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HomePolitikTagesanbruch

Coronavirus in Deutschland: Was taugt der neue Corona-Test wirklich?


Was heute wichtig ist
Was uns die Geschichte lehrt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.05.2020Lesedauer: 8 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Das Konzentrationslager Auschwitz I (links) war durch elektrischen Draht gesichert. Die Gebäude rechts dienten den Wachleuten als Unterkünfte. Aufnahme vom Januar 2020.Vergrößern des Bildes
Das Konzentrationslager Auschwitz I (links) war durch elektrischen Draht gesichert. Die Gebäude rechts dienten den Wachleuten als Unterkünfte. Aufnahme vom Januar 2020. (Quelle: F. Harms)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Beim Blick auf das Wetter war der 5. Mai 1945 ein normaler Frühlingstag: Regenschauer in Norddeutschland, Sonnenstrahlen im Süden. Beim Blick auf alles andere war nichts mehr normal: Deutschland war am Ende, Europa war am Ende. Ein ganzer Kontinent verwüstet von Bomben und Granaten, von Mord und Gemeinheit, von Hass und Rassenwahn. In vielen Kellern hocken an diesem 5. Mai 1945 verängstigte Frauen, Alte und Kinder, über ausgebombten Städten liegt eine eigentümliche Ruhe. In seinem Bunker unter der Reichskanzlei hat sich fünf Tage zuvor der Diktator in den Kopf geschossen, dem Millionen Deutsche jahrelang zugejubelt haben. Die Rote Armee hat das zerstörte Berlin erobert. In Potsdam stauben noch die Trümmer des britischen Luftangriffs drei Wochen zuvor, einem der letzten dieses Krieges. In Prag erhebt sich der tschechische Widerstand gegen die deutschen Besatzer und entwindet ihnen die Macht. In der Nähe von Linz in Österreich befreien Soldaten der 3. US-Armee das Konzentrationslager Mauthausen. Sie treffen auf ausgemergelte Gefangene, die vom "Volkssturm" und Männern der Wiener Feuerwehr bewacht werden. Die SS-Schergen haben sich schon aus dem Staub gemacht, nicht ohne vorher die Gaskammer zu demontieren. In einer kurzen Schlacht um das Schloss Itter in Tirol kämpfen Wehrmachtssoldaten und amerikanische GIs gemeinsam gegen SS-Einheiten. In der Nähe von München kapituliert die deutsche Heeresgruppe G vor der der 7. US-Armee. In der Flensburger Förde gehorchen deutsche Marinesoldaten Hitlers "Nero-Befehl" und versenken binnen weniger Stunden rund 50 U-Boote, damit diese nicht den Feinden in die Hände fallen. Zeitgleich tritt die von Hitlers Nachfolger Karl Dönitz unterzeichnete Teilkapitulation aller deutschen Verbände in Norddeutschland, Dänemark und den Niederlanden in Kraft. Trotzdem beginnt auf der Nordseeinsel Texel ein ebenso brutaler wie sinnloser Kampf zwischen Wehrmachtssoldaten und Partisanen. Unterschiedliche Ereignisse, die alle zusammenhängen, alle geschehen am 5. Mai 1945: einem Frühlingstag in Mitteleuropa, heute vor 75 Jahren.

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Es dürfte den meisten Menschen heute schwerfallen, sich vorzustellen, wie dieser Tag und all die anderen Tage, Wochen, Monate und Jahre zuvor sich angefühlt haben, egal wo und auf welcher Seite der Front. Es leben nicht mehr viele Zeitzeugen, die uns von damals berichten können. Die Stimmen der wenigen, die uns noch erzählen können, sind umso wertvoller. Eindrücklicher als Bücher, Filme, Fotos es jemals vermögen, eröffnen ihre Stimmen uns Einblicke in eine Welt, die uns Nachgeborenen weit entfernt vorkommen mag, die in historischen Spannen betrachtet aber nur einen Wimpernschlag zurückliegt. Geschichte wiederholt sich nicht, aber Lüge, Hass und Verbrechen können sich sehr wohl wiederholen. Um das zu verhindern und die Lehren aus der Vergangenheit für unsere heutige Welt zu ziehen, muss man wissen, was damals geschah. Deshalb ist das Erinnern keine Option, sondern eine Pflicht.

