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AfD im Auschwung: Über den Aufstieg der Rechtspopulisten muss sich niemand wundern


Tagesanbruch
Wundern muss sich niemand mehr

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 14.06.2023Lesedauer: 6 Min.
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Herbert Kickl von der österreichischen FPÖ, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Marine Le Pen vom französischen Rassemblement Nationale: Rechtsextreme Parteien schwimmen gerade in vielen Ländern auf einer Erfolgswelle.Vergrößern des Bildes
Herbert Kickl von der österreichischen FPÖ, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Marine Le Pen vom französischen Rassemblement Nationale: Rechtsextreme Parteien schwimmen gerade in vielen Ländern auf einer Erfolgswelle. (Quelle: Montag: Heike Aßmann/t-online/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wenn es mal nicht läuft, dann stellt sich jeder irgendwann die Frage: Warum nicht? Profifußballer müssen Journalisten direkt nach einer Niederlage in die Mikrofone diktieren, woran es diesmal gelegen hat. Wer im Job ein wichtiges Projekt vergeigt, muss sich unter Umständen am nächsten Tag im Büro des Chefs erklären. Und ein Politiker muss in schlechteren Phasen erläutern, warum nicht seine, sondern eine andere Partei einen Höhenflug hat.

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Genau diese Frage treibt gerade viele deutsche Politiker um. Konkret wollen fünf der sechs Parteien im Bundestag wissen: Warum ist die AfD derzeit so stark? Eine jüngste Insa-Umfrage sah die Rechtspopulisten zuletzt bei 19,5 Prozent. Einen höheren Wert hatte das Institut bei der Partei noch nie gemessen. Damit liegt die AfD nur noch hauchdünn hinter der SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz auf Rang drei.

Die Ursachenforschung vieler Parteien reicht allerdings nicht sonderlich weit. Mal heißt es aus der Opposition, die regierende Ampelkoalition sei schuld, mal ist es umgekehrt. Nur eine Minderheit räumt immerhin ein, dass womöglich auch Fehler in den eigenen Reihen den Rechtspopulisten genutzt haben könnten. Viel mehr an Analyse ist aber nicht zu finden.

Einfach ist die aktuelle politische Situation sicherlich nicht. Wundern müssen wir uns darüber aber auch nicht. Denn die AfD ist derzeit nicht die einzige Partei, die auf einer rechten Erfolgswelle schwimmt. Ein Blick in das gar nicht so ferne Ausland genügt:

  • In Italien regiert mit Giorgia Meloni seit vergangenem Herbst eine Postfaschistin. Unterstützt wird sie von der ebenfalls rechtspopulistischen Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia des jüngst verstorbenen Silvio Berlusconi. Der wurde einst von dem Ex-Ministerpräsidenten Mario Monti zum "Vater aller Populisten" getauft.
  • In Frankreich hatte Emmanuel Macron im April 2022 die rechtsextreme Marine Le Pen bei der Stichwahl um die Präsidentschaft knapp geschlagen. Ob es heute wieder so kommen könnte, ist fraglich: Laut einer Umfrage des französischen Fernsehsenders BFM hätte Macron im April 2023 die Stichwahl mit 10 Prozentpunkten Abstand verloren.
  • In Schweden geht seit vergangenem Herbst nichts mehr ohne die Schwedendemokraten von Jimmie Åkesson: Der konservative Ministerpräsident Ulf Kristersson konnte die Rechtspopulisten zwar aus der Regierung halten. Allerdings handelt es sich nur um eine Minderheitsregierung. Sie wird von den Schwedendemokraten geduldet und ist auf ihre Stimmen im Parlament angewiesen

In anderen Ländern sieht es ähnlich aus. Aktuell befinden sich die Konservativen in Finnland in Koalitionsgesprächen mit den Rechtspopulisten. In Spanien wird nach der Parlamentswahl im Juli möglicherweise ein ähnliches Bündnis mit der Rechtsaußenpartei Vox möglich sein. Und in Österreich? Dort steht die rechtspopulistische FPÖ von Herbert Kickl in den Umfragen auf Platz eins. Noch vor vier Jahren war sie nach der sogenannten Ibiza-Affäre krachend aus der Regierung geflogen.

Wie lässt sich dieser Erfolg erklären? Das habe ich Professor Robert Vehrkamp gefragt. Er ist Demokratie-Experte der Bertelsmann-Stiftung und Gastprofessor am Institut der Demokratieforschung der Universität Lüneburg.

t-online: Herr Vehrkamp, nicht nur in Deutschland sehen wir gerade ein Erstarken von rechtspopulistischen Parteien. Woran liegt das?

Robert Vehrkamp: Der programmatische Kern von rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien bleiben Fremdenfeindlichkeit und Chauvinismus. In vielen europäischen Ländern sind diese Themen wieder sehr präsent. Deshalb sind diese Parteien in vielen Ländern auch gleichzeitig erfolgreich. Viele dieser Parteien versuchen nun auch die Klimakrise für sich zu entdecken und in ihre populistischen Narrative einzubauen. Aber eine Wärmepumpe oder auch ein Gendersternchen allein machen noch keinen AfD-Wähler.

Das würde bedeuten, dass die Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft zunimmt. Macht Ihnen das Sorgen?

Wir müssen uns jedenfalls auch in Zukunft dem Thema Migration immer stärker widmen, bessere Lösungen finden und am gesellschaftlichen Konsens dazu weiterarbeiten. Wir sind längst ein Einwanderungsland und durch Migration und Diversität stark geprägt. Das nutzt der Rechtspopulismus für seine ressentimentgeladenen Mobilisierungsstrategien. Es ist eine bleibende Herausforderung, mit der wir lernen müssen umzugehen.

