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Altersvorsorge: Dieses große Risiko bergen Lebensversicherungen


Altersvorsorge
Dieses große Risiko bergen Lebensversicherungen

MeinungEine Kolumne von Gerd Kommer

Aktualisiert am 04.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Ältere Frau am Telefon (Symbolbild): Finanzexperte Gerd Kommer erklärt, warum sich Lebensversicherungen nicht mehr lohnen.Vergrößern des Bildes
Ältere Frau am Telefon (Symbolbild): Finanzexperte Gerd Kommer erklärt, warum sich Lebensversicherungen nicht mehr lohnen. (Quelle: getty-images-bilder)

Fragt man die Statistik, hat jeder deutsche Haushalt zwei Lebensversicherungen. Dabei lohnen sie sich kaum mehr – und bergen ein entscheidendes Risiko.

Statistisch besitzt jeder der 42 Millionen Haushalte in Deutschland zwei kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen, im Finanzjargon auch "KLRVs" abgekürzt. Würde man die vielen Versicherungspolicen, die vor Vertragsablauf – sehr oft mit Verlust – vorzeitig gekündigt werden, mitzählen, wären es noch weit mehr.

Vermutlich ist dieser Typus Versicherung in keinem Land der Welt so verbreitet wie in Deutschland. KLRVs sind hierzulande nach Bankguthaben das häufigste Finanzprodukt innerhalb der Kategorie des sogenannten liquiden Vermögens.

Lebensversicherungen gibt es in zwei Formen

Warum Bankguthaben ein für die langfristige Vermögensbildung ungeeignetes Finanzprodukt sind, haben wir in unserem letzten Beitrag dieser Kolumne gezeigt. Die gleiche Schlussfolgerung gilt leider auch für kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen. Warum das so ist? Ganz einfach:

KLRVs existieren in einer "klassischen" und in einer fondsgebundenen Form. Bei der klassischen, heute eher seltenen Variante werden die Beiträge der Versicherungsnehmer vorwiegend in mittel- und langfristige Anleihen hoher Bonität investiert, die aber nur niedrige Renditen versprechen. Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen sind es fast immer aktiv gemanagte Aktien- und Mischfonds aus Aktien und Anleihen.

Der "ETF-Papst"
Dr. Gerd Kommer ist seit mehr als 20 Jahren Bestsellerautor für Investmentratgeberbücher. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gerd Kommer Capital GmbH, einer digitalen Vermögensverwaltung, bei der Kunden bereits mit kleinen Beträgen starten können, sowie der Gerd Kommer Invest GmbH, einem Honorarberatungsunternehmen. In seiner t-online-Kolumne schreibt er gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Großmann und Daniel Kanzler alle zwei Wochen über sein Spezialgebiet: den langfristigen Vermögensaufbau mit ETFs.

Aus ökonomischer Sicht handelt es sich bei kapitalbildenden Lebensversicherungen um ein sinnloses "Kuppelprodukt" aus einer Risikolebensversicherung für den Todesfall und einem Spar- oder Investmentprodukt für die langfristige Vermögensbildung im "Erlebensfall". Sinnlos deshalb, weil Sie für den Todesfall auch einfach eine Risikolebensversicherung abschließen können – und das zu einem Bruchteil der monatlichen Lebensversicherungsprämie.

KLRVs werfen nur niedrige Renditen ab

Doch es sprechen noch weitere Nachteile gegen eine kapitalgebundene Lebensversicherung:

  • 1. Sie haben unattraktive Renditen.
  • 2. Sie bergen ein Bonitätsrisiko der Versicherungsgesellschaft.
  • 3. Sie sind illiquide, inflexibel und intransparent.

Zu den unattraktiven Renditen brauchen wir nicht mehr viel zu sagen. Diesen Sachverhalt haben Verbraucherschützer und Wirtschaftswissenschaftler in den vergangenen zehn Jahren tausendfach untersucht und bestätigt.

Viele Menschen, womöglich auch Sie selbst, merken das, wenn sie den jeweiligen Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung den über die Jahre hinweg eingezahlten Beiträgen gegenüberstellen. Grund für die unattraktiven Renditen sind letztlich Nebenkosten, die dieses komplexe Finanzprodukt beinhaltet.

