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Corona-Krise? "China hat sich erholt – und kommt mit Macht zurück!"


Was heute wichtig ist
Von Corona geheilt: China kommt mit Macht zurück

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.09.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Chinas Machtelite lässt in der Großen Halle des Volkes Orden an Helden der Pandemiebekämpfung verteilen.Vergrößern des Bildes
Chinas Machtelite lässt in der Großen Halle des Volkes Orden an Helden der Pandemiebekämpfung verteilen. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Es ist schon lange her, dass etwas so Kleines ein derartiges Wettrennen ausgelöst hat. Etwas so Kleines wie das Coronavirus. Wo ist der Erreger am schnellsten unter Kontrolle gebracht? Wer bekommt als Erster die wirtschaftlichen Schäden gekittet? Welchem Land gelingt es, die globale Krise zu seinem Vorteil zu nutzen und sich in eine stärkere Position zu manövrieren als zuvor? Wie die Hasen rasen die Nationen zur nächsten Ziellinie, und immer ist der chinesische Igel schon da. Japsend stehen Europäer und Amerikaner vor dem Siegerpodest und erinnern sich an das schwere Schicksal des Reichs der Mitte, wo ganze Provinzen dichtmachten und Abermillionen Menschen in ihre Wohnungen eingesperrt wurden. Aber oben auf dem Podest lümmelt sich längst Xi Jinping und lächelt kalt auf die Verlierer hinab.

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Man muss den Zahlen keinen Glauben schenken, mit denen Pekings Statistiker den Sieg über Covid-19 zelebrieren. Es genügt ihnen nicht, dass China die Lage ganz ordentlich im Griff hat. Das Virus, so wollen sie uns weismachen, habe sich ganz aus dem Staub gemacht. Wie nach einer gewonnenen Schlacht werden in der Großen Halle des Volkes die Helden der Pandemie-Bekämpfung geehrt. Vollkommen ist der Sieg von Führung und Partei, heroisch der Einsatz von Volk und Fachkräften unter dem roten Banner. Falls Ihnen diese Formulierung jetzt schwülstig erscheint, dann haben Sie bloß die Ausstellung noch nicht gesehen, in der das Pekinger Nationalmuseum die chinesischen Heldentaten feiert. "Wir haben beim globalen Kampf gegen das Virus Weisheit und Kraft gespendet", preist Herr Xi die Sieger über den Erreger – und meint damit vor allem sich selbst.

Der machtversessene Präsident strotzt vor Selbstbewusstsein, denn nicht alles an dieser Erfolgsgeschichte entstammt dem rosa Reich der Propaganda. Nüchterne Zahlen aus der Welt des Geschäfts legen nahe, dass China sich tatsächlich sehr gut geschlagen hat. Um fast zehn Prozent haben die Exporte im Vergleich zum Stand vor einem Jahr zugelegt – als wäre die Pandemie nie ausgebrochen. Das Wachstum im Inland hat zwar einen ordentlichen Dämpfer bekommen, sich davon aber auch schon weitgehend erholt. Es ist derselbe Effekt, den wir nun in Deutschland bemerken – auch deshalb, weil China bei hiesigen Unternehmen schon wieder genauso kräftig einkauft wie vor einem Jahr. Das Geschäft mit unseren europäischen Nachbarn hingegen oder gar mit den taumelnden USA: ein Trauerspiel.

Wir könnten es deshalb als Sonnenstrahl in einem düsteren Panorama bejubeln, dass Duisburg jetzt noch mehr Güterzüge aus den Industriehochburgen Chinas willkommen heißt. So wie auch die Hafenbetreiber im griechischen Piräus sich freuten, als ihnen damals in der Finanzkrise chinesische Investoren zu Hilfe eilten und den Laden übernahmen. Überall in Europa entstehen lukrative Kooperationen mit Peking – oder sollten wir lieber Brückenköpfe sagen? Denn unter dem Mäntelchen des freien Handels treibt Herr Xi seinen Traum von der Weltmacht China voran. Auch hier in Europa, auch hier vor unserer Tür.

Es ist kein gutmütiger Riese, der das alternde Imperium der USA zu beerben gedenkt. China macht rücksichtslos von seinem wirtschaftlichen Einfluss Gebrauch und tritt im Bewusstsein der eigenen Stärke zunehmend herrischer auf. Da muss ein serbischer Präsident in tiefer Dankbarkeit die chinesische Flagge küssen, weil Peking ihm in der Corona-Not huldvoll Hilfe gewährte. Die Tschechen hingegen wurden abgebürstet, weil sie sich ungezogen zeigten: Sie würden einen "hohen Preis" dafür bezahlen, dass eine Parlamentsdelegation sich in Taiwan aufhält, zischt Chinas Außenminister Wang Yi. Peking betrachtet den Inselstaat als abtrünnige Provinz, in der kein offizieller EU-Besuch etwas zu suchen hat. Sonst setzt es was.

Einen Drachen kann man nicht anleinen. Und tiefe Freundschaft darf eine Demokratie wie die unsrige für das ruchlose Regime im Osten schon gar nicht empfinden, während dieses muslimische Uiguren in Konzentrationslager sperrt, Dissidenten verfolgt, Hongkong unterjocht und in Tibet die letzten Reste einer Hochkultur in den Untergang treibt. Unsere profitable Zusammenarbeit ist zweckgebunden und Teil eines taktischen Spiels, in dem man sich keine Blöße geben darf. Die Chinesen machen es vor: Integration in den Weltmarkt schön und gut, aber Schlüsselindustrien wie die Halbleiterherstellung und die Akkutechnologie werden wie Diamanten gehegt und geschützt. Als Druckmittel setzt man obendrein die Schätze ein, die man weitgehend exklusiv besitzt – etwa die seltenen Erden, jene begehrten Metalle, die in der Produktion vom Auto bis zum Akku Verwendung finden und ohne die selbst in den USA kein Kampfjet mehr aus der Werkhalle rollt.

Wir können das chinesische Muskelspiel nicht verhindern. Aber wir können davon lernen: Wir müssen in einer Welt bestehen, die immer mehr vom Polizeigriff-Kapitalismus der Chinesen bestimmt wird. Zugleich müssen wir uns mit wüsten Drohungen unserer amerikanischen "Partner" herumschlagen, die deutschen Autoherstellern und französischen Luxusgüterfirmen Strafzölle aufbrummen wollen. Wer solche Freunde hat, darf nicht erpressbar sein. Der muss stark, selbstbewusst und clever sein. Kein Hase, sondern ein Igel. Europa sollte deshalb seine Schlüsseltechnologien akribisch schützen und sich nicht an Monopole in Übersee fesseln lassen. Sei es bei Elektromotoren, Handynetzen oder künstlicher Intelligenz. Das darf uns gerne etwas kosten. Damit es uns den Preis der Abhängigkeit erspart.


WAS STEHT AN?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will heute erklären, wie er sich Wirtschaftspolitik und Klimaschutz nach der Corona-Krise vorstellt. Hoffentlich hat er mehr zu bieten als schöne Worte.

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