Deshalb sollten wir heute Anita Lasker-Wallfisch zuhören. 94 Jahre ist sie alt, aber wenn man sie in ihrer Wohnung in London anruft, weil das Corona-Risiko einen Besuch nicht zulässt, dann tönt am anderen Ende der Leitung eine kraftvolle Stimme. Mit wachem Verstand und klarer Sicht auf die Dinge berichtet die in Breslau geborene Cellistin, was sie in der Nazizeit erlebte. Wie sie zunächst untertauchte, aber dann verhaftet und ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Wie sie im "Mädchenorchester" neben dem Tor mit der Schrift "Arbeit macht frei" Märsche spielen und für den SS-Arzt Josef Mengele Schumanns "Träumerei" intonieren musste. Wie sie von Auschwitz ins KZ Bergen-Belsen in der Lüneburger Heide geschickt wurde und dort eine weitere Facette des Grauens erlebte. "Es gab einen großen Unterschied: In Auschwitz gab es eine Maschinerie, um so viele Menschen wie möglich schnell und möglichst spurlos zu ermorden. In Bergen-Belsen sind die Leute verhungert, einfach krepiert. Überall Leichen und Sterbende", erzählt sie. "Wir haben einfach dagesessen und darauf gewartet, dass es zu Ende geht." Was sie damals gefühlt habe, wollten mein Kollege Marc von Lüpke und ich von ihr wissen. "Ihre Generation kann sich nicht mehr vorstellen, wie sich das damals anfühlte. Seien Sie froh!", antwortet sie uns. "Das Leben konnte von einem Tag auf den anderen zu Ende sein. Und so lebte man auch nur von einem Tag zum anderen. Ich habe nichts mehr gefühlt. Aber ich habe den ganzen Dreck überlebt!"

Sie hat überlebt, glücklicherweise. Und kann uns manchen Denkanstoß geben. So haben wir genau zugehört, als Frau Lasker-Wallfisch über ihre Sorge sprach, dass heute wieder eine rechte Partei im Bundestag sitzt. Und als sie uns die Frage beantwortete, welche Lehre wir 75 Jahre nach dem Kriegsende aus der Geschichte ziehen können: "Die Menschen sollten miteinander sprechen, bevor sie sich gegenseitig totschlagen. Dann würden wir merken, dass wir mehr gemeinsam haben, als uns trennt." Unser Interview mit Anita Lasker-Wallfisch lesen Sie hier.

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Die Größe des Megafons sollte zum Anlass passen. "Meilenstein für die Wissenschaft", "internationaler Schritt im Kampf gegen Corona", "sehr, sehr gute Nachricht": So umrissen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Corona-Bekämpfungsminist ... Pardon: der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gestern einen neuen Antikörpertest, den der Pharmariese Roche entwickelt hat und nun in großen Stückzahlen auf den Markt bringt. Spahn und Söder hatten sich aus diesem Anlass im Firmenlabor bei München ein Stelldichein gegeben. Große Sache also? Nun ja, eher mittelgroß. Der neue Test ist eine erfreuliche Nachricht. Eine Sensation ist er nicht.

Tests auf Antikörper gegen das Coronavirus sind ein mittelalter Hut. Der neue soll nach Herstellerangaben noch etwas genauer sein (der Test, nicht der Hut). Die Untersuchung schafft Klarheit darüber, ob die getesteten Personen mit dem Virus infiziert gewesen sind. Einige Wochen müssen seit der Ansteckung aber schon verflossen sein. Epidemiologen können sich auf diesem Weg einen Überblick über vergangene Ausbrüche verschaffen und ermitteln, welcher (derzeit geringe) Teil der Bevölkerung gegen das Virus bereits eine Immunität entwickelt hat. Das dient der Beobachtung der Epidemie, aber auch der Verfeinerung der Vorhersagemodelle – alles von existenzieller Bedeutung in der Corona-Krise, schon richtig. Außerdem könnte man die Tests einsetzen, um für einzelne Personengruppen (zum Beispiel in Krankenhäusern und in Pflegeheimen) individuell die Immunität feststellen zu lassen. Denn wer immun ist, dem kann Covid-19 fürderhin den Buckel runterrutschen. Aber vor allem stecken mit diesem Schutzschild ausgestattete Ärzte oder Pfleger gefährdete Patienten und betagte Schützlinge nicht mehr an. Für die könnte eine Erkrankung sonst schnell tödlich enden. Das ist gut! Leider gibt es da noch ein paar Fußnoten.

Die erste: Kein Test ist unfehlbar. Auf eine Sorte Fehler kommt es dabei besonders an. Wie oft schaut jemand auf seinen Laborbescheid, freut sich über seine Antikörper und fühlt sich nun unverwundbar – aber es stimmt gar nicht? Dieser Irrtum verwandelt den vermeintlichen Superhelden in eine Bedrohung der Extraklasse: Man fühlt sich zu sicher, steckt sich deshalb umso leichter an, trägt das Virus unter seine verwundbaren Schützlinge, mit möglicherweise verheerenden Folgen. Falsche Sicherheit ist gefährlicher als keine Sicherheit. Die gute Nachricht lautet: Der neue Test macht das besser als seine Vorgänger. Nur noch zwei unter tausend Getesteten werden auf die falsche Fährte geführt. Klingt wenig. Würde man Ärzte und das pflegende Personal in deutschen Krankenhäusern komplett durchtesten, müsste man allerdings mit nahezu tausend Fehldiagnosen rechnen. Ganz schön viele in dieser risikoreichen Umgebung.