Ihnen drohen Einbußen bei finanzielle Problemen der Versicherung

Der zweite, vermutlich noch größere – aber in den Finanzmedien erstaunlich selten thematisierte – Nachteil ist das Risiko, das Sie als Versicherungsnehmer in Bezug auf die Versicherungsgesellschaft tragen. Sollte diese nämlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, ist es möglich, dass der einzelne Versicherungsnehmer daraus finanzielle Einbußen erleidet, zum Beispiel eine nennenswerte Kürzung seines Auszahlungsanspruches.

Hintergrund dafür ist, dass die Gelder, die Sie in eine Lebensversicherung einzahlen, kein "Sondervermögen" bilden, wie es bei Investmentfonds und ETFs der Fall ist. Das wichtige Konzept des Sondervermögens bei Investmentfonds haben wir vor ein paar Wochen in diesem Beitrag erläutert.

Falls die Versicherungsgesellschaft nun in eine finanzielle Schieflage gerät, darf oder muss die Finanzaufsichtsbehörde, die Bafin, die Auszahlungsleistungen an einzelne oder alle Versicherten kürzen, um so das Überleben des Versicherungsunternehmens zu gewährleisten.

Nachteil dieses Risikos wiegt sehr hoch

Von einer strikten, rechtssicheren Trennung des Vermögens der Versicherungsgesellschaft und des Vermögens der Versicherungsnehmer, sprich der Einzahlungen und der Erträge, die damit erzielt wurden, kann also keine Rede sein.

Der Nachteil des Gegenparteirisikos wiegt besonders hoch, weil ein KLRV-Vertrag ja typischerweise über mehrere Jahrzehnte läuft und weil die deutsche Lebensversicherungsbranche ohnehin mit gravierenden Strukturproblemen kämpft, die nahezu sicher in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Solvenzprobleme bei einigen Versicherungsgesellschaften verursachen werden.

Auch der dritte Nachteil der Illiquidität, Inflexibilität und Intransparenz von KLRVs ist offensichtlich. Man kann eine KLRV nicht vorzeitig ohne finanzielle Nachteile zu Cash machen, beispielsweise, wenn Sie eine Immobilie finanzieren möchten oder in eine finanzielle Notlage geraten.

Nachteile überwiegen deutlich

Die zwei Vorteile, die kapitalgedeckte Lebensversicherungen haben, gleichen die oben beschriebenen Nachteile kaum aus. Die steuerlichen Vorzüge, die sie bieten, sind für Policen, die nach 2004 abgeschlossen wurden, inzwischen so gering, dass sie kaum ins Gewicht fallen.

Kapitalbildende Rentenversicherungen – im Unterschied zu den einfacheren Lebensversicherungen – decken das "Langlebigkeitsrisiko" des Versicherten ab, also sein (rein finanzielles) Risiko, sehr alt zu werden, da eine solche Leibrentenversicherung ja bis zum Tode zahlt. Das ist dann und nur dann attraktiv, wenn man überdurchschnittlich alt wird. Diesen Vorzug besitzt ein normales Bankdepot nicht.

Vom Abschluss einer Lebensversicherung ist abzuraten

Leider hat diese Medaille auch ihre Kehrseiten. Die monatliche Rentenzahlung ist entsprechend niedrig, und wenn man vor seiner statistischen Restlebenserwartung stirbt, dann gehen die Erben leer aus. Das ganze Geschäft war dann ökonomisch nachteilig.

Vom Abschluss einer neuen Lebensversicherung ist deshalb in den allermeisten Fällen abzuraten. Die einzige Ausnahme, die ich mir vorstellen kann, könnten fondsgebundene KLRVs auf "Nettotarifbasis" sein, und auch nur dann, wenn das Fondsinvestment preisgünstige ETFs sind.

Bei einer Nettopolice fließen anfänglich und fortlaufend keine oder nur geringe Provisionen an den Vermittler der Police, wenn man diese mit anfallenden Vergütungen bei normalen "Bruttopolicen" vergleicht. Bei einer Nettopolice wird der Vermittler direkt vom Versicherungsnehmer "in Cash" bezahlt – so wie es sein sollte, wenn man die Wahrscheinlichkeit von schlechter Beratung wegen Interessenkonflikten minimieren möchte.

Im nächsten Beitrag in zwei Wochen bewerten wir die Kritik an ETFs, die aus Teilen der interessenkonfliktbehafteten Finanzindustrie zu hören ist.

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