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Außenminister Qin Gang abgesetzt: Warum Chinesen immer wieder verschwinden


Außenminister des Amtes enthoben
Warum bekannte Chinesen immer wieder verschwinden

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 25.07.2023Lesedauer: 3 Min.
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imago images 0247174193Vergrößern des Bildes
Qin Gang: Der verschwundene chinesische Außenminister wurde seines Amtes enthoben. (Quelle: Thomas Trutschel/imago images)

Der chinesische Außenminister Qin Gang ist seit Wochen verschwunden. Jetzt wurde er seines Amtes enthoben. Ähnliche Fälle gab es bereits in der Vergangenheit.

Dass etwas nicht stimmte mit Qin Gang, war schon länger klar. Dafür hatte der chinesische Außenminister, der erst im Dezember 2022 das Amt übernahm, zu viele Termine verpasst. Am 25. Juni wurde der Minister zuletzt mit Vertretern aus Sri Lanka, Vietnam und Russland gesehen. Seitdem war Qin von der Bildfläche verschwunden.

Dabei war der Terminkalender des Ministers eigentlich gut gefüllt: ein Treffen in Indonesien mit mehreren seiner Amtskollegen aus Südostasien, ein Besuch des EU-Außenbeauftragen Josep Borrell in Peking, Treffen mit der US-Finanzministerin Janet Yellen und dem Klimabeauftragen John Kerry oder ein Trip nach Kapstadt zu dem Amtskollegen der sogenannten Brics-Staaten: Brasilien, Russland, Indien und Südafrika.

Alle Termine ließ Qin seither aus – und sorgte damit für reichlich Spekulationen. Zum Vergleich: Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte im selben Zeitraum sieben Länder auf vier Kontinenten bereist.

"So was passiert immer wieder"

Exakt einen Monat nach Qins letztem öffentlichen Termin ist das eingetreten, worüber zuvor schon viele Beobachter spekuliert hatten: Chinesische Medien melden, dass Qin seines Amtes enthoben wurde. Nachfolger wird sein Vorgänger Wang Yi. Genauere Gründe für den Wechsel waren aus Peking zunächst nicht zu hören.

"So was passiert immer wieder im chinesischen Machtapparat", sagt Politikwissenschaftler und China-Experte Eberhard Sandschneider zu Qins Entmachtung. Denn ähnliche Fälle gab es bereits in der Vergangenheit. Warum musste der Außenminister also gehen?

Qins Abwesenheit allein war nicht der einzige Grund, warum viele Beobachter nach kurzer Zeit stutzig wurden: Auch die Kommunikation des chinesischen Außenministeriums hatte sich in Widersprüche verstrickt. Vor dem Treffen der Staatengemeinschaft Asean in Indonesien hieß es noch von einem Sprecher des Ministeriums laut der Nachrichtenagentur Reuters, Qin "könne aus gesundheitlichen Gründen" nicht teilnehmen.

Erst verschwunden, dann verurteilt

Auf der Niederschrift, die das Ministerium zu seinen Presseterminen veröffentlicht, war von der Antwort allerdings nicht mehr zu lesen. Daraufhin wurden alle Fragen zur Situation von Qin damit beantwortet, dass das Ministerium keine Informationen dazu habe. Tatsächlich wird in keinem der Protokolle seit dem 25. Juli der Minister und sein Verschwinden mit nur einem Wort erwähnt.

"Die genauen Umstände werden wir vermutlich nie erfahren", glaubt Eberhard Sandschneider über den Fall Qin. Allerdings können Fälle aus der Vergangenheit Rückschlüsse liefern, was möglicherweise zu der Absetzung des Ministers geführt haben könnte und was als Nächstes passieren könnte.

Dass bekannte Menschen von der Bildfläche verschwinden, ist in China nichts Neues. 2018 verschwand der damalige Interpol-Chef Meng Hongwei bei einer Reise in seiner Heimat. Zwei Jahre später wurde er wegen angeblicher Korruptionsvergehen zu einer Haftstrafe verurteilt.

Tennisspielerin verschwindet

Auch das Verschwinden der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai sorgte in den vergangenen Jahren für Aufsehen. Peng hatte im November 2021 im sozialen Netzwerk Weibo einem hochrangigen chinesischen Politiker sexuellen Missbrauch vorgeworfen. Der Post wurde bald danach gelöscht.

Peng bestritt später, die Vorwürfe erhoben zu haben. Die staatliche Zensur hatte jede Debatte darüber im chinesischen Internet geblockt.

Der Fall sorgte nicht nur in der Tenniswelt für Aufsehen. Peng zeigt sich danach nur noch selten in der Öffentlichkeit und hat mittlerweile ihre Tenniskarriere beendet. Viele Umstände des Falls sind bis heute nicht geklärt. Der Tennisverband WTA hat mehr als eineinhalb Jahre kein Turnier mehr in China ausgerichtet.

Affäre mit Journalistin?

Im Falle von Qin hielt sich zuletzt hartnäckig das Gerücht, dass der verheiratete Politiker eine Affäre mit einer Journalistin gehabt haben soll. Eberhard Sandschneider glaubt dagegen, dass es auch noch andere Gründe geben könnte: "Meistens geht es um interne Machtkämpfe."

Auch dafür gibt es in der chinesischen Vergangenheit Beispiele: 2012 wurde etwa der ehemalige Wirtschaftsminister Bo Xilai abgesetzt. Bo galt zuvor als Konkurrent des heutigen chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Vor seiner Entmachtung soll es Richtungskämpfe gegeben haben. Später wurde Bo zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt – ebenfalls wegen angeblicher Korruptionsvorwürfe.

Dass sich Qin möglicherweise intern aufgelehnt hat, ist durch sein öffentliches Auftreten nicht zu belegen. Der Außenminister galt als ausgesprochen linientreu und als Vertrauter des chinesischen Präsidenten. In seiner Zeit als Botschafter in den USA galt er als "Wolfskrieger", ein Spitzname für chinesische Diplomaten, die die Position ihres Heimatlandes besonders vehement vertreten. Ermittlungen gegen ihn oder weitere Informationen zu seinem Verbleib gibt es vorerst keine.

Ob Affäre, Machtkampf oder mögliche Bestechlichkeit: Der Personalwechsel lässt auch Xi in keinem guten Licht erscheinen. Eberhard Sandschneider glaubt nicht, dass die Personalie Xi in irgendeiner Weise unter Druck setzen könnte. Für ihn gehe es nur darum, dass seine Macht weiter gesichert bleibe. "Von außen betrachtet mag ein solcher Vorfall für Xi unangenehm sein. Seine Macht wird dadurch aber nicht beschädigt sein."

Verwendete Quellen
  • Interview mit Eberhard Sandschneider
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
  • fmprc.gov: "Spokesperson's Remarks" (englisch)
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