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Rentenreform: Dass die Ampel nichts tut, wird noch sehr teuer werden


Rentenpläne der Ampel
Nichtstun wird teurer

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 25.01.2022Lesedauer: 3 Min.
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Ein Rentnerpaar füllt Unterlagen aus (Symbolbild): Viele Versprechen und wenige Reformpläne könnten für die Ampel-Regierung zum Problem werden, schreibt Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Rente (Symbolbild): Viele Versprechen und wenige Reformpläne könnten für die Ampelregierung zum Problem werden, schreibt Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: imago-images-bilder)

Die neue Regierung traut sich eine große Rentenreform nicht zu. Der Stillstand wird schon in wenigen Jahren die Handlungsfähigkeit der Politik beschränken – auch in anderen Bereichen.

Kleine Kinder glauben, sie könnten beim Versteckspiel nicht entdeckt werden, wenn sie sich die Augen zuhalten. Die Bundesregierung macht es ähnlich. Auch sie sieht einfach nichts. Bei der nötigen Rentenreform wird es ihr genauso ergehen wie den Kleinkindern: Jemand tippt ihr irgendwann auf die Schulter. Erwischt.

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und Liberalen wird zur Rente nur vermerkt, dass man die gesetzliche Rentenversicherung um einen kapitalgestützten Teil ergänzen will, die Aktienrente. Ansonsten soll alles bleiben wie gehabt: das Rentenniveau bei 48 Prozent, die Beitragssätze nicht höher als 20 Prozent. Mehr wird nicht geregelt.

Damit riskiert die Bundesregierung, dass ihr selbst und ihren Nachfolgern jeglicher Handlungsspielraum in anderen Politikfeldern abhandenkommt. Der Bundeshaushalt wird ab der Mitte dieses Jahrzehnts von den Soziallasten erdrückt – für den Klimaschutz, für Bildung, die digitale Infrastruktur wird nicht viel übrig bleiben.

Rentenversprechen werden die Ampel lähmen

Einer alten, verbrauchten Regierung sieht man es auch nicht nach, wenn sie die großen Projekte nicht mehr anfasst, vor den schwierigsten Problemen kneift. Man wählt sie ab. Doch einer neuen Regierung, die als Narrativ "Mehr Zukunft wagen" ausgerufen hat, muss man diese Mutlosigkeit erst recht vorwerfen.

Schon heute fließt mehr als die Hälfte des Geldes aus dem Bundeshaushalt in den Sozialbereich. Künftig wird es noch viel mehr. Vor allem die Rentenversprechen der Bundesregierung werden dafür sorgen, dass Regierungen am Ende des Jahrzehnts kaum noch eigene Akzente setzen können.

Wir erinnern uns: Das ist der Zeitpunkt, zu dem Deutschland den größten Teil des Ausstiegs aus fossilen Energien bewältigt haben will. Kohle soll nicht mehr verbrannt werden, und nach Möglichkeit sollen auch keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Was digital erledigt werden kann, soll dann digital erledigt werden – vom selbstfahrenden Auto bis hin zum quadratmetergenauen Pflanzenschutz in der Landwirtschaft. 5G an jeder Milchkanne ist ein Schlagwort dafür, 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren ist ein anderes, ein dichtes Netz an Ladestationen ein drittes.

Geld kommt aus dem Steuertopf

All das kostet Milliarden Euro, die weder die Kunden noch die Unternehmen selbst aufbringen wollen. Wer an dieser Vision festhalten will, braucht also Geld. Geld, das zu diesem Zeitpunkt immer noch und immer weiter in die Altersrenten der Babyboomer fließen wird.

Daran werden auch die Zuwanderung, mehr Arbeitsstunden für Teilzeitarbeitende, längere freiwillige Arbeitszeiten oder der geplante höhere Mindestlohn von 12 Euro die Stunde (für den dann auch mehr Beiträge zu den Sozialversicherungen fällig werden) kaum noch etwas ändern.

Wer nicht will, dass die Renten fallen, und auch den Beitragszahlern nicht zu viel zumuten kann, muss den Rest aus dem Steuertopf finanzieren. Dazu kommt noch die Aufgabe, die Altersbezüge armutsfest zu machen, also niedrige Renten so zu bezuschussen, dass sie am Ende zum Leben reichen.

Keiner konnte sich durchsetzen

Klar, die Vorstellungen der drei Koalitionspartner waren so unterschiedlich, dass eine Einigung auf einen Reformpfad von vornherein schwierig war. Sozialdemokraten und Grüne hätten sich gut vorstellen können, die Steuern zu erhöhen, um die gesetzlichen Sozialversicherungen zu finanzieren. Die Liberalen dagegen hatten sich darauf festgelegt, die private Vorsorge für das Alter zu stärken und die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Am Ende wurde aus all diesen Plänen nichts.

Anstatt zu beweisen, dass politisch bisher ungewöhnliche Regierungskoalitionen tatsächlich für einen neuen Anfang stehen, machen die Neuen im Berliner Regierungsviertel genau da weiter, wo die Alten aufgehört haben. Man versichert sich gegenseitig, das Problem zu kennen, es wirklich energisch und mit aller Kraft in den Griff bekommen zu wollen – und geht dann erst mal nach Hause.

Im Gegensatz zu Kleinkindern aber weiß die neue Bundesregierung, dass es nicht reicht, das Gesicht in den Händen zu verbergen. Wenn sie bei dieser Haltung bleibt, wird sie nicht "mehr Zukunft wagen". Sie wird genau diese Zukunft verspielen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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