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FDP im Wahlkampf: Christian Lindner zieht rote Linien für Koalitionen


Tagesanbruch
Ein waghalsiges Versprechen

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 17.05.2021Lesedauer: 6 Min.
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Christian Lindner spricht mit Wolfgang Kubicki beim Bundesparteitag der FDPVergrößern des Bildes
Christian Lindner spricht mit Wolfgang Kubicki beim Bundesparteitag der FDP (Quelle: dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, heute stellvertretend für Florian Harms.

Ein klares Wahlversprechen

Den Zeitpunkt für ihren Parteitag hat sich die FDP mit Bedacht ausgesucht. Das für gewöhnlich innenpolitisch nachrichtenarme Brücken-Wochenende wollten die Liberalen nutzen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Drei Tage Zeit haben sich 662 Delegierte genommen, um ihr Programm für die Bundestagswahl zu diskutieren und ihre Parteispitze neu zu wählen.

Inhaltlich sind einige interessante Vorschläge zusammengekommen.

  • Ein Prozent der Mehrwertsteuer soll in Bildung investiert werden
  • Bürger sollen eine Klimadividende erhalten
  • Der Emissionshandel für den Klimaschutz soll ausgeweitet werden
  • Die Amtszeit des Bundeskanzlers soll auf zwei Amtszeiten beschränkt werden
  • Eine Aktienrente finanziert durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll kommen
  • Die Abgabenlast soll auf unter 40 Prozent sinken
  • Der Spitzensteuersatz soll erst ab 90.000 Euro greifen

70 Seiten mit etlichen Akzenten mehr hat die Partei am Sonntag beschlossen. Die Kernbotschaft des Parteitags: Die FDP will nach acht Jahren Opposition zurück an die Macht. Tatsächlich hat die Partei Aufwind: Sie profitiert derzeit aber vor allem von der Schwäche der Union – das ist auch Parteichef Christian Lindner klar.

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Deshalb versuchte Lindner am Wochenende eine klare Positionierung: "Unser Weg also ist, nicht immer mehr den Staat in die Verantwortung zu nehmen, sondern den Menschen zu vertrauen und ihnen auch wieder Freiheit zu geben." Diese Freiheit ist für Lindner klar definiert. Ein schlanker Staat, der nicht Umverteilung organisiert, sondern Chancen schafft. Oder in seinen Worten: "Es ist die Marktwirtschaft, die die Pflöcke einschlägt, an denen das soziale Netz aufgehängt wird." Das soll das Angebot der Liberalen an uns Wähler sein.

Und dann spitzte Lindner am Wochenende zwei wichtige Dinge zu. Mit der FDP werde es in einer Regierung weder eine Mehrbelastung der Bürger noch eine höhere Staatsverschuldung geben. Zwei rote Linien also. Eine klare Botschaft, eine klare Wahlkampf-Aussage für das klassische Wählerpotenzial der Liberalen.

Lindner sagte dazu: "Ich weiß wohl, was ich sage und wie die Tragweite ist."

Es ist dieser Tage ein ehrgeiziges Versprechen, nahezu waghalsig und riskant. Die Kosten der Corona-Pandemie sind noch nicht abschätzbar, genauso wenig die bevorstehenden Steuerausfälle. Doch mit so einer Aussage lässt sich gut Wahlkampf machen, das weiß Lindner. Sie polarisiert. Und sie ist eine Absage an die Pläne von SPD (Steuern!) und Grünen (Schulden!).

Zuvor hatte Lindner gesagt, er werde für die FDP alle Koalitionsoptionen offenhalten. Die Aussagen vom Parteitag klingen aber nach dem starken Wunsch, wieder mit der Union zu regieren. Doch weil Grüne und Union mit einiger Wahrscheinlichkeit genug Stimmen für eine Koalition bekommen (im Gegensatz zu Union und FDP), bliebe für Lindner nur der Weg über eine Ampel-Koalition in die Regierung. Die aber hat er nun ausgeschlossen, wenn auch inhaltlich wohlbegründet. Das macht es der FDP nach dem Wahltag unendlich schwer.


Eine bittere Lektion

Keine Nachrichtensendung, die sich derzeit nicht ausführlich den gegenseitigen Angriffen von Israelis und Palästinensern widmet. Erst schießt die Hamas mit Raketen, dann bombardiert die israelische Luftwaffe. Zwischen den verhärteten Fronten: unfassbar viel menschliches Leid.

Ein Freund fragte mich dieses Wochenende, wieso denn beide Seiten eigentlich nicht aufeinander zugehen könnten? Die Antwort ist so komplex wie die Historie des heiligen Landes. Eines aber ist einfach: Nach so vielen Jahren können beide Konfliktparteien nicht ohne Hilfe von außen zueinanderfinden.

Deshalb ist es gut, dass am Sonntag der UN-Sicherheitsrat bereits zum dritten Mal in dieser Woche zum Thema tagte. Zwar verhinderten die USA als traditionell stärkster Verbündeter Israels erneut eine gemeinsame Stellungnahme. Doch es kommt etwas in Bewegung. Wie so oft in der Diplomatie etwas verklausuliert: Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield verlangte wie alle ein Ende der Gewalt. Von beiden Seiten. Sie forderte Israel und die Hamas auf, sich in Zurückhaltung zu üben. Und dann der entscheidende Satz: "Dies beinhaltet die Vermeidung von Provokationen, gewalttätigen Angriffen und Terroranschlägen sowie Vertreibungen, einschließlich in Ost-Jerusalem, das Abreißen von Häusern sowie den Siedlungsbau östlich der Grenzen von 1967."