Die zweite: Es ist nur der zweitwichtigste Test. Denn auch ein perfektes Ergebnis würde nichts daran ändern, dass Infektionen erst lange im Nachhinein entdeckt werden – nicht dann, wenn es darauf ankommt. Um Ausbrüche in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu verhindern, muss man potenzielle Überträger sofort aufspüren, bevor sie ansteckend werden. Dazu sind sogenannte PCR-Tests nötig, die das Virus selbst nachweisen, nicht die Antikörper dagegen. PCR-Tests schlagen frühzeitig an, allerdings muss auch fortlaufend getestet werden: Tag für Tag. Angesichts dieses Aufwandes können Antikörpertests immerhin eine sinnvolle Ergänzung sein. Das freut uns. Übrigens auch ganz ohne Megafon.


WAS STEHT AN?

Auf der Hauptversammlung der Lufthansa wird man den Hilferuf heute wohl ebenso laut hören wie beim Gipfel der deutschen Autohersteller mit der Kanzlerin. Zwei Branchen, die zwei Dinge verbindet: Erstens verlangen beide nun besonders forsch Geld vom Staat, weil sie beide besonders schwer von der Corona-Krise betroffen sind. Bis zu zehn Milliarden Euro soll Lufthansa-Boss Carsten Spohr angeblich fordern, während VW-Regent Herbert Diess, Daimler-Fürst Ola Källenius und BMW-Maestro Oliver Zipse das Hohelied der staatlichen Kaufprämie singen, um ihre Ladenhüter loszuwerden (und ihren Aktionären nebenbei trotzdem Dividenden ausschütten wollen). Dabei wissen alle vier Herren, dass ihre wahren Probleme viel älter sind als das Virus, denn das ist die zweite Gemeinsamkeit: Die deutschen Autohersteller haben es jahrelang verschlafen, umweltfreundliche Alternativen zum Verbrennungsmotor zu entwickeln. Die Lufthansa gab sich dem Glauben hin, sie könne trotz der Klimakrise ihr Kerosingeschäft fröhlich weiter expandieren. Der Virus-Lockdown trifft beide Branchen auch deshalb so hart, weil er das Umdenken vieler Bürger beschleunigt: Wir können es uns weder als Gesellschaft noch als Einzelpersonen erlauben, einfach weiter zu wirtschaften wie bisher.

Die Veränderung unserer Umwelt ist keine zu verdrängende Dystopie mehr, sondern eine täglich spürbare Realität. Steigt die globale Durchschnittstemperatur weiter, steigen die Kosten ins Unermessliche, das haben wir inzwischen schwarz auf weiß. Die Schäden durch Dürren, Stürme, Überschwemmungen und Klimaflüchtlinge könnten jene 1.170 Milliarden Euro, die der deutsche Staat nun schon an Corona-Hilfen versprochen hat, künftig wie ein Taschengeld erscheinen lassen. Die Viruskrise erleiden wir einmal – die Klimakrise dagegen werden wir als Dauerzustand erleben, wenn wir jetzt nicht umsteuern. Kein Staat der Welt wird die Schadensummen aufbringen können, die ein zerstörter Naturkreislauf anrichtet. Auch Deutschland kann das nicht.

Wer das versteht, kann in der Corona-Krise eine Chance sehen. Statt anstandslos alte Produkte mit Steuergeld zu retten, sollte die Bundesregierung bedürftigen Firmen eine Bedingung setzen: Für jeden Euro, den sie jetzt per Käuferprämie aus dem Staatssäckel erhalten, müssen sie drei Euro in nachhaltige Entwicklung investieren, sobald sie sich wieder berappelt haben. Nicht nur die Natur und unsere Kinder würden es ihnen danken – sondern auch ihre künftigen Aktionäre.


Waren die milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Eurokrise rechtens oder nicht? Heute verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil. Im äußersten Fall könnte es der Bundesbank verbieten, die EZB bei Käufen zu unterstützen. Es würde den Euroraum erschüttern.


WAS LESEN?

Nicht nur unser Land, auch das Wirtschaftsleben verändert sich durch die Corona-Krise: Unternehmer und Firmenchefs, die nur an ihre Profite und den Aktienkurs denken, manövrieren sich ins Abseits – und schaden am Ende sich selbst, erläutert Karl-Heinz Büschemann in der "Süddeutschen Zeitung".


Gestern hat der Virologe Hendrik Streeck weitere Ergebnisse seiner Heinsberg-Studie vorgestellt – aber was sagen sie wirklich aus? Nur wenig über die Gefährlichkeit des Coronavirus für die Gesamtbevölkerung. Allerdings liefern sie weitere Hinweise darauf, dass sich in einem Haushalt keineswegs alle Menschen zwangsläufig anstecken. Mehr dazu in der "Neuen Zürcher Zeitung".


WAS AMÜSIERT MICH?

Auch in Corona-Zeiten sollte man ja fit bleiben. Fit wie ein Turnschuh. Oder ein Springseil. Oder ein Helge.

Ich wünsche Ihnen einen sportlichen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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