"Extreme Bedrohung Europas" Diese Atommächte rücken enger zusammen

Zwei Atommächte wollen koordiniert auf Bedrohungen reagieren. Ein Abkommen zwischen Frankreich und Großbritannien steht vor der Unterzeichnung.
Großbritannien und Frankreich wollen die atomare Abschreckung beider Länder koordinieren. Ein entsprechendes Abkommen soll am Donnerstag unterzeichnet werden, um gemeinsam auf jede "extreme Bedrohung Europas" zu reagieren. Mit dem Abkommen werde zum ersten Mal bestätigt, "dass die Abschreckungsmittel beider Länder unter nationaler Kontrolle unabhängig sind, aber koordiniert werden können", teilten das britische Verteidigungsministerium und die französische Präsidentschaft in der Nacht zum Donnerstag in einer Erklärung mit.
Das Abkommen soll den Angaben zufolge am Donnerstag bei einem Treffen zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer in London unterzeichnet werden.
Macron hält sich derzeit zu einem Staatsbesuch in Großbritannien auf. Es ist der erste Staatsbesuch eines europäischen Staatschefs dort seit dem Brexit. An dem Treffen am Donnerstag sollen auch Minister beider Seiten teilnehmen. Im Vorfeld der Gespräche hatten beide Staaten angekündigt, ihre Beziehungen im Bereich Verteidigung "aufzufrischen".
"Als enge Partner und Nato-Verbündete blicken Großbritannien und Frankreich auf eine lange Geschichte der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zurück, und die heutigen Vereinbarungen heben unsere Partnerschaft auf eine neue Ebene", sagte Starmer laut der Erklärung.
Atomwaffen auf Booten und an Flugzeugen
Frankreich verfügt heute über zwei Trägersysteme für seine Atomwaffen: U-Boote mit ballistischen Raketen sowie Rafale-Kampfjets, die mit luftgestützten Marschflugkörpern bestückt werden können. Bodenstationierte Raketen, die direkt vom Festland aus gestartet werden, hat Frankreich bereits in den 1990er-Jahren abgeschafft. Insgesamt soll Frankreich 290 Atomsprengköpfe besitzen. Großbritannien hat ausschließlich seegestützte Atomwaffen, etwa 225 an der Zahl.
Auch USA haben Atomwaffen in Europa
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den Drohungen Moskaus gegen Europa gibt es Diskussionen um einen europäischen atomaren Schutzschirm. Bislang verfügen Frankreich und Großbritannien über eigene Atomwaffen. Die USA haben unter anderem in Deutschland Atomraketen stationiert.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht allerdings derzeit keinen Anlass für konkrete Diskussionen über einen eigenständigen europäischen Atomschutzschirm. Er sei überzeugt, "dass wir alles tun sollten, um auch für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, die nukleare Teilhabe mit den Vereinigten Staaten von Amerika aufrechtzuerhalten", sagte Merz am Dienstag nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Regierungschef Luc Frieden in Berlin.
Merz will mit Frankreich "in Ruhe" sprechen
Er sei offen für Diskussionen mit den europäischen Partnern darüber, wie ein eigenständiger atomarer Schutz für Europa langfristig organisiert werden könne. Bisher habe er aber lediglich das Angebot der französischen Regierung angenommen, "hierüber einmal in Ruhe" zu sprechen.
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte sich Ende Juni für den unmittelbaren Zugriff Deutschlands auf Atomwaffen ausgesprochen. "Die russische Aggression ist eine ganz neue Bedrohungslage", sagte Spahn der "Welt am Sonntag". In Deutschland stationierte US-Atombomben reichten da zur Abschreckung nicht mehr aus. Von den Linken sowie vom Koalitionspartner SPD gab es daran scharfe Kritik.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- twz.com: "France To Expand Its Nuclear Deterrent With New Air Base" (englisch)
- fas.org: "French Nuclear Weapons, 2023" (englisch)
- nuclearinfo.org: "Facts about Trident" (englisch)
- thebulletin.org: "United Kingdom nuclear weapons, 2024" (englisch, kostenpflichtig)