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Corona-Krise: Zewa-Hersteller will Preise "um 20 Prozent" erhöhen


Klopapier-Riese warnt
"Was sich hier getan hat, ist nicht mehr normal"


Aktualisiert am 19.12.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Frau kauft Zewa-Toilettenpapier (Symbolbild): Der Hersteller Essity will die Preise drastisch anheben.Vergrößern des Bildes
Eine Frau kauft Zewa-Toilettenpapier (Symbolbild): Der Hersteller Essity will die Preise drastisch anheben. (Quelle: Martin Wagner/imago-images-bilder)

Mit der Corona-Krise verbinden viele Deutsche nicht nur Masken, Impfungen oder Lockdowns. Auch Toilettenpapier spielt eine Rolle im kollektiven Gedächtnis. Nun kündigt der führende Hersteller Essity drastische Preiserhöhungen an.

Des Deutschen liebstes Corona-Gut, das Toilettenpapier, könnte die Bürger wieder in rege Aufregung versetzen. Denn einer der führenden Hersteller von Hygieneprodukten hat drastische Preiserhöhungen angekündigt. Wahrscheinlich ist, dass weitere Produzenten nachziehen.

"Wir als Essity werden die Preise um insgesamt knapp 20 Prozent erhöhen müssen, um die Kostenentwicklung auszugleichen", sagt Volker Zöller, der als "President Consumer Goods" beim Essity-Konzern für Konsumgüter zuständig ist, t-online. Essity führt unter anderem die bekannten Marken Zewa, Tork, Danke und Tempo. "Was sich die letzten Wochen in unserer Branche getan hat, ist nicht mehr normal", so Zöller weiter.

Erst Ende September kündigte Essity Preisanstiege um zehn Prozent an – nicht nur für Toilettenpapier, sondern beispielsweise auch für Küchenrollen und Taschentücher. Bereits im Frühjahr 2021 hob der Hersteller seine Preise an. Nun werden im nächsten Jahr weitere Erhöhungen kommen.

Zellstoffpreise gehen "durch die Decke"

Die gesamte Hygienepapier-Branche steckt in einer nie dagewesenen Krise. Als die Corona-Pandemie über Deutschland hereinbrach, stieg die Nachfrage explosionsartig an – die berüchtigten Hamsterkäufe setzten ein. Auch in anderen Ländern horteten die Menschen die begehrten Rollen.

"Die Industrie ist nicht darauf ausgerichtet, riesige Schwankungen auszugleichen", sagt Zöller. "Wenn der Bedarf 250 Prozent über dem normalen Niveau liegt, kommen selbst wir nicht mehr hinterher." Doch die Nachfrage ging im Sommer 2020 abrupt zurück. Schließlich waren die Kunden gesättigt, der wirkliche Bedarf nur "unwesentlich gestiegen", sagt Zöller. Eben weil die Menschen statt im Büro zu Hause auf Toilette gingen.

Zugleich steigen die Rohstoff- und Energiepreise an – und das bereits seit Monaten. Besonders die Zellstoffpreise seien "durch die Decke gegangen", sagt Zöller, weil das dafür nötige Holz teurer wird. Für die Herstellung von Toilettenpapier und anderen Hygienetüchern benötigt man den Zellstoff, sowohl mit langen als auch mit kurzen Fasern.

Der mit kurzen Fasern sorgt vor allem dafür, dass das Toilettenpapier möglichst weich ist. So liegt der Börsenpreis für eine Tonne Kurzfaser-Zellstoff (BHKP) aktuell bei mehr als 1.100 US-Dollar. So hoch wie noch nie, heißt es.

Und die Aussicht auf die nächsten Monate ist düster, viel spricht dafür, dass sich der Preis dauerhaft auf hohem Niveau einpendeln wird. Ein zusätzliches Problem: Der Zellstoff wird in Dollar gehandelt. Wertet der Euro zur US-Währung ab, wird es für europäische Hersteller beim Import nochmals teurer.

Teure Container setzen der Branche zu

Verstärkt wird der Preisdruck in der Hygienepapier-Branche durch steigende Energiekosten. Die Herstellung von Zellstoff, aber auch von Toilettenpapier ist sehr energieintensiv. Anziehende Strompreise, über die auch viele Verbraucher klagen, schlagen sich laut Zöller hier ebenfalls nieder.

