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Kennedy, Brandt, Macron: Denen die Herzen zufliegen


Demokratische Auslese
Denen die Herzen zufliegen

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

25.12.2017Lesedauer: 4 Min.
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Kennedy, Brandt, Macron: Sie gehören zu der Kategorie Männer, die sich Großes vornehmen - und erreichen können.Vergrößern des Bildes
Kennedy, Brandt, Macron: Sie gehören zu der Kategorie Männer, die sich Großes vornehmen - und erreichen können. (Quelle: dpa-bilder)

Weihnachtliche Gedanken nach einer Netflix-Serie: Über gute Politiker wie Kennedy oder Brandt oder Obama oder Macron, die unsere Phantasie beschwingen - und schlechte wie Berlusconi oder Trump, denen wir dummerweise alles Mögliche zutrauen müssen.

Ich habe mir gerade die zweite Staffel von "The Crown" angeschaut, eine sehr gute Netflix-Serie, in der Königin Elizabeth II. noch jung ist, Kinder bekommt, mit ihrem Ehemann Philipp hadert und manchmal erstaunliche Dinge tut. Die Staffel spielt in den fünfziger und sechziger Jahren. Die Autos sind klobig und elegant zugleich. Die Mode ist noch konservativ, die Zeitungen staatstragend, aber das Neue prägt sich schon aus. Die Suezkrise zerreißt Großbritannien. Die britischen Premiers, die sorgfältig getrimmte Schnurrbärte tragen und sich gemessen bewegen, sind kaum voneinander zu unterscheiden.

Die spannendste Folge ist der Besuch von John F. und Jackie Kennedy im Buckingham-Palast. Ich war gespannt, wie die beiden Schauspieler ihre Rollen bewältigen, weil die realen Figuren in meiner Erinnerung aufbewahrt sind.

Relikte eines untergegangenen Weltreichs

Ich bin in diesen fünfziger und sechziger Jahren aufgewachsen. Ich habe noch die Bilder unseres Bundeskanzlers Konrad Adenauer im Sinn, eines uralten Mannes, aus der Tiefe des 19. Jahrhunderts kommend. Die Herren Eden und McMillan, die britischen Premiers dieser Jahre, waren jünger, wirkten aber alt und seltsam museal – Relikte des untergegangenen Weltreichs.

Dagegen dieser strahlend junge amerikanische Präsident, dem die Herzen zuflogen, wenn er nur "Ich bin ein Berliner" sagte. Ihm schien alles zu gelingen. Die Kuba-Krise am Rande eines Atomkrieges: glänzend gemeistert. Im Weißen Haus von den "Besten und Klügsten" umgeben, wie mein Lieblingsautor David Halberstam später schrieb.

England war Vergangenheit, Amerika die Zukunft. Amerika war die Kennedys und die ganze westliche Welt beneidete Amerika um so einen Präsidenten.

Tod eines politischen Popstars

John F. Kennedy war der erste politische Popstar der Nachkriegsgeschichte. Meine Eltern versetzte er in Verzückung wie mich die Beatles. Eine schöne Frau, zwei kleine Kinder, reich von Haus aus und dazu klug und kriegserfahren. Mehr ging nicht. Einen Mann wie ihn brachte die Demokratie hervor! Für die Deutschen war das 16 Jahre nach Hitler ein Wunder.

Ich war 13, als Kennedy, den sie Jack nannten, an einem Dienstagmittag starb. Wir saßen in Hof an der Saale vor dem Radio und fieberten den Nachrichten aus Dallas entgegen. Tot. Ermordet. Wenige Jahre später dann der Mord an seinem Bruder Robert, auch jung, auch strahlend, auch von den Göttern begünstigt. Tragödie auf Tragödie.

Die Serie brachte mich ins Grübeln, warum ich die Aufregung, die Erregung, die Hysterie nicht mitgemacht habe, wenn wieder jemand auftauchte, der die Menschen in seinen Bann zog. Willy Brandt war so ein Mensch; prompt nannten die Zeitungen ihn den deutschen Kennedy. Ein brillanter Redner. Ein Intellektueller. Ein Melancholiker. Friedensnobelpreisträger für die Entspannungspolitik in Europa.

Meine älteren Kollegen bei der "Zeit" und später beim "Spiegel" bekamen glänzende Augen, wenn sie von ihm sprachen. Für sie war er der Willy, wie später Schröder der Gerd war. Mit der guten Sache, mit einem charismatischen Politiker machten sie sich gerne gemein. Mir ging die Verherrlichung zu weit.

Große Figuren lösen Gegenkräfte aus

Oder Barack Obama. Redete wie Martin Luther King und brachte unsere Phantasie zum Schwingen. Wir trauten ihm zu, die dysfunktionale amerikanische Demokratie wieder ins Laufen zu bringen. Dabei hätten wir wissen können, dass große Figuren machtvolle Gegenkräfte auslösen, die vieles daran setzen, ihnen den Glorienschein zu nehmen. Auch Emmanuel Macron gehört in diese Kategorie von Männern, die sich Großes vornehmen und auch erreichen können. Die Frage ist nur: Haben sie die Ausdauer und ist die Zeit günstig für sie und was machen Niederlagen und die Aussicht auf Scheitern aus ihnen?

Und dann gibt es natürlich die anderen, denen nicht viel Gutes zuzutrauen ist. Die Blender. Hochstapler. Angeber. Die Sarkozys und Berlusconis. Womit wir bei Donald Trump angelangt wären.

Ich habe ein paar Monate vor der Wahl geschrieben, dass er der nächste Präsident sein werde. Amerika wählt oft einfach das Gegenteil des jeweiligen Präsidenten. Trump ist das Gegenteil von Obama. Ein Präsident, der Chaos verbreitet und darin aufblüht. Dem anscheinend nichts und niemand etwas anhaben kann. Der vielleicht nicht weiß, was er anrichtet, der aber seinen Willen bekommt, vielleicht nicht sofort, aber später.

Wir könnten uns, weil Weihnachten ist, mit einer Analogie trösten: Die guten Präsidenten sind nie so gut, wie wir denken. Die schlechten sind folglich nicht so schlecht, wie wir befürchten. Aber das wissen wir immer erst hinterher. In der Zwischenzeit sollten wir auf die Demokratie vertrauen. In Amerika macht sie es keinem Präsidenten leicht, weder den guten noch den schlechten.

In der “Crown“-Staffel fällt die Begegnung zwischen den Kennedys und den Royals nicht ganz geglückt aus. Jack und Jackie bewegen sich glänzend am Hofe, die Gäste der Königin sind in heller Aufregung, mehr wegen Jackie als wegen Jack. Philipp reiht sich eifrig in die Schar der Bewunderer ein. Im Kontrast sieht Elizabeth spießig und gestrig aus. Sie spürt es, es quält sie und in der nächsten Folge zeigt sie der Welt, was in ihr steckt.

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