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Tesla-Chef Elon Musk: Warum er der Schrecken deutscher Bosse ist


Was heute wichtig ist
Der Schrecken deutscher Bosse

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 23.07.2020Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Elon Musk revolutioniert die Autobranche und schießt nebenher Raketen ins All.Vergrößern des Bildes
Elon Musk revolutioniert die Autobranche und schießt nebenher Raketen ins All. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Es gab eine Zeit, da prägten deutsche Pioniere die Technikgeschichte. Werner von Siemens mit seinem Dynamo. Carl Benz und Gottlieb Daimler mit ihrem Auto. Rudolf Diesel mit dem gleichnamigen Motor. Robert Bosch mit der Zündkerze. Konrad Zuse mit dem Computer. Deutsche Erfinder revolutionierten die Welt und unser Land – wir alle zehren in Teilen von dieser historischen Leistung: Der Export deutscher Technikprodukte bildet bis heute die Basis unseres Wohlstands. Auch deshalb kommen wir vergleichsweise gut durch den Corona-Wirbel, sind Arbeitslosigkeit und Armut trotz all der Krisen der vergangenen Jahre – Banken, Euro, Flüchtlinge – hierzulande relativ gering, kann die Bundeskanzlerin anderen EU-Regierungschefs Milliardenschecks rüberschieben.

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Aber der deutsche Erfindergeist ist längst verblasst. Wir zehren die Früchte der Schaffenskraft unserer Vorfahren auf, ohne genügend neue Samen zu pflanzen, um die deutsche Erfolgsgeschichte in den kommenden Jahrzehnten fortzusetzen. Wirecard, neben SAP der vermeintlich einzige globale Software-Konzern aus Deutschland, entpuppt sich als Kartenhaus einer Verbrecherbande. Schon seit fünf Jahren sollen Ex-Vorstandsboss Markus Braun und seine Komplizen Bilanzen geschönt, Umsätze aufgeblasen, Investoren und Kleinanleger nach Strich und Faden betrogen haben, verkündete die Staatsanwaltschaft gestern. Zwei, drei oder noch mehr Milliarden Schaden: Das Wirecard-Desaster könnte zum größten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte ausarten. Die Finanzaufseher von der BaFin und die Revisoren von EY, die sich selbst als "Deutschlands beste Wirtschaftsprüfer" rühmen, entpuppen sich als Nieten in Nadelstreifen. Auch immer mehr Politiker geraten in den Strudel des Skandals. Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies. Ex-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, früher für die Geheimdienste zuständig. Ex-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, früher für Märchen zuständig. Sogar die Kanzlerin, die sich in China an höchster Stelle für die Wirecard-Leute einsetzte – obwohl es damals schon zahlreiche Hinweise auf Unstimmigkeiten gab. Deutschlands Wirtschaft sorgt nicht mit genialen Erfindungen für Schlagzeilen, sondern mit Betrug und Unfähigkeit.

Heute kommen die erfolgreichsten Pioniere nicht mehr aus München oder Stuttgart, sondern von der US-amerikanischen Westküste und aus China. Sie revolutionieren die Welt mit Digitalprodukten. Bill Gates und Steve Jobs selig mit Computern, Betriebssystemen und Smartphones. Larry Page und Sergey Brin sowie Robin Li und Eric Xu mit Suchmaschinen. Mark Zuckerberg und Ma Huateng mit sozialen Netzwerken. Jeff Bezos und Jack Ma mit dem Internet-Handel. Und Elon Musk mit E-Autos. Der 49-jährige Maschinenbauingenieur, gebürtige Südafrikaner und Wahlkalifornier hat es geschafft, binnen weniger Jahre die Autobranche auf den Kopf zu stellen, und schießt nebenher auch noch Raketen ins All. Gestern Abend lieferte er den nächsten Knaller: Tesla schaffte den vierten Quartalsgewinn in Folge und übertraf die Erwartungen der Analysten. Die Aktie springt auf über 1.700 US-Dollar.

Musks Erfolgsgeheimnis fußt auf vier Säulen: forschen Visionen, konsequenter Digitalisierung, brillanter Vermarktung – und rücksichtsloser Frechheit. "Wie kein zweiter Unternehmer steht Musk für die große Idee von der Zukunft, für den offensichtlich richtigen Riecher, wenn es ums Geschäft geht. Für Produkte und Projekte, die ihrer Zeit und der Konkurrenz um Längen voraus sind", schreibt unser Wirtschaftschef Florian Schmidt in seinem Porträt. "Gleichzeitig gibt es nicht wenige Kritiker, die ihn für einen Scharlatan halten, der große Versprechen macht, die kaum zu halten sind."

