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Von der Rente in die Praxis: 68 Jahre alter Arzt kehrt in den Beruf zurück


Beruf & Karriere
Einmal Ruhestand und zurück: 68-jähriger Arzt praktiziert wieder

t-online, dapd, Maren Hennemuth, dapd

Aktualisiert am 28.09.2010Lesedauer: 3 Min.
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Im Wartezimmer sitzen kurz vor Feierabend noch drei Patienten. Klaus Michelbacher ruft den nächsten auf und füllt im Vorbeigehen noch schnell ein Rezept aus. "Nachher steht noch ein Hausbesuch an", ruft ihm die Arzthelferin hinterher. Michelbacher ist 68 Jahre alt.

Er war eigentlich schon im Ruhestand, sein Kollege führte die Gemeinschaftspraxis allein fort. Doch als dieser an einem Herzinfarkt starb, fand sich kein Nachfolger für die Praxis im Siegbacher Ortsteil Eisemroth (Lahn-Dill-Kreis). Michelbacher betreute weiterhin Patienten in der Notfallversorgung und kehrte schließlich ganz in den Beruf zurück. Sein Fall steht exemplarisch für den Ärztemangel im ländlichen Raum. Im Lahn-Dill-Kreis gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Hessen zwar keine Unterversorgung mit Hausärzten. Doch die meisten der 174 Praxen sind nicht auf dem flachen Land, sondern in den Zentren wie Wetzlar, Herborn oder Dillenburg.

Beruf des Hausarztes wenig attraktiv

Das Durchschnittsalter hessischer Hausärzte liegt nach Angaben der KV bei 53 Jahren. Der Vorsitzende des hessischen Hausärzteverbandes, Dieter Conrad, sieht darin ein erhebliches Problem: "25 Prozent aller hessischen Hausärzte sind über 60. Ein Viertel aller niedergelassenen Ärzte hört also in den nächsten fünf Jahren auf", sagt er. Im ländlichen Raum drohe vielerorts eine komplette Lücke in der Versorgung. "Die Patienten müssen dann irgendwo anders hingehen. Gerade auf dem Land sind die Praxen aber voll. Das ist ein Teufelskreis", unterstreicht Conrad.

Schuld an der Ärzteknappheit ist seiner Ansicht nach die mangelnde Attraktivität des Hausarztberufes. "Der Beruf des Hausarztes wird als sehr belastend empfunden, sowohl seelisch als auch körperlich. Und er erscheint als wenig attraktiv in der Vergütung im Vergleich zur Tätigkeit als Facharzt", sagt Conrad. Diejenigen, die sich doch für diesen Beruf entscheiden, bevorzugten die Stadt als Arbeitsplatz.

Ärzte in abgelegenen Gegenden

Die Straße, die nach Eisemroth führt, ist schmal und kurvig. Die Gemeinde Siegbach hat 2700 Einwohner. Die fünf Ortsteile liegen inmitten des Gladenbacher Berglandes umgeben von Hügeln und Wäldern. Michelbachers Praxis ist die einzige hier. "Wer nach Eisemroth geht, muss eine Verbindung nach Eisemroth haben", sagt der Hausarzt dann auch. Er selbst stammt aus dem Ort, hat die Praxis von seinem Vater übernommen. Im Jahr 1970 war das. Eine Arzthelferin, die noch heute in der Praxis tätig ist, hat damals gemeinsam mit ihm angefangen.

Nach einer Arthrose in der linken Hüfte und einer Leukämieerkrankung ließ sich Michelbacher frühverrenten. "Als diese Krankheiten überstanden waren, ging es mir richtig gut. Aber weil kein Nachfolger für die Praxis in Sicht war, verfiel der Praxissitz", berichtet der Hausarzt. "Die Notfallversorge blieb bei mir hängen. Nur ich musste den Leuten dafür Geld abverlangen. Das war mir sehr unsympathisch." Ein Nachbarkollege in Bischoffen sei dann daran interessiert gewesen, dass die Praxis in Eisemroth wieder besetzt werde. "Weil seine eigene Praxis überlief", sagt der 68-Jährige. "Der hat sich dann bereit erklärt, das unternehmerische Risiko zu übernehmen und mich als eine Art freien Mitarbeiter zu beschäftigen." Seit dem Jahr 2008 hat die Praxis nun wieder geöffnet.

Weniger Patienten als früher

Andrea Peipert ist an diesem sonnigen Spätsommernachmittag gemeinsam mit ihrer 79 Jahre alten Mutter hergekommen. Als die Praxis in Eisemroth geschlossen war, sei der Arztbesuch für die älteren Leute schwierig gewesen. "Bei den anderen Ärzten im Umkreis musste man einen Termin haben. Das ist hier nicht so. Wenn Sprechstunde ist, kommt man auch so dran", sagt Peipert.

Nicht alle seiner Patienten seien zurück zu ihm in die Behandlung gekommen, erzählt Michelbacher. Waren es früher 3000 Patienten, die er pro Quartal versorgte, sind es heute nur noch 1000. "Inzwischen kenne ich auch die Motive. Die trauen meiner Gesundheit nicht", sagt er. Dabei fühle er sich fit. "Die Arbeit bekommt mir gut. Ich weiß jetzt wieder, warum ich morgens aufstehe." Er habe es während der Zeit im Ruhestand mit Briefmarken und Münzen probiert, berichtet er ernst. Nur seine Augen gucken verschmitzt hinter den runden Brillengläsern hervor. Doch die vermeintlichen Hobbys seien vor allem eines gewesen: "Teuer", sagt er und lacht.

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