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Robert Habeck | Gasumlage: So will er das Problem lösen


Gasumlage
Wie Habeck die "Aufgabe der Stunde" lösen will


Aktualisiert am 16.08.2022Lesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck zieht mit der geplanten Gasumlage viel Unmut auf sich. Der Minister wirbt um Verständnis für die Maßnahme. (Quelle: IMAGO/Emmanuele Contini)

Die Gasumlage kommt – und sie wird viele Menschen in Bedrängnis bringen. Die Regierung will deshalb weitere Hilfen auf den Weg bringen.

Beschlossen war sie bereits, seit Montag ist klar, wie viel die Gasumlage Unternehmen und Verbraucher in Deutschland kostet: Ab dem 1. Oktober werden pro Kilowattstunde zusätzlich 2,4 Cent fällig. Das teilte der Netzbetreiber Trading Hub Europe mit.

Mit der Gasumlage will der Staat vermeiden, dass Energiekonzerne wie Uniper, die den Rohstoff importieren, langfristig in Schwierigkeiten geraten. Importeure sind seit der Drosselung der Gaslieferungen durch Russland gezwungen, teure Alternativen einzukaufen, um die Lieferverträge mit ihren Kunden einzuhalten. Das Geld aus der Gasumlage soll auch Stadtwerke und andere Versorger unterstützen, die ihren Lieferverpflichtungen angesichts der hohen Gaspreise kaum mehr nachkommen können.

Die Umlage ist in Paragraf 26 des Energie-Sicherungsgesetzes (Ensig) geregelt und soll pro Kilowattstunde unabhängig von Verträgen und Sonderregeln für alle gleich hoch ausfallen. Doch viele Fragen sind dabei noch offen. Eine ganz besonders wichtige: Welche finanziellen Hilfen plant die Regierung für alle, die ihre Gasrechnung gar nicht bezahlen können?

Wie hoch wird die Umlage ausfallen?

Nach Angaben des Gasnetzbetreibers Trading Hub Europe werden pro Kilowattstunde Gas 2,4 Cent extra fällig. Für einen vierköpfigen Durchschnittshaushalt würde dies bei einem Jahresverbrauch von rund 20.000 Kilowattstunden Mehrkosten in Höhe von rund 484 Euro pro Jahr bedeuten. Weitere Beispiel-Rechnungen für verschiedene Haushalte finden Sie hier.

Hinzu kommt nach derzeitigem Stand noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent, sodass unterm Strich 2,8 Cent fällig würden. Unabhängig davon dürften viele Kunden schon jetzt mehr fürs Gas bezahlen, da viele Anbieter die Preise bereits erhöht haben oder unter Einhaltung der Fristen regulär noch anheben wollen.

Insgesamt wird Gas durch die Umlage noch einmal deutlich teurer. Zum Vergleich: Neue Gas-Kunden müssen derzeit etwa 26 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Vor einem Jahr lagen die Kosten noch unter 6 Cent. Etwa die Hälfte der deutschen Haushalte heizt mit Gas. Aber auch viele Industriebetriebe sind auf den Brennstoff angewiesen. Auch sie müssen jetzt mehr fürs Gas zahlen.

Ab wann wird die Gasumlage erhoben?

Laut Verordnung wird die Gasumlage ab Oktober für die Zeit bis zum 1. April 2024 erhoben. Abgerechnet werden soll monatlich. Rechnungen werden Kunden voraussichtlich ab Ende November bekommen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden.

Die Höhe der Umlage ist zunächst für drei Monate berechnet. Sie kann dann alle drei Monate erhöht oder gesenkt werden – je nach Höhe der Beschaffungskosten für Gas. Die erste Änderung könnte also ab Januar greifen.

Wie wird die Umlage berechnet?

Grundlage für die Umlage sind die anfallenden Zusatzkosten, die für die Beschaffung von Gas anfallen, das Russland trotz Lieferverträgen nicht nach Deutschland pumpt. Von dieser Summe sind 90 Prozent durch die Umlage erstattungsfähig. Zehn Prozent der Extrakosten für den Gasersatz müssen die Importeure selbst tragen.

Davon abgezogen werden die Kosten, die aufgrund bestehender, meist langfristiger Einkauf-Verträge ohnehin angefallen wären und die sich in den Kundenverträgen widerspiegeln. Berücksichtigt werden hier als Basis nur Lieferverträge, die vor Mai 2022 geschlossen wurden. Der verbleibende Betrag wird auf alle Kilowattstunden aller Kunden aufgeteilt.

Um Geld aus der Umlage in Anspruch zu nehmen, müssen Firmen einen Antrag beim Unternehmen Trading Hub Europe (THE), dem sogenannten Marktgebietsverantwortlichen im deutschen Gasmarkt, beantragen. Aus allen Meldungen der Gaseinkäufer berechnet THE die genaue Höhe der Umlage und reicht die durchschnittliche Summe an die Energieversorger, also etwa die Stadtwerke, weiter. Diese geben die Kosten an die Endverbraucher weiter. Wirtschaftsprüfer und die Bundesnetzagentur überwachen diesen Prozess.

Logo des THE
Logo des THE (Quelle: www.tradinghub.eu)

Trading Hub Europe (THE)

Das Unternehmen Trading Hub Europe ist ein Zusammenschluss von elf deutschen Ferngasnetzbetreibern. Eigentlich ist THE dafür zuständig, die Stabilität des Gasnetzes sicherzustellen. Mit Beginn der Gaskrise bekam THE von der Bundesnetzagentur die Aufgabe übertragen, Gas zu beschaffen, um die Füllstandziele der Gasspeicher zu erreichen.

Und was ist, wenn ich einen Vertrag mit Festpreis habe?

Dann kommt die Umlage trotzdem auf Sie zu. Das zumindest ist das Ziel der Regierung. Demnach sollen alle Kunden die Umlage zahlen, egal, ob ihr Anbieter Gas aus Russland bezieht – und unabhängig davon, ob sie einen Festpreis haben. Der Grund: Dadurch fällt die Umlage für den Einzelnen geringer aus und jeder beteiligt sich gleichermaßen an den Kosten, die durch den Krieg und seine energiepolitischen Folgen entstehen.

Rechtlich jedoch steht das Gesetz auf wackeligen Füßen, wie selbst aus Regierungskreisen zu hören ist. Ein Grund dafür sind ebenjene Festpreisregelungen und andere spezielle Klauseln, die Schätzungen zufolge bis zu ein Viertel aller Verträge betreffen.

In einem Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klagt der Branchenverband BDEW, dass sich die höheren Preise bei diesen Kunden nicht so schnell durchsetzen ließen. "Die Folge wäre, dass die Unternehmen zwar die Umlage an den Marktgebietsverantwortlichen zahlen müssen, diese aber nicht sofort von den Letztverbrauchern erstattet bekommen." Das wiederum führe zu Liquiditätsengpässen bei den Firmen.

Verschiebung der Umlage gefordert

Offen ist zudem, ob die Millionen Fernwärme-Kunden mit der Umlage belastet werden können, wenn die Wärme mit Gas erzeugt wird. Würden alle diese Gruppen ausgenommen, müssten andere umso mehr zahlen und die Stoßrichtung des Vorhabens liefe ins Leere.

In Berlin wird deshalb erwogen, das Gesetz im Eilverfahren noch im September zu ändern, um damit eine sichere rechtliche Basis für eine Umlage auf alle Kunden zu schaffen. Ob das zu schaffen ist, ist jedoch fraglich – nicht zuletzt, weil die Versorger ihre Kunden per Brief mit sechswöchiger Frist über die angepassten Kosten informieren müssen.

Verbraucherschützer haben deshalb eine spätere Einführung der Gasumlage ins Spiel gebracht: Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), Ramona Pop, kritisierte das Gesetz als "handwerklich schlecht gemachten Schnellschuss" und forderte, die Umlage "mindestens um einen Monat auf den 1. November" zu verschieben.

Was ist mit der Mehrwertsteuer?

Nach einem EU-Beschluss fallen auf die 2,4 Cent Umlage zusätzlich noch 19 Prozent Mehrwertsteuer an. Das wären also 2,8 Cent.

Wirtschaftsminister Habeck und auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich zuvor dafür ausgesprochen, die Umlage von der Mehrwertsteuer zu befreien. Lindners Bitte, die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage ausnahmsweise zu streichen, erteilte die EU-Kommission jedoch eine Absage.

Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte daraufhin an, nach einer Möglichkeit zu suchen, die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer an die Bürger zurückzugeben. Mehr dazu lesen Sie hier.

Und was ist mit der Gasspeicherumlage?

Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll Trading Hub Europe die Kosten ersetzen, die dem Unternehmen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, also für den Einkauf von Gas. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine "relevante Größe" erreichen wird.

Welche Entlastungen plant die Regierung jetzt?

Das ist im Detail noch offen, klar ist allein: Es wird gerade für jene, die die Gasumlage in große finanzielle Schwierigkeiten bringt, staatliche Hilfen geben. Und das dürften nach Ansicht des Ökonomen Sebastian Dullien eine ganze Reihe von Haushalten sein. Im Interview mit t-online warnte er zuletzt: "Viele werden im Winter Probleme haben, ihre Gasrechnung zu bezahlen."

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Idealerweise, so ist aus Regierungskreisen zu hören, steht deshalb ein entsprechendes Entlastungspaket bei Inkrafttreten der Umlage im Herbst. Auch Habeck gestand ein, dass sie bei vielen Bürgern das Fass finanziell zum Überlaufen bringen könnten, "und es darf nicht überlaufen", so Habeck in Berlin. Es sei nun die "Aufgabe der Stunde", diese Menschen zu entlasten.

Die Bundesregierung habe sich schon auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss verständigt. "Ich meine aber, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern."

Mit Blick auf die Mehrwertsteuer (siehe oben) bekräftige Habeck, der Staat solle über die Umlage letztlich keine höheren Steuereinnahmen erzielen. "Wir werden einen Weg finden, um sicherzustellen, dass es da nicht noch zu einer zusätzlichen Belastung kommt."

Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt gesagt, die Regierung werde die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen. Zudem plant Finanzminister Christian Lindner (FPD) steuerliche Entlastungen für rund 48 Millionen Steuerzahler.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, dpa und AFP
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