Dazu kämen die Logistikprobleme. Container sind seit Monaten knapp, auch andere Branchen trifft das hart. Allen voran die hiesige Industrie, die auf Mikrochips wartet. "Die Logistikpreise haben sich zum Teil vervierfacht", sagt Zöller. "Das hat die Lage zusätzlich verschärft."

"Diese Dimensionen konnte sich niemand vorstellen"

Auch der Gesamtausblick auf die Kosten für die Branche sei finster. "In den nächsten Monaten wird sich die Lage nicht entspannen. Preiserhöhungen sind daher unausweichlich", sagt er. "Diese Dimensionen konnte sich vor Corona niemand vorstellen." Essity trete daher alsbald mit Großhändlern und Handelsketten in Kontakt, um die Preiserhöhungen durchzusetzen – wenn nicht bereits geschehen.

Die "Lebensmittel Zeitung" (LZ) schrieb jüngst gar, dass sich Essity bereits nicht mehr an einen Liefervertrag mit dem Handelsunternehmen Edeka gebunden fühle – stattdessen während der Laufzeit höhere Preise für die Produkte verlange. Laut "LZ" machen beide Firmen keine konkreten Angaben dazu. Eine Essity-Sprecherin verwies laut Bericht auf ein "sehr herausforderndes" Jahr.

Es könnte zu Pleiten in der Branche kommen

Von Zöller heißt es indes allgemein zu den Gesprächen mit dem Handel: "Mit den meisten Kunden haben wir offene Verträge, da können wir schneller reagieren. Doch auch langfristige Verträge müssen dringend angepasst werden."

Zöller befürchtet aber, dass einige Hersteller den Kostendruck nicht überleben werden, wenn sich die Kosten nicht weitergeben ließen. "Wenn wir uns die aktuellen Margen und die Dramatik der explodierenden Kosten anschauen, könnte es durchaus zu Pleiten in der Branche kommen", so der Essity-Manager. "Das ist eine extrem angespannte Situation."

Wie stark steigen die Kundenpreise?

Was die Preiserhöhungen für den Kunden im Laden bedeuten, lässt sich derweil noch nicht absehen – auch weil hier der Preisdruck deutlich höher ist. "Händler entscheiden selbst, wann und wie stark sie die Preise anpassen", so Essity-Manager Zöller. "Ich gehe davon aus, dass sich die Kostenentwicklung auch in den Regalpreisen widerspiegeln wird."

Gut möglich also, dass Toilettenpapier, Taschen- und Küchentücher bald auch bei Rewe, Lidl und Co. teurer werden. Zurzeit kostet eine Toilettenpapier-Packung mit acht Rollen von Zewa je nach Sorte zwischen 3 und 4 Euro. Angenommen der Preis wird nur um zehn Prozent angehoben, sieg der Preis pro Klopapierpackung um bis zu fast 40 Cent an. Fraglich aber, ob sich die Kosten tatsächlich so deutlich niederschlagen.

Wegen der aktuellen Marktverwerfungen bringen immer mehr Produzenten indes gleitende Preisklauseln in den Verträgen mit dem Handel ins Spiel. Hierbei hängen die Preise in langfristigen Verträgen direkt an den Rohstoff- und Energiekosten – können also kurzfristig angepasst werden.

Bereits im Sommer forderte der deutsche Toilettenpapierriese Wepa gleitende Preise. Auch Essity schließt sich dem an. "Es würde der gesamten Branche helfen, wenn es gleitende Preise geben würde – zumindest für die größten Kostentreiber Energie, Zellstoff und Logistik", so Zöller. Der Handel sträubt sich bislang noch gegen solche Klauseln, heißt es.

Das Phänomen Hamsterkäufe

Bei aller Dramatik ist aber auch klar, dass Hamsterkäufe unnötig sind. Die Warenversorgung sei stets gesichert, beteuert Zöller. Selbst er als Toilettenpapier-Experte hat keine wirkliche Erklärung für die Hamsterkäufe. "Hygiene ist ein Grundbedürfnis des Menschen, Hamsterkäufe sind da schon fast Tiefenpsychologie", sagt er.

Zudem: "Wir sehen nach wie vor Hamsterkäufe, aber nicht mehr in den Ausmaßen wie bisher. Immer wenn die Politik Corona-Einschränkungen verkündet, decken sich die Menschen mit Toilettenpapier ein."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Volker Zöller
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