Kein Zweifel: Musk ist ein verschrobener Nerd, bekennender Kiffer, gibt seinem neugeborenen Kind den absurden Namen "X Æ A-12" – und scheint trotzdem mehr Rationalität, Hartnäckigkeit und Durchsetzungskraft zu besitzen als die gesamte deutsche Dax-Managerriege. Technologisch hat er alle deutschen Autohersteller überholt, vor allem die knifflige Software-Elektronik seiner Flitzer lässt hiesige Ingenieure erblassen. Nun greift er die deutschen Kutschenbauer frontal an, indem er in Rekordzeit eine riesige Tesla-Fabrik in den brandenburgischen Wald klotzt. Eine halbe Million Elektroautos sollen in Grünheide dereinst vom Band laufen – mehr als alle deutschen Hersteller zusammen bauen (so sieht es derzeit auf der Baustelle aus).

Die deutschen Autofürsten beantworten die Kampfansage aus Kalifornien mit einer Mischung aus Nervosität, Hektik und Aktionismus. Weil sie die E-Mobilität, die digitale Entwicklung und den Nachhaltigkeitstrend jahrelang verschlafen haben, müssen sie ihre Strukturen, Prozesse und Modellpaletten nun in schmerzhaften Hauruckaktionen umbauen. Das ist teuer, tut weh, kostet Blut, Schweiß und Tränen – und überfordert manchen Boss. VW-Chef Herbert Diess, der den größten deutschen Automobilkonzern binnen weniger Jahre auf E-Technologie umstellen will, beißt sich an den kafkaesken Mitbestimmungsstrukturen in Wolfsburg die Zähne aus und ist nach der verkorksten Entwicklung des neuen Elektro-Golf zum Frühstücksdirektor degradiert worden.

Bei Daimler geht es Ola Källenius kaum besser: Er ächzt unter den Versäumnissen seines Vorgängers Dieter Zetsche und muss nun sparen, dass die Balken quietschen. Bis zu 30.000 Arbeitsplätze sollen wegfallen, berichtet das "Manager Magazin". Heute muss der Vorstandschef die miesen Zahlen des zweiten Quartals vorlegen, anschließend beugt sich der Aufsichtsrat über das Sparprogramm. Aber Sparen ersetzt nicht den Erfindergeist. Der ist Daimler längst ausgegangen, in den Stuttgarter Fluren und Fabriken hat sich Behäbigkeit breitgemacht. Man schafft halt so, wie man schon immer geschafft hat. Und gondelt gemächlich in der Vergangenheit herum. Der Aktienkurs ist ein Trauerspiel – während Tesla an der Börse schon mehr wert ist als VW, Daimler und BMW zusammen.

In der Software-Entwicklung haben die Amis inzwischen einen meilenweiten Vorsprung auf die deutschen Dinosaurier. "Tesla spielt bei der Intelligenz von Autos, also beim Software-Betriebssystem und der dazugehörigen Hardware, in einer anderen Liga", sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Selbst wenn sie derzeit noch viel größere Gewinne als Tesla erwirtschaften: Um auch in Zukunft konkurrenzfähige Wagen zu bauen, Hunderttausende Arbeitsplätze und einen beträchtlichen Teil unseres Wohlstands zu sichern, müssen sich die deutschen Autobauer gewaltig anstrengen. Daimler ist sogar so weit abgeschlagen, dass dies womöglich nur in einer Fusion mit einem anderen Hersteller gelingen wird – was in Stuttgart böse Erinnerungen an Jürgen Schrempps Chrysler-Debakel weckt. "Pausen zum Durchatmen wird es für die deutschen Hersteller allzu bald nicht geben", urteilt mein Kollege Markus Abrahamczyk. Wie war das? Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

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Video | Tesla ist wertvollste Marke
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Quelle: t-online

WAS STEHT AN?

Zwar haben die europäischen Staats- und Regierungschefs sich auf einen milliardenschweren Hilfsplan zur Bewältigung des Corona-Schlamassels geeinigt – aber durch ist das Paket damit noch lange nicht. Erst muss das EU-Parlament zustimmen, und da sieht es gar nicht gut aus. Aus allen Fraktionen ertönt vehementer Protest, bei der heutigen Sondersitzung könnte er zum Sturm anschwellen. Die Abgeordneten wollen nicht hinnehmen, dass die Mittel für Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und weitere Zukunftsthemen zusammengestrichen wurden, während die umstrittenen Agrarsubventionen einfach weiterlaufen sollen. Gut so.


