus-Infektion hält. Doch sollte das geklärt sein, erwägt die Bundesregierung die Einführung eines sogenannten Immunitätspasses. Ein Arzt, der nachweislich schon infiziert war, könnte somit ohne großes Risiko zur Behandlung von Corona-Patienten eingesetzt werden. "Das könnte Leben retten", sagt meine Kollegin Melanie Muschong. Mich überzeugt in unserem Pro&Kontra-Format "Die Frage der Woche" aber eher mein Kollege Patrick Diekmann: "Das ist eine gefährliche Irrsinnsidee". Hier lesen Sie beide Standpunkte.

Die Corona-Krise hat unser aller Leben schlagartig verändert. Aber wie genau? Und was bedeutet das für die Zukunft? Das ist der neue Schwerpunkt unseres Podcasts "Tonspur Wissen". In jeder Folge gibt ein Wissenschaftler Einblick in den Fachbereich und zeigt auf, was durch Corona künftig anders werden könnte. Zum Auftakt geht es heute um die Frage, wie das Virus das Familienleben verändert hat. Bildungsökonomin Katharina Spieß erklärt, welche Folgen die Kita-Schließungen auch in vielen Jahren noch haben werden und wer außer den Kindern besonders unter den Folgen leidet.

Mediziner verschwanden, Informationen wurden zensiert: China hat wichtige Details des Covid-Ausbruchs verheimlicht. Nun ist ein Geheimdienstpapier der sogenannten "Five Eyes" öffentlich geworden – eine Allianz von USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland. Sie erheben schwere Vorwürfe.

Wenn Sie am Wochenende in den Himmel geschaut haben, ist Ihnen außer grauen Wolken vermutlich nicht viel aufgefallen – jedenfalls kein Flugzeug. In der Corona-Krise ist der Verkehr fast komplett eingebrochen. Neben den Airlines und Flugzeugbauern bekommen das auch die Flughäfen zu spüren. Nun fordern sie Geld vom Staat. Wie genau das funktionieren soll, berichtet mein Kollege Mauritius Kloft.

Mehr als 10.000 positive Corona-Tests in 24 Stunden – das Virus breitet sich trotz geltender Ausgangssperre immer schneller aus. Russland könnte zu einem neuen Hotspot der Pandemie werden, wie diese Animation meiner Kollegen Sandra Sperling und Nicolas Lindken zeigt.

WAS BEEINDRUCKT MICH?

501 Kilogramm – das entspricht etwa 66.800 Ein-Euro-Münzen oder fast sieben Mal dem Gewicht des heutigen Tagesanbruch-Autors. Der Isländer Hafthor Björnsson, bekannt aus der Serie "Game of Thrones", kann das enorme Gewicht stemmen. Aber sehen Sie selbst.

Morgen schreibt an dieser Stelle wieder Florian Harms für Sie. Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in die Woche.

Ihr

Luis Reiß
Chef vom Dienst t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @reiss_luis

Mit Material von dpa.

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