t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



Menü Icon
t-online - Nachrichten für Deutschland
HomePolitikUkraine

Kachowka-Staudamm in der Ukraine: Was für Materialversagen spricht


Katastrophe in der Ukraine
Sollbruchstelle

Von Tobias Eßer

Aktualisiert am 08.06.2023Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Der Staudamm bei Nova Kachovka: Experten vermuten eine andere Ursache für die Katastrophe als bisher angenommen.Vergrößern des Bildes
Der Staudamm bei Nova Kachovka: Experten vermuten eine andere Ursache für die Katastrophe als bisher angenommen. (Quelle: Maxar Technologies/Handout via REUTERS )

Wer ist für die Zerstörung des Staudamms in Nowa Kachowka verantwortlich? Manche Experten gehen von Materialversagen aus.

Der Staudamm des Dnipro nahe der Stadt Nowa Kachowka existiert nicht mehr. Am Dienstagmorgen ergossen sich die Wassermassen aus dem Dnipro-Stausee in die tiefer gelegene Ebene um die Stadt Cherson. Die Folgen des Dammbruchs sind noch nicht vollständig absehbar. Klar ist: Es bahnt sich eine Naturkatastrophe großen Ausmaßes an. Ganze Siedlungen stehen bereits unter Wasser, Tausende Menschen verlieren ihr Zuhause. Auch droht die Gefahr durch Minen, die die Fluten in Richtung Cherson treiben und die jederzeit hochgehen können.

Video | Nach Dammbruch: Angst vor Minen
urn:newsml:dpa.com:20090101:230608-99-979999
Quelle: Glomex

Zwei Tage nach der Zerstörung des Staudammes ist die Debatte über die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Desaster in vollem Gange. Russland wirft der Ukraine vor, den Damm mit Raketen zerstört zu haben – laut verschiedenen Militärexperten ist das nicht möglich. Kiew und viele westliche Länder geben hingegen Russland die Schuld: Die Kreml-Truppen hätten schon vor Monaten den Damm vermint, aus Angst vor der ukrainischen Gegenoffensive nun die Sprengung veranlasst.

Doch es gibt eine dritte Variante, die einige Experten in den Raum stellen: Demnach könne auch die fehlende Wartung des Damms zu einem Materialversagen und in der Folge zu einem Kollaps der gesamten Anlage geführt haben. Was ist an der Theorie dran?

Experten: Russland hat Wasserstand seit 2022 nicht reguliert

"Das Szenario Sprengung ist sehr wahrscheinlich, es ist aber in der Tat auch möglich, dass es ein Versagen der Anlage gewesen ist", sagt Holger Schüttrumpf, Professor am Institut für Wasserbau der RWTH Aachen, im Gespräch mit "Spiegel Online".

Hinweise für ein Kollabieren des Damms aufgrund von Materialversagen hat auch das Conflict Intelligence Team (CIT). Die internationalen Experten für OSINT (Recherchen, die auf öffentlich zugängliche Quellen analysieren, "open source intelligence") zeigen anhand von Satellitenbildern des Dammes, dass die russischen Streitkräfte den Wasserstand im Stausee seit November 2022 nicht reguliert hätten. Außerdem sei es wahrscheinlich, dass ukrainischer Beschuss seit November die Struktur des Dammes beschädigt hätte.

Dazu passt eine Äußerung eines ukrainischen Kommandeurs Andrij Kowaltschuk in der "Washington Post". Er sagte im Gespräch mit der amerikanischen Zeitung, die ukrainischen Truppen hätten testweise mit einem Himars-Raketenwerfer auf die Fluttore des Dammes geschossen und drei Löcher im Metalltor verursacht. Damit wollten sie laut Kowaltschuk feststellen, ob sie das Wasser des Dnipro so weit anheben können, dass russische Truppen den Fluss nicht mehr überqueren können – ohne dabei allerdings die Dörfer an den Rändern des Flusses zu überschwemmen.

Russische Truppen sollen Damm nicht gewartet haben

Für die Strukturfehler sprechen auch Satellitenbilder einer Brücke über die geöffneten Fluttoren des Dammes. Demnach stürzte die Brücke an dem Damm zwischen dem 28. Mai und dem 5. Juni ein. Die CIT-Experten schlussfolgern aus diesen Daten, dass der Damm in der Nacht auf den 6. Juni stückweise kollabiert sein muss.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Ein weiteres Argument, das für den Einsturz und gegen eine gezielte Sprengung des Dammes spricht, liefert der ukrainische Journalist Illia Ponomarenko, der als gut vernetzt mit den ukrainischen Streitkräften gilt: Wie Ponomarenko auf Twitter berichtet, habe es Russland als Besatzungsmacht versäumt, den Damm über den Dnipro zu warten. Das habe wahrscheinlich zu einer Materialermüdung geführt.

Ponomarenko fügt allerdings auch noch hinzu, Russland trage die alleinige Schuld an der Zerstörung des Staudammes – egal ob er durch eine Explosion oder durch einen Fehler innerhalb der Struktur der Anlage herbeigeführt wurde.

Verwendete Quellen
  • spiegel.de: "Sprengung, Luftangriff, Materialversagen?" (kostenpflichtig)
  • notes.citeam.org; "Сводка за 6–7 июня 2023 года (до 08:30)" (russisch)
  • Twitteraccount von @IAPonomarenko
  • washingtonpost.com: "Inside the Ukrainian counteroffensive that shocked Putin and reshaped the war" (englisch, kostenpflichtig)
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website