Die US-Botschafterin bei den UN fordert also, dass Israel seine Siedlungspolitik in Ost-Jerusalem und im Westjordanland einstellen müsse. Bislang ist jedoch noch völlig offen, ob und wie die Regierung von US-Präsident Joe Biden auf beide Seiten einwirken will. Klar ist: In der Vergangenheit kam der US-Regierung immer eine Schlüsselrolle in dem Konflikt zu.

Joe Biden gilt als ausgewiesener Kenner des Nahost-Konflikts. Schon als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses reiste er mehrfach nach Israel, als Vizepräsident war er ebenfalls für das Thema zuständig. Damals war er ein klarer Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung und Gegner der israelischen Siedlungspolitik.

Heute hat Biden als Präsident innenpolitisch viele Probleme zu lösen. In den vergangenen Tagen hielt er sich mit öffentlichen Äußerungen zum Nahost-Konflikt auffallend zurück. Und wurde dafür sowohl aus der eigenen Partei als auch von Republikanern kritisiert.

Am Freitag schickte Biden den Nahost-Experten Hady Amr zu Gesprächen nach Israel. Dieser traf sich am Sonntag mit Israels Verteidigungsminister Benny Gantz, anschließend mit palästinensischen Verantwortlichen. Er solle deeskalierend auf beide Seiten einwirken, hieß es vom US-Außenministerium. Ein ausgefeilter Plan der Biden-Regierung ist da noch nicht zu erkennen.

Als Biden im Dezember 2016 noch als Vize-Präsident wirkte, hatte der UN-Sicherheitsrat einen vollständigen Siedlungsstopp gefordert. Die USA hatten auf ein Veto verzichtet. Der Effekt damals: null.


Eine spannende Debatte

Die Kanzlerkandidatin hat eine Diskussion angezettelt. Annalena Baerbock will im Falle einer Regierungsübernahme Flugreisen teurer machen. Durch eine "klimagerechte Besteuerung von Flügen" wolle sie Dumpingpreise stoppen, sagte Baerbock der "Bild am Sonntag". Und, Zitat: "Wer als Familie mit dem Zug reist, sollte doch weniger zahlen als für die Kurzstrecke mit dem Flugzeug."

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, reagierte prompt: Klimaschutz dürfe nicht auf Kosten der Urlaubsplanung einkommensschwacher Familien gehen. Der Wahlkampf ist eröffnet.

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Die Franzosen sind da schon einen Schritt weiter. Dort hat das Parlament Kurzstreckenflüge Anfang des Monats verboten. Voraussetzung: Es muss eine Zugverbindung existieren, die die Strecke in maximal zweieinhalb Stunden schafft. Das ist doch mal eine sinnvolle Zielmarke.


Was lesen?

Die Zahl der Corona-Toten gibt es jeden Tag im Bericht des Robert Koch-Instituts zu lesen. Eine andere Zahl, die mit unermesslich viel Leid verbunden ist, wird offiziell noch lange auf sich warten lassen: Wie viele Menschen haben sich während der Pandemie das Leben genommen?

Mein Kollege Lars Wienand kann jetzt nach Recherchen bei allen Landeskriminalämtern sagen: Es haben sich nicht viel mehr Menschen das Leben genommen, anders als vielfach befürchtet und von "Querdenkern" behauptet worden ist. Je mehr Antworten für die Recherche eintrafen, umso klarer wurde: Es gab keine Suizidwelle. Er schreibt, wieso diese gute Nachricht dennoch noch kein Anlass zur Entwarnung ist.


Unserem Staatsapparat wird ja von vielen Seiten vorgeworfen, zu bürokratisch, zu träge und überhaupt zu langsam zu sein. Darüber haben auch wir viel geschrieben. Im Tagesspiegel hat CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus am Wochenende einen bemerkenswert offenen Gastbeitrag veröffentlicht.

Er zieht detailliert Lehren aus der Coronakrise, aber auch darüber hinaus. Und kommt zu dem Schluss: "Genau jetzt in der Krise ist der Zeitpunkt, Staat und Verwaltung rundum zu erneuern." Sehr lesenswert.


In eigener Sache noch ein Lesetipp zum Schluss: t-online können Sie inzwischen nicht mehr nur im Web, als App oder Newsletter nutzen. Seit ein paar Tagen gibt es uns auch als Abo im Messenger Telegram (unter https://t.me/tonline_news) zu finden. Dort bekommen Sie zweimal am Tag eine Zusammenfassung der wichtigsten Meldungen und natürlich alle Eilmeldungen. Wenn es Sie interessiert, freuen wir uns über ein Abo. Wenn Sie mehr wissen wollen: Die Kollegen haben hier noch einmal alle Details zusammengefasst.


Was amüsiert mich?

Corona belastet uns alle. Und so manche Beziehung.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Start in den Tag. Morgen schreibt meine Kollegin Camilla Kohrs an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de

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