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Neue Corona-Mutationen erzwingen langen Lockdown – da kommt was auf uns zu


Corona-Mutationen – da kommt was auf uns zu

Von Florian Harms

Aktualisiert am 08.01.2021Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Visualisierung des Coronavirus: Die neuen Mutationen verändern die Lage grundlegend.Vergrößern des Bildes
Visualisierung des Coronavirus: Die neuen Mutationen verändern die Lage grundlegend. (Quelle: imago images)

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WAS WAR?

Auf den Sturm folgt die Erschütterung: Der Angriff auf das Kapitol in Washington hat Schockwellen durch Amerika gejagt, die Empörung hallt von links bis halbrechts durch die politische Arena. Gewissheiten und Loyalitäten bröckeln. Schlagartig hat Donald Trump einige seiner republikanischen Steigbügelhalter verloren. In dieser Partei gibt es erstaunlich viele Leute, die bar jeglicher Skrupel jahrelang dem Gauner die Treue hielten, um ihre Karrieren voranzutreiben. Aber nach der von Trump initiierten Attacke auf das Parlament haben sich mehrere dieser moralischen Krüppel von ihrem Paten abgewandt. Schwer fiel es ihnen nicht, der Mann ist ja bald raus aus dem Weißen Haus, und ihr Rückgrat ist biegsam. Mehrere Regierungsmitglieder erwogen gestern, den Präsidenten noch vor dem Ende seiner Amtszeit in knapp zwei Wochen abzusetzen. Auch sie waren dann doch erschrocken von den Bildern des Mobs, der das Heiligtum der amerikanischen Demokratie entweihte, Parlamentarier bedrohte, Abgeordnetenbüros verwüstete und Möbel klaute, um sie als Trophäen auf Ebay zu verhökern.

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Was sind das nur für Menschen? Klar, es gibt in den USA viele Unzufriedene, aber damit allein lässt sich dieser Irrsinn nicht erklären. Dafür muss man erstens berücksichtigen, wie perfide der Twitter-Präsident die Leute seit Jahren aufgehetzt hat. "Auf eine gewisse Weise ist Trump dämonisch genial", sagt der Historiker Volker Depkat im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke. Zweitens ist die religiöse Dimension zu beachten. Viele Jünger Trumps huldigen dem bizarren QAnon-Kult, der sich geschwürartig über Facebook, Telegram und andere Propagandakanäle verbreitet. Unser Rechercheur Lars Wienand, der sich so gut wie kaum ein anderer deutscher Journalist in den düsteren Ecken des Internets auskennt, stellt Ihnen einige der Typen vor, die im Kapitol wüteten.

Trumps wichtigste Waffen sind nicht seine Befugnisse als Regierungschef oder die Arsenale des US-Militärs. Es sind seine Accounts auf Twitter und Facebook. Damit schleudert er seine Lügen unters Volk. Gestern hat Marc Zuckerberg endlich getan, was er schon vor Monaten hätte tun sollen: Er ließ Trump auf Facebook und Instagram sperren. Vorläufig gilt die Blockade nur bis zur Amtseinführung Joe Bidens, aber immerhin versiegelt sie die Giftspritze zeitweilig und trägt so zur Beruhigung der Lage bei. Die Twitter-Bosse blockierten die letzten Tweets des Präsidenten. Nach dem TV-Sender "Fox News" wenden sich also auch die Propagandachefs aus dem Silicon Valley von ihrem wichtigsten Quotenbringer ab: Das war die beste Nachricht des gestrigen Tages.


WAS STEHT AN?

Ein verwirrender Name ist kein Hindernis auf dem Weg zum Ruhm. Jedem Star-Wars-Fan rollen die Kürzel C-3PO und R2-D2 locker von der Zunge: Im Universum der Science-Fiction-Saga werden die beiden Roboter als Helden verehrt. In der echten Welt hingegen betreten dieses Jahr zwei Schurken die Bühne, die mit ihren sonderbaren Namen die fiktionale Konkurrenz locker in die Tasche stecken: B.1.1.7 heißt der eine, alternativ hat sich die Wissenschaft für ihn den Spitznamen VOC-202012/01 ausgedacht. Den zweiten Bösewicht darf ich Ihnen als 501.V2 vorstellen, man kennt ihn aber auch als N501Y.V2, falls Ihnen der erste Name zu einfach ist. Wir werden noch viel Gelegenheit bekommen, die Aussprache dieser Finsterlinge zu üben – denn in der Dramaturgie des Jahres 2021 werden sie Hauptrollen übernehmen.

