Selenskyj setzt von der Leyen unter Druck
Wolodymyr Selenskyj setzt groΓe Hoffnung auf eine schnelle EU-Mitgliedschaft. Doch die Kommission bremst seine Erwartungen. Die Nacht im Γberblick.
Der ukrainische PrΓ€sident Wolodymyr Selenskyj macht nach dem Gipfel mit der EU in Kiew weiter Druck fΓΌr einen raschen Beitritt seines Landes zur EuropΓ€ischen Union. "Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU", sagte Selenskyj in einer am Freitagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Der Status mΓΌsse nur noch rechtlich verankert werden. Die EU-Kommission mit PrΓ€sidentin Ursula von der Leyen an der Spitze hatte indes in Kiew betont, dass die Ukraine noch einen langen Weg bis zu einer EU-Mitgliedschaft vor sich habe.
Dagegen meinte Selenskyj, dass die EU-Vertreter bei dem Gipfel in Kiew am Freitag Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt hΓ€tten. "Es gibt ein VerstΓ€ndnis, dass es mΓΆglich ist, die Verhandlungen ΓΌber eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EuropΓ€ischen Union dieses Jahr zu beginnen", meinte Selenskyj. Von EU-Seite gab es keine solchen konkreten Aussagen. Von der Leyen hatte in Kiew zwar Selenskyjs Entschlossenheit und Reformwillen gelobt, aber auch betont, dass es noch einiges zu tun gebe. Einen Zeitplan gibt es nicht.
Hoffnung auf schnelle EU-Mitgliedschaft
Selenskyj setzt groΓe Hoffnung auf eine schnelle EU-Mitgliedschaft. "Wir bereiten die Ukraine auf eine grΓΆΓere Integration in den internen Markt der EU vor β das bedeutet mehr Einkommen fΓΌr ukrainische Unternehmen, mehr Produktion und Jobs in unserem Land. Und mehr Einkommen fΓΌr unseren Staat und die lokalen Haushalte", sagte er. "Das ist das, was die Ukraine wirklich stΓ€rker macht."
Die Ukraine werde alles dafΓΌr tun, dass die russische Aggression zu einem "Selbstmord" fΓΌr Moskau werde. So habe auch die EU nun seinen Plan fΓΌr einen Frieden in der Ukraine begrΓΌΓt. Kern von Selenskyjs Plan ist der RΓΌckzug russischer Truppen, bevor Verhandlungen beginnen. Russland, das fast 20 Prozent des Gebiets der Ukraine kontrolliert, lehnt dieses Ansinnen als absurd ab.
Ukrainischer Botschafter in Deutschland gibt sich optimistisch
Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, zeigte sich nach dem Gipfel optimistisch mit Blick auf einen EU-Beitritt: "Die Botschaft dieses Tages ist eindeutig: Die Ukraine wird EU-Mitglied werden", sagte Makeiev dem "KΓΆlner Stadt-Anzeiger". "Dass mehr als die halbe Kommission in ein kΓΌnftiges Beitrittsland reist, das hat es noch nie gegeben."
Sein Land werde "alles dafΓΌr tun, den Beitrittsprozess so schnell wie mΓΆglich abzuschlieΓen", sagte Makeiev. "Viele EU-Mitgliedstaaten haben begriffen, dass man im Fall der Ukraine die politische ZurΓΌckhaltung aufgeben und zu schnelleren Entscheidungen kommen muss."
Barley dΓ€mpft Hoffnungen
Die VizeprΓ€sidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), dΓ€mpfte unterdessen Erwartungen an einen raschen EU-Beitritt der Ukraine. "Schon, dass die Ukraine so schnell Kandidatenstatus bekommen hat, das war ein ganz auΓergewΓΆhnlicher Vorgang", sagte Barley am Freitagabend in den ARD-"Tagesthemen". Das Land mΓΌsse die gleichen Bedingungen wie alle anderen Beitrittskandidaten erfΓΌllen. Dazu zΓ€hlten politische, wirtschaftliche und rechtliche Kriterien.
"Alle drei Felder sind noch lange nicht erfΓΌllt." Es sei nicht mΓΆglich, ein Land vorschnell aus besonderen Motiven aufzunehmen. Es sei wichtig, "dass man realistisch zu den Ukrainerinnen und Ukrainern ist".
Kandidatenstatus hat finanzielle Vorteile
Mit dem Kandidatenstatus seien aber auch schon Vorteile verbunden, gerade finanzielle UnterstΓΌtzung. Das Land sei mitten im Krieg, da sei es nicht zu erwarten, dass Fortschritte bei den Beitrittskriterien besonders schnell erzielt wΓΌrden, betonte Barley. "Wir unterstΓΌtzen die Ukraine bei diesen Schritten, das ist ganz wichtig, wir werden immer an ihrer Seite sein."
Bei ihrem gemeinsamen Gipfel in Kiew hatte die EU der Ukraine am Freitag volle UnterstΓΌtzung bei deren Wunsch nach baldiger Mitgliedschaft zugesagt, allerdings keinerlei konkrete zeitliche Perspektive gegeben. RatsprΓ€sident Charles Michel wiederum machte die Ukraine rhetorisch fast schon zum Mitglied: "Ihre Zukunft liegt bei uns in unserer gemeinsamen EuropΓ€ischen Union. Ihr Schicksal ist unser Schicksal", sagte der Belgier.
Russischer Angriffskrieg dominierendes Thema der Sicherheitskonferenz
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird das dominierende Thema der MΓΌnchner Sicherheitskonferenz sein. Das wichtigste sicherheitspolitische Expertentreffen weltweit findet vom 17. bis 19. Februar im Hotel Bayerischer Hof statt. Es ist die erste Sicherheitskonferenz seit Kriegsbeginn. Aus der Ukraine werden AuΓenminister Dmytro Kuleba und Verteidigungsminister Olexij Resnikow in MΓΌnchen erwartet.
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Zudem haben bereits rund 40 Staats- und Regierungschefs, 90 Minister und mehrere Chefs von internationalen Organisationen ihre Teilnahme zugesagt. Dazu zΓ€hlen der franzΓΆsische PrΓ€sident Emmanuel Macron, EU-KommissionsprΓ€sidentin von der Leyen und Nato-GeneralsekretΓ€r Jens Stoltenberg, wie die Konferenzleitung der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitteilte. Ob wie im vergangenen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-VizeprΓ€sidentin Kamala Harris teilnehmen werden, lieΓ sie noch offen.
Russische Offizielle sind nicht eingeladen. "Von der russischen Regierung kommt keinerlei Anzeichen eines Einlenkens. Wir sind uns zu schade, diesen Kriegsverbrechern im Kreml mit der MΓΌnchner Sicherheitskonferenz eine BΓΌhne fΓΌr ihre Propaganda zu bieten", sagte Konferenzleiter Christoph Heusgen der dpa. DafΓΌr wΓΌrden aber prominente russische Oppositionspolitiker nach MΓΌnchen kommen, darunter der frΓΌhere Oligarch Michail Chodorkowski, der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow, der Journalist und FriedensnobelpreistrΓ€ger Dmitri Muratow und Julia Nawalnaja, die Ehefrau des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny.
Was am Samstag wichtig wird
Besonders hart umkΓ€mpft ist derzeit Bachmut im ostukrainischen Gebiet Donezk. Selenskyj betonte, dass die strategisch fΓΌr die Ukraine wichtige "Festung" nicht aufgegeben werde. Die Schlacht um die Stadt gilt als besonders blut- und verlustreich. Bachmut kΓΆnnte von russischen Truppen eingekesselt werden.
Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, kritisierte bei Telegram, Selenskyj widersetze sich Aufforderungen, die ukrainischen Truppen abzuziehen. Bachmut sei derzeit das "Hauptereignis dieses Krieges".