In Hamburg wird das Urteil im Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann erwartet. Der 93-Jährige ist wegen Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen angeklagt. Er war laut Staatsanwaltschaft als junger Mann von August 1944 bis April 1945 im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig im Einsatz. "Es sind zu viele NS-Verbrecher davongekommen", hat Jens Rommel, Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, vor einiger Zeit in unserem Interview gesagt.


In Freiburg im Breisgau fällt das Urteil im Prozess gegen elf Angeklagte wegen einer Gruppenvergewaltigung. Eine 18-Jährige war nachts in einem Gebüsch vor einer Disko von mehreren Männern missbraucht worden. Der Fall sorgte auch deshalb für Schlagzeilen, weil unter den Tätern Flüchtlinge waren. Schnell kam es zu Vorverurteilungen. Doch vor Gericht kamen Zweifel auf.


Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stellt heute den neuen Freiwilligen Heimatschutzdienst vor. Unter dem Motto "Dein Jahr für Deutschland" sollen junge Leute sechs Monate lang eine militärische Ausbildung bekommen und in den folgenden sechs Jahren an Reserveübungen teilnehmen. Kann man ja alles machen, aber warum führt Deutschland nicht einen verpflichtenden Sozialdienst für alle jungen Menschen ein? Würde bestimmt vielen guttun.


Darf nur Ritter Sport quadratisch sein? Der Schokoladenschmied hat sich die charakteristische Verpackung als Marke schützen lassen, was dem Konkurrenten Milka gar nicht schmeckt. Heute muss der Bundesgerichtshof entscheiden. Wohl bekomms.


Das Statistische Bundesamt klärt uns heute darüber auf, wie viele Flüchtlinge im Jahr 2019 aus humanitären Gründen in Deutschland Schutz gesucht haben. Zeitgleich verkünden die EU-Innenminister in Wien ihren Plan zur Bekämpfung illegaler Migration auf den östlichen Mittelmeerrouten.


Alle 5.000 bis 7.000 Jahre beehrt uns der Komet Neowise mit einem Besuch. Wenn Sie sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollen: Heute stehen die Chancen gut, einen Blick auf den Himmelskörper zu erhaschen, bevor er für die nächsten paar Tausend Jahre wieder im Orbit verschwindet. Hier erfahren Sie, wo Sie ihn sehen.


Es gibt Journalisten. Und es gibt journalistische Ikonen. Mathias Müller von Blumencron ist so eine Ikone. Zumindest für mich. Erst schuf er aus "Spiegel Online" ein digitales Leitmedium, dann rettete er die Onlineausgabe der "FAZ", heute wirbelt er beim Berliner "Tagesspiegel". Viele Redakteure, die sich unter seiner Leitung entfalten durften, schwärmen heute noch davon: Seine Spürnase für Themen, seine mitreißende Begeisterungsfähigkeit, die wohl dosierte Mischung aus Fordern und Fördern machen ihn zu einem grandiosen Chefredakteur. Und falls man zufällig irgendwann selbst Chefredakteur geworden ist, dann hat man immerzu ein grandioses Vorbild. Sehr praktisch. Heute wird Müller von Blumencron 60 Jahre alt. Wobei "alt" für seinesgleichen keine angemessene Kategorie ist. So einer ist eigentlich immer jung, egal, welche Zahl im Pass steht. Dennoch: Ehre, wem Ehre gebührt. Herzlichen Glückwunsch, Mathias, und immer eine steife Brise im Segel!


WAS LESEN?

Viele Corona-Patienten sind nach der akuten Erkrankung nicht beschwerdefrei: Sie klagen über lang anhaltende Symptome wie etwa Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Doch auch ernste Folgeerkrankungen wie Schlaganfälle und Hirnschäden können nach einer Covid-19-Infektion auftreten. Forscher der Berliner Charité haben dafür eine mögliche Erklärung gefunden, wie meine Kollegin Melanie Weiner berichtet.


Donald Trump ist immer für eine Überraschung gut. Der US-Präsident will die Bürger nun doch wieder regelmäßig auf Pressekonferenzen über das Coronavirus informieren – und hat gestern gleich damit losgelegt: Er sprach so ernsthaft über die Krise wie lange nicht mehr und empfahl den Bürgern plötzlich eindringlich, Masken zu tragen. Nimmt er die Pandemie nun doch ernst? Unser Reporter Johannes Bebermeier ist der Frage nachgegangen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Richtig gute Ideen hat der Donald.

Ich wünsche Ihnen einen richtig guten Tag. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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