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Drei Zimmer für eine Million Euro – ist das noch gerechtfertigt?


Drei Zimmer für eine Million Euro – ist das noch gerechtfertigt?


Aktualisiert am 13.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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Blick auf München: Seit Jahren ist die bayrische Landeshauptstadt das teuerste Pflaster Deutschlands.Vergrößern des Bildes
Blick auf München: Seit Jahren ist die bayrische Landeshauptstadt das teuerste Pflaster Deutschlands. (Quelle: Heinz Gebhardt/imago-images-bilder)

Die Immobilienpreise in Deutschland steigen immer weiter, gerade in den Großstädten wird der Traum vom Eigenheim für viele Menschen unerschwinglich. Da scheint sich eine Preisblase zu bilden. Oder?

Tiefe Fenster mit Blick auf das urbane Leben, eine moderne Glasfassade trifft auf altes Backsteingemäuer. Genug Platz für eine kleine Familie bietet die schicke Neubauwohnung mit 80 Quadratmetern ebenfalls, die Wohnküche lädt zu geselligen Abenden mit Freunden ein.

Ist Ihnen das nicht 1,1 Millionen Euro wert? Dann wird es mit dem Eigenerwerb in einer Metropole wie München schwierig – auch gute Lagen in Frankfurt oder Hamburg rücken so schnell in weite Ferne.

Immobilien werden in Deutschland immer teurer. Selbst im Pandemiejahr 2020 kannten die Preise für Eigentumswohnungen und -häuser vor allem in den beliebten Großstädten nur eine Richtung: noch weiter nach oben.

Laut einer aktuellen Erhebung des Portals Immoscout 24 kratzte der Durchschnittspreis für eine Drei-Zimmer-Wohnung etwa im Frankfurter Westend an der Eine-Million-Euro-Grenze. In Hamburg bewegt sich das teuerste Viertel Harvestehude bei einer vergleichbaren Eigentumswohnung inzwischen ebenfalls nur noch knapp unter der Grenze von 900.000 Euro.

Die Bundesbank ist alarmiert

Können solche Preise tatsächlich nur durch Angebot und Nachfrage entstehen, dadurch, dass einfach zu viele Menschen am selben Ort leben wollen? Oder spielt hier doch die Spekulation die entscheidende Rolle – ist hier schon längst eine Preisblase entstanden?

Die Bundesbank jedenfalls zeigte sich zuletzt alarmiert. Zwar nehmen ihre Experten das Wort "Blase" nicht direkt in dem Mund, jedoch sprechen sie in ihrem Februarreport von "markanten Preissteigerungen". Um 15 bis 30 Prozent seien die Immobilien in den deutschen Großstädten demnach zu teuer.

Doch die Einschätzung erntet auch Widerspruch. "Wir sehen überhaupt keine Blasengefahr", sagt etwa Jan Linsin, der bei dem Immobiliendienstleister CBRE die Rechercheabteilung leitet. Und auch Michael Neumann, Vorstand beim Immobilienberater Dr. Klein, betrachtet die Prozentangaben der Bundesbank "mit Vorsicht". Im Gespräch mit t-online sagt er: "Es wird sehr schnell von einer Blase gesprochen, weil es da keine klaren Abgrenzungen gibt."

Die eigenen vier Wände werden durch Corona wichtiger

Fakt ist: Die Immobilienpreise in Deutschland steigen – und zwar rasant. Im vergangenen Jahr erhöhten sich die Preise in Deutschland um durchschnittlich 11 Prozent, heißt es im EPX-Häuserpreisindex der Hypoport AG. Aktuelle Studien des Immobilienberatungsunternehmens JLL zeigen in der Spitze sogar örtliche Sprünge von bis zu 17 Prozent im zweiten Halbjahr 2020 auf. Branchenexperte Michael Neumann sagt dazu: "Fair ist der Preis, der am Markt erzielbar ist."

Tatsächlich scheinen die horrenden Preise die meisten Kaufinteressenten kaum zu stören. Laut Immoscout 24 stieg die Nachfrage nach Eigentumsimmobilien 2020 um 33 Prozent an – trotz, womöglich aber auch wegen aller Unsicherheit durch die Pandemie.

Eine Erklärung laut Axel Schmidt von Immoscout 24: "In der Corona-Krise ist den Menschen ihr Zuhause bewusster und wichtiger geworden. Der Wunsch nach mehr Raum und etwas Grün ist stark gewachsen." Auch die Bundesbank sieht in ihrem Report ähnliche Beweggründe.