Nicht nur in Deutschland scheinen viele Politiker gerade keine wirkliche Antwort auf diesen Rechtsruck zu finden. Wie könnte die aussehen?

Die Politik muss vor allem konstruktive und problemorientierte Lösungen anbieten. Und im notwendigen Streit und Wettbewerb um die besten Lösungen dürfen die demokratischen Parteien nicht selbst populistisch werden. Wer die Sprache von Populisten benutzt und ihre Themen übernimmt, betreibt ihr Geschäft. Dann wählen die Leute nämlich lieber das Original als die billige Kopie.

Ich kann der klugen Analyse von Professor Vehrkamp viel abgewinnen. Andererseits: Halten sich alle deutschen Politiker gerade an seine Empfehlung? Die Wortwahl einiger lässt mich eher zweifeln: Der bayerische Wirtschaftsminister von den Freien Wählern, Hubert Aiwanger, forderte am Wochenende in einer Rede, "die schweigende große Mehrheit dieses Landes" müsse sich die Demokratie wieder zurückholen. Sein Kabinettschef Markus Söder (CSU) regte sich auf derselben Veranstaltung über "zwanghafte Veganisierung" und "zwanghaftes Gendern" auf. Egal wie man zu beiden Themen steht: "Konstruktiv und problemorientiert" klingt anders.

Dabei müsste es Söder doch eigentlich besser wissen. Schon vor der bayerischen Landtagswahl 2018 hatte er der AfD nach dem Mund geredet – und am Ende eines der schwächsten Ergebnisse seit Jahrzehnten für die CSU erzielt. Wenn es im Herbst wieder so kommt, muss auch er sich nicht wundern.


Schon wieder Chefsache

Ohne Drama geht es wohl nicht. Mal musste Olaf Scholz die Richtlinienkompetenz auspacken, mal brauchte es einen endlosen Koalitionsausschuss, jetzt mussten eben der Kanzler mit Vize Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner bei den festgefahrenen Gesprächen ihrer Bundestagsfraktionen nachhelfen.

Doch jetzt kann das Heizungsgesetz wohl doch noch wie geplant bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Dafür wurde der ursprüngliche Vorschlag entschärft. Ob dadurch jetzt Ruhe in der Regierung einkehrt weiß niemand, denn nach der Einigung begann umgehend eine Deutungsschlacht, schreiben meinen Kollegen Johannes Bebermeier und Tim Kummert.


Schon wieder vor Gericht

Mit Prozessen kennt sich Donald Trump aus: Zuletzt musste er in New York vor Gericht erscheinen, gestern war es dann in Miami. Um 37 Anklagepunkte ging es diesmal. Unter anderem Verschwörung, Justizbehinderung, Falschaussagen oder das Zurückhalten von geheimen Dokumenten.

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Trump wusch seine Hände wie immer in Unschuld. Im schlimmsten Fall könnten ihm aber insgesamt mehrere hundert (!) Jahre Haft drohen. Doch selbst bei einer Verurteilung könnte er weiter für das Amt des Präsidenten kandidieren.

Über eine kuriose Szene berichtet unser USA-Korrespondent Bastian Brauns: Als Donald Trump das Gericht in Miami verlassen will, springt ein Demonstrant vor den schwer bewachten SUV. Seine Aktion hat der Mann lange geplant.


Was steht an?

Gibt es den nächsten Bahnstreik? Die Gewerkschaft EVG will heute in den Verhandlungen mit der Bahn ein Zwischenfazit ziehen. Danach könnten die Gespräche bis Freitag fortgesetzt werden – oder möglicherweise wird der nächste Streik angekündigt.

Die nationale Sicherheitsstrategie kommt: Wie sieht die deutsche Sicherheitspolitik in den kommenden Jahren aus? Dafür hat die Ampel erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein eigenes Strategiepapier entwickelt, das heute vorgestellt wird. "China ist momentan unsere größte Herausforderung", sagte Militärexperte Carlo Masala im Vorfeld meinem Kollegen Marc von Lüpke.

Mehr Kultur für die Jugend: Allen, die in diesem Jahr ihren 18. Geburtstag feiern, zahlt der Staat 200 Euro für Musikinstrumente, Bücher oder Kino- und Konzertkarten. Möglich macht das der Kulturpass, für den man sich ab heute in einer App kostenlos anmelden kann. Wie das funktioniert, stellt heute Kulturstaatsministerin Claudia Roth vor.


Lesetipps

Seit einer Woche läuft die Gegenoffensive der Ukraine. Kiew greift an mehreren Fronten an – mit gemischten Erfolgen. Doch ein großes Rätsel bleibt, schreibt mein Kollege Daniel Mützel.

Bis heute sind vor allem die Namen von Flugpionieren in Erinnerung. Aber auch Frauen standen ihnen in nichts nach. Harriet Quimby war eine solche Himmelsstürmerin. Hier erfahren Sie mehr.

Die Linken-Spitze distanziert sich klar von Sahra Wagenknecht. Doch wie geht es für die Partei jetzt weiter? Mit einer neuen Strategie will der Vorstand die Partei wieder erfolgreich machen, berichtet Annika Leister.


Zum Schluss

Ob das Video echt ist? Ich habe da so meine Zweifel

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Mittwoch. Am Donnerstag schreibt für Sie wieder Florian Harms.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Redakteur Politik, Wirtschaft & Gesellschaft
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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