Beide sind Mutanten des Coronavirus. Mister B.1.1.7 verbreitet sich in Großbritannien in rasendem Tempo und spielt das herkömmliche Coronavirus dabei an die Wand. Kollege 501.V2 hat sich in Südafrika breitgemacht und zeichnet sich ebenso durch ein höheres Tempo bei der Verbreitung aus. Das genaue Ausmaß der Beschleunigung kennen wir noch nicht. Aber für die britische Virusvariante kommen verschiedene, voneinander unabhängige Studien zu dem Ergebnis, dass sich die Übertragungsrate um mindestens 50 Prozent, möglicherweise auch um deutlich mehr, erhöht. Das Virus hat einen Turbolader bekommen.

Was bedeutet das? Wäre die Pandemie bloß ein schlechter Film, hätten wir das Drehbuch der letzten Episode als einfallslos und vorhersehbar verrissen. Denn trotz überraschter Gesichter von Landespolitikern und manchen Bürgern hat das Virus strikt die Prophezeiungen der Wissenschaftler erfüllt:

Nachlassende Kontaktbeschränkung + Herbst = explodierende Fallzahlen = Überlastung der Krankenhäuser.

Zögerliche Reaktion der Politik = umso härtere Einschnitte später.

So lauten die Basisgleichungen der Pandemie, so ist es gekommen, und so geht es auch weiter. Denn die neuen Mutanten haben sich keinesfalls Superkräfte angeeignet, mit denen sie durch Wände schweben, sich über große Distanzen beamen und den Handlungsverlauf komplett auf den Kopf stellen können. Alles, was bisher galt, gilt weiterhin – nur eben verschärft: Kontaktbeschränkungen wirken, nur nutzt das getunte Virus jede Blöße, die wir uns dabei geben, jetzt noch gnadenloser aus. Die Geschwindigkeit, mit der die Lage von scheinbarer Harmlosigkeit an die Grenze der Beherrschbarkeit gerät, nimmt zu. Alles geschieht wie bisher – nur schneller. Also schlimmer. Man kann die Bedeutung der neu entdeckten Corona-Mutanten für den Verlauf des jungen Jahres deshalb kaum überschätzen. Sie bringen grundlegende Veränderungen mit sich.

Die erste betrifft unsere langfristige Hoffnung auf Rettung. Damit wir die Kontaktverbote irgendwann lassen und die Masken ablegen können, muss uns die Impfkampagne bis zur Herdenimmunität befördern. Schon bisher konnten wir uns nicht sicher sein, ob sich genügend Menschen die schützende Injektion geben lassen wollen oder die absurde Impfskepsis den Sieg über das Virus vereitelt. Diese Hürde wird nun noch höher: Je ansteckender das Virus ist, desto mehr Menschen müssen sich impfen lassen, um dem Coronavirus das Handwerk zu legen. Die Mutanten verschieben die Schwelle zur Herdenimmunität. Die Marke von Pi mal Daumen 70 Prozent, auf die wir uns eingeschworen hatten, genügt nun nicht mehr. Es müssen mehr sein.

Zweitens müssen wir uns die Frage nach der langfristigen Strategie gegen das Virus neu stellen. Solange die Bevölkerung nicht mehrheitlich geimpft ist – und das betrifft aller Voraussicht nach mindestens die Zeit bis zum Sommer, eher bis zum Herbst –, werden andere Maßnahmen das Virus in Schach halten müssen. Das Unheil, das uns droht, wenn wir uns vom Erreger übermannen lassen, haben wir zuerst in Bergamo, dann in New York und in Spanien gesehen. Nun lassen die aktuellen Erfahrungen der Briten mit dem Bösewicht B.1.1.7 Schlimmstes befürchten. Was sich dort in den Krankenhäusern abspielt, erschüttert alle, nicht nur die Corona-Patienten: Ist die Intensivstation am Limit, ist es egal, ob man mit Covid-19 und schwerer Atmung, mit Unfallverletzungen oder mit einem Herzinfarkt draußen vor der Tür steht. Voll ist voll.