Zu viel Zuzug, zu wenig Neubau

Neben diesem eher emotionalen Argument für eine höhere Immobiliennachfrage gibt es aber noch eine Reihe harter Faktoren, die die Preise zu rechtfertigen scheinen. Der wichtigste ist dabei seit Jahren derselbe: In den Städten wird zu wenig gebaut, es gibt zu wenige neue Wohnungen für zu viele Zuzügler. "Dadurch steigen die Miet- und Immobilienpreise und die Menschen ziehen ins günstigere Umland und treiben dort wiederum die Preise an", so Linsin.

So verwundert es nicht, dass sich auch das Umland der Metropolen laut JLL im vergangenen Jahr stark verteuert hat. Neumann sieht hier auch ein Versagen der Politik. "Statt Bauanreize zu schaffen, haben einige Bundesländer sogar die Grunderwerbssteuer erhöht", kritisiert er.

Und noch eine staatliche Maßnahme dürfte den Wunsch nach den eigenen vier Wänden jüngst verstärkt haben – vor allem bei jungen Familien: Das Baukindergeld, das den Hauskauf fördert, ließ sich nur noch bis zum 31. März beantragen.

Niedrige Zinsen machen Immobilien erschwinglich

Ein anderer Faktor ist dagegen weniger im Bewusstsein vieler Menschen, spielt aber eine entscheidende Rolle: Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Zinsen seit Jahren auf historischen Tiefstständen. Das wirkt gleich doppelt preissteigend:

Einerseits wird die Finanzierung des Hauskaufs per Kredit für viele Menschen so erschwinglicher. Andererseits sorgen die Zinsen dafür, dass andere risikoarme Geldanlage wie zum Beispiel Staatsanleihen kaum mehr Erträge erwirtschaften, sodass große Kapitalgeber ihr Geld lieber im Betongold parken.

Besonders der zweite Punkt kam im Corona-Jahr stark zu tragen. Denn nachdem sich die Staaten zur Bekämpfung der Pandemie hoch verschuldet haben, ist unwahrscheinlich, dass die EZB die Zinsen in den nächsten Jahren anheben wird. "In Deutschland herrscht Anlagenotstand", sagt Neumann vom Immobilienberater Dr. Klein.

Investoren treibt die neue Angst vor Inflation

Hinzu kommt die gesteigerte Angst vor der Inflation, ebenfalls ausgelöst durch die EZB: Um die Staaten bei der Krisenbewältigung mit zusätzlichem Geld zu versorgen, druckt die EZB in noch größerem Stil Geld – das, so die Befürchtung, früher oder später den Weg in den Wirtschaftskreislauf finden dürfte. Dort wiederum sorgt es dafür, dass alles teurer und das Geld auf den Konten weniger wert wird.

Die Kapitalanleger lassen sich dabei nicht einmal davon abschrecken, dass die Mieten mittlerweile langsamer steigen als die Kaufpreise – eigentlich ein kaum trügerisches Signal für eine Blasenbildung.

Galt früher noch einmal die Faustregel, dass Käufer ihre Immobilie durch die möglichen Mieteinnahmen spätestens nach 25 Jahren abbezahlt haben sollten, sind es inzwischen häufig mehr als 30 Jahre, zum Teil sogar rund 40 Jahre. Dennoch sagt Gero Gosslar vom Immobilienverband ZIA: "Die Immobilie als Anlageklasse wird auch in Zukunft mangels Alternativen ein interessantes und auch vernünftiges Investment bleiben."

Lockere Kreditvergabe

Für den Selbstnutzer, der nicht nur auf die Kapitalrendite schielt, werden die hohen Preise derweil zum Problem. Kaum jemand kann die geforderten Immobilienpreise ohne Geld von der Bank aufbringen. Mit den höheren Preisen wachsen folglich auch die Kreditsummen, mit der sich die Käufer verschulden.

Manche Banken bieten in Ballungsräumen sogar 110-Prozentfinanzierungen an, wenn der Käufer einen unbefristeten Job hat. Das heißt also: die Finanzierung über den Kaufpreis hinaus, also der Nebenkosten, die beim Kauf oder Bau entstehen.

Im Schnitt seien die Käufer selbst auf Sicherheit und nicht auf Risiko aus, erklärt Neumann. Sie starteten mit mehr Eigenkapital, sicherten sich die historisch niedrigen Zinsen im Schnitt für mehr als zehn Jahre und tilgten einen hohen Prozentsatz, um ihre Immobilien schnell abzubezahlen: "Die deutschen Käufer sind sehr vorsichtig und das macht den deutschen Markt stabil."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Jan Linsen, CBRE
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