"Historisches" Abkommen mit der Ukraine Wie der Deal die USA tiefer in den Konflikt zieht

Wolodymyr Selenskyj spricht offen vom "Vatikan-Abkommen". Die Ukraine und die USA haben sich auf einen Rohstoffdeal geeinigt. Warum der Vertrag so wichtig ist.
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Nach langen Beratungen haben die Vereinigten Staaten und die Ukraine das Rohstoffabkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Zwar erfolgte die Unterschrift in Washington, doch die entscheidenden Schritte zu dem Pakt erfolgten in Europa. "In der Tat. Es handelt sich um ein Vatikan-Abkommen", zitiert die "Financial Times" den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Mit dem Rohstoffabkommen räumt die Ukraine den USA Zugang zu wertvollen Bodenschätzen ein, um die Supermacht als Verbündeten gegen die russische Aggression zu halten. US-Finanzminister Scott Bessent bezeichnete das Abkommen als "historisch". Selenskyj erklärte: "Nun ist es ein wirklich gerechtes Abkommen, das eine Chance für ziemlich bedeutende Investitionen in der Ukraine schafft."
Die Vorgeschichte
Der Weg zur Übereinkunft war holprig – und das konnte die ganze Welt mitverfolgen. US-Präsident Donald Trump hatte Selenskyj Ende Februar in einer Pressekonferenz vor laufenden Kameras wegen des angestrebten Abkommens attackiert, der ukrainische Präsident hatte daraufhin das Treffen verlassen.
Die Idee für das Abkommen war im vergangenen Jahr vom republikanischen Senator Lindsey Graham aufgebracht und von Selenskyj aufgegriffen worden. Die Überlegung: Die