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Deutschland ist im Schlingerkurs durch die Corona-Wellen des Herbstes getaumelt: hier ein bisschen lockern, da irgendwas verschärfen, Gezerre in alle Richtungen. Für Nationen, die so eine "Strategie" verfolgen, ändert sich nun durch den noch ansteckenderen Erreger der Bußgeldkatalog für ihre üblichen Verfehlungen. Dabei wussten wir, dass es andernorts eine funktionierende Methode zur Bekämpfung von Covid-19 gibt. Die Erfolge zahlreicher asiatischer Staaten plus Neuseeland, Australien, Finnland, Norwegen waren im Tagesanbruch schon öfter Thema. Deren Strategie lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Das Virus wird, sobald es sich auch nur ein bisschen aus der Deckung wagt, sofort mit voller Wucht zurückgedrängt. Der einzige akzeptable Inzidenzwert ist die Null. Nullkommanull. Auch in diesen erfolgreichen Ländern musste das ehrgeizige Ziel mit gelegentlichen Kraftanstrengungen verteidigt werden, es hat ihnen aber für den Großteil der Corona-Zeit ein weitgehend unbeschwertes Leben ermöglicht. Und die Wirtschaft freute es auch.

Zaudern wird im Kampf gegen Corona hart bestraft, Hin und Her erst recht. Das sollten die meisten Entscheider eigentlich langsam mal verstanden haben. Doch die politischen Debatten tönen immer noch seltsam: Da wird die Notwendigkeit des Durchhaltens beschworen – und im nächsten Atemzug "bis Ende Januar" hinzugefügt, als sei der Osterhase schon längst unterwegs. Diese Hü-Hott-Rhetorik ist riskant. Gestern ist die britische Corona-Mutation erstmals in Sachsen nachgewiesen worden. Liebe Leute, wir müssen die Gefahr der Mutanten jetzt sofort bannen! Aber das gelingt nur, wenn wir konsequent die Lücken schließen, durch die sich das Virus in die Gesellschaft hineinfressen kann. Das wahre Ziel ist die Nullkommanull, nicht irgendein Datum. Dafür braucht es Entschlossenheit und Mut. So wie in einem Film, den wir schon mal gesehen haben. Mit R2-D2.


Sind die neuen Corona-Regeln wirklich effizient? Der Berliner Physik-Professor Dirk Brockmann hat meiner Kollegin Annika Leister erklärt, wie sich die Verbreitung des Coronavirus in ganz Deutschland sofort stoppen ließe.


In diesem Jahr muss Deutschland die Weichen für die Zukunft stellen: Wie kann es gelingen, den Wohlstand ebenso zu bewahren wie den sozialen Frieden? Aus den Regierungsparteien hört man manchen Vorschlag, aber auch manche Phrase. Aus der Opposition kommt Konkretes. Marco Buschmann skizziert heute Morgen exklusiv auf t-online seine Agenda zur liberalen Erneuerung Deutschlands:

"Die Politik des Durchwurschtelns muss enden", schreibt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP. "Denn Wachstum kann zwar höhere Steuern für die hart arbeitende Mitte und Leistungskürzungen für die Schwächsten in unserer Gesellschaft verhindern. Das gelingt aber nur, wenn die Politik nicht mehr Geld ausgibt, als durch Wachstum zusätzlich hereinkommt. Das bedeutet: Die Ausgabenparty ist vorbei." Was sich Buschmann konkret vorstellt und was der FDP-Stratege noch plant, lesen Sie hier.


WAS LESEN?

Unsere Kolumnistin Lamya Kaddor hat einen bemerkenswerten Text zur Lage in Amerika geschrieben. So dicht vor einem gewaltsamen Umsturz waren die USA in ihrer jüngeren Geschichte noch nie, meint sie und fordert: "An Trump muss jetzt ein Exempel statuiert werden."


Biontech, Moderna, Astrazeneca: Welcher Impfstoff bietet den zuverlässigsten Schutz? Und wie kann man als Bürger den richtigen auswählen? Meine Kollegin Melanie Weiner hat die Antworten.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ganz in Weiß statt Weißes Haus, das würde dem Donald eigentlich ganz gut stehen.

Ich wünsche Ihnen einen hellen Tag. Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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