So gefÀhrlich ist die "Therapie" gegen HomosexualitÀt
Noch immer werden Therapien durchgefĂŒhrt, die sexuelle Neigungen "heilen" sollen. Dabei kann die sogenannte Konversion schwerwiegende Folgen haben.
Mit seinem VorstoĂ fĂŒr ein Verbot von Konversionstherapien hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte Februar auf eine Behandlung aufmerksam gemacht, die fĂŒr Betroffene Ă€uĂerst qualvoll und schmerzfach sein kann: Homosexuelle sollen von ihrer sexuellen Orientierung vermeintlich geheilt werden.
Der Vorschlag ist nicht neu: Schon 2013 wollte die Fraktion BĂŒndnis 90 / Die GrĂŒnen Therapien mit GeldbuĂen ahnden, die die Ănderung der sexuellen Orientierung von MinderjĂ€hrigen zum Ziel hĂ€tten. Anders als in Ecuador, Malta und einigen US-Bundesstaaten kam ein entsprechendes Gesetz in Deutschland aber nie zustande.
Schmerzen und Elektroschocks
Konversions- oder Reparativtherapien haben zum Ziel, meist junge Menschen von ihrer vermeintlich fehlgeleiteten SexualitĂ€t zu "heilen". In der Schwulen- und Queerszene gehen GerĂŒchte um von eiskalten Duschen oder Elektroschocks, die mit Bildern oder Filmen von homosexuellen Praktiken verbunden werden. Ihr Ziel: entsprechende sexuelle Empfindungen mit Schmerz anstelle von Lust verknĂŒpfen.
Als kĂŒrzlich der US-Kinofilm "Der verlorene Sohn" in Berlin vorgestellt wurde, wo einem Jugendlichen von christlichen Fundamentalisten die HomosexualitĂ€t ausgetrieben werden soll, meldete sich anschlieĂend Bastian Melcher zu Wort. Er berichtete von seinen Qualen wĂ€hrend einer Konversionstherapie. Acht Jahre lang habe er sich einer Behandlung seiner HomosexualitĂ€t unterzogen, sagte er. WĂ€hrenddessen bekam er Ălsalbungen und DĂ€monenaustreibungen, zudem besuchte er auf Anraten seines Heilers regelmĂ€Ăig Gottesdienste. Erst ein Besuch beim Christopher Street Day (CSD) beendete seine Angst davor, schwul zu sein, berichtet die taz.
Dreifach höhere Suizidrate
Die mit rund 9.000 Mitgliedern gröĂte hiesige Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft fĂŒr Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), stellt klar: "HomosexualitĂ€t ist weder eine Entwicklungsstörung noch eine Erkrankung. Dennoch werden Homosexuelle heute nach wie vor stigmatisiert."
Internationale Studien wĂŒrden belegen, dass Homosexuelle hĂ€ufiger psychisch erkranken als die Allgemeinbevölkerung. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit homo- oder bisexueller Orientierung bestehe eine dreifach höhere Suizidrate, so die DGPPN weiter. Homosexuelle brauchten keine besonderen Therapieangebote, sondern Therapeuten, die einen wertfreien und geschĂŒtzten Raum bieten.
Andere sexuelle Ausrichtung gewĂŒnscht
Einheitliche Behandlungsmethoden gibt es bei Reparativtherapien nicht, in Deutschland sind sowohl das Thema als auch entsprechende Praktiken wenn auch nicht explizit verboten, so doch weitgehend tabuisiert. Dennoch gibt es sie, glaubt zum Beispiel Lucas Hawrylak, der im vergangenen Jahr mehr als 60.000 Unterschriften gegen Konversionstherapien sammelte.
Eine Möglichkeit, Konversionstherapien unter der Hand durchzufĂŒhren, wĂ€re, wenn Therapeuten die Diagnose ICD-10 F66.1 stellen: Die Erkrankung namens Ichdystone-Sexualorientierung liegt vor, wenn jemandes GeschlechtsidentitĂ€t oder sexuelle Ausrichtung eindeutig ist, die Person aber unter psychischen und Verhaltensstörungen leidet, weil sie es sich anders wĂŒnscht. Transsexualismus fĂ€llt explizit nicht unter die Diagnose ICD-10 F66.1.
Immerhin 115 Behandlungen dieser Diagnose verzeichnete die KassenĂ€rztliche Bundesvereinigung (KBV) im zweiten Quartal 2016. Im ersten Quartal 2011 waren es 144 â die Zahlen blieben also relativ konstant und liegen hochgerechnet schĂ€tzungsweise bei rund 500 Behandlungen im Jahr. Der Missbrauch dieser oder anderer Diagnosen, um Konversionstherapien durchzufĂŒhren, lasse sich aus den Abrechnungsdaten jedoch nicht ĂŒberprĂŒfen, so die KBV.
- VorstoĂ: Minister Spahn will Konversionstherapie verbieten
- Kinofilm: Wenn Eltern dem Sohn das Schwulsein austreiben wollen
- Studie zur HomosexualitÀt: Tausende MÀnner leben heterosexuell
Die ĂuĂerungen Spahns, der Kinofilm und die vermehrte Berichterstattung ĂŒber Konversionstherapien haben diese Behandlungsform ins Licht der Ăffentlichkeit gerĂŒckt. Ob sie nun per Gesetz verboten oder ob ihre Anwendung vom Berufsstand der Psychologen und Psychiater geahndet wird: Die erhöhte Aufmerksamkeit fĂŒhrt vielleicht in Zukunft dazu, dass sie seltener durchgefĂŒhrt wird.