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Gefährliche Therapie gegen Homosexualität


Qual statt Hilfe
So gefährlich ist die "Therapie" gegen Homosexualität


Aktualisiert am 28.02.2019Lesedauer: 3 Min.
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Homosexuelles Paar: Therapien sollen erotische Präferenzen ändernVergrößern des Bildes
Homosexuelles Paar: Therapien sollen erotische Präferenzen ändern (Quelle: shironosov/getty-images-bilder)

Noch immer werden Therapien durchgeführt, die sexuelle Neigungen "heilen" sollen. Dabei kann die sogenannte Konversion schwerwiegende Folgen haben.

Mit seinem Vorstoß für ein Verbot von Konversionstherapien hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte Februar auf eine Behandlung aufmerksam gemacht, die für Betroffene äußerst qualvoll und schmerzfach sein kann: Homosexuelle sollen von ihrer sexuellen Orientierung vermeintlich geheilt werden.

Der Vorschlag ist nicht neu: Schon 2013 wollte die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Therapien mit Geldbußen ahnden, die die Änderung der sexuellen Orientierung von Minderjährigen zum Ziel hätten. Anders als in Ecuador, Malta und einigen US-Bundesstaaten kam ein entsprechendes Gesetz in Deutschland aber nie zustande.

Schmerzen und Elektroschocks

Konversions- oder Reparativtherapien haben zum Ziel, meist junge Menschen von ihrer vermeintlich fehlgeleiteten Sexualität zu "heilen". In der Schwulen- und Queerszene gehen Gerüchte um von eiskalten Duschen oder Elektroschocks, die mit Bildern oder Filmen von homosexuellen Praktiken verbunden werden. Ihr Ziel: entsprechende sexuelle Empfindungen mit Schmerz anstelle von Lust verknüpfen.

Als kürzlich der US-Kinofilm "Der verlorene Sohn" in Berlin vorgestellt wurde, wo einem Jugendlichen von christlichen Fundamentalisten die Homosexualität ausgetrieben werden soll, meldete sich anschließend Bastian Melcher zu Wort. Er berichtete von seinen Qualen während einer Konversionstherapie. Acht Jahre lang habe er sich einer Behandlung seiner Homosexualität unterzogen, sagte er. Währenddessen bekam er Ölsalbungen und Dämonenaustreibungen, zudem besuchte er auf Anraten seines Heilers regelmäßig Gottesdienste. Erst ein Besuch beim Christopher Street Day (CSD) beendete seine Angst davor, schwul zu sein, berichtet die taz.

Dreifach höhere Suizidrate

Die mit rund 9.000 Mitgliedern größte hiesige Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), stellt klar: "Homosexualität ist weder eine Entwicklungsstörung noch eine Erkrankung. Dennoch werden Homosexuelle heute nach wie vor stigmatisiert."

Internationale Studien würden belegen, dass Homosexuelle häufiger psychisch erkranken als die Allgemeinbevölkerung. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit homo- oder bisexueller Orientierung bestehe eine dreifach höhere Suizidrate, so die DGPPN weiter. Homosexuelle brauchten keine besonderen Therapieangebote, sondern Therapeuten, die einen wertfreien und geschützten Raum bieten.

Andere sexuelle Ausrichtung gewünscht

Einheitliche Behandlungsmethoden gibt es bei Reparativtherapien nicht, in Deutschland sind sowohl das Thema als auch entsprechende Praktiken wenn auch nicht explizit verboten, so doch weitgehend tabuisiert. Dennoch gibt es sie, glaubt zum Beispiel Lucas Hawrylak, der im vergangenen Jahr mehr als 60.000 Unterschriften gegen Konversionstherapien sammelte.

Eine Möglichkeit, Konversionstherapien unter der Hand durchzuführen, wäre, wenn Therapeuten die Diagnose ICD-10 F66.1 stellen: Die Erkrankung namens Ichdystone-Sexualorientierung liegt vor, wenn jemandes Geschlechtsidentität oder sexuelle Ausrichtung eindeutig ist, die Person aber unter psychischen und Verhaltensstörungen leidet, weil sie es sich anders wünscht. Transsexualismus fällt explizit nicht unter die Diagnose ICD-10 F66.1.


Immerhin 115 Behandlungen dieser Diagnose verzeichnete die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im zweiten Quartal 2016. Im ersten Quartal 2011 waren es 144 – die Zahlen blieben also relativ konstant und liegen hochgerechnet schätzungsweise bei rund 500 Behandlungen im Jahr. Der Missbrauch dieser oder anderer Diagnosen, um Konversionstherapien durchzuführen, lasse sich aus den Abrechnungsdaten jedoch nicht überprüfen, so die KBV.

Die Äußerungen Spahns, der Kinofilm und die vermehrte Berichterstattung über Konversionstherapien haben diese Behandlungsform ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Ob sie nun per Gesetz verboten oder ob ihre Anwendung vom Berufsstand der Psychologen und Psychiater geahndet wird: Die erhöhte Aufmerksamkeit führt vielleicht in Zukunft dazu, dass sie seltener durchgeführt wird.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Kleine Anfrage Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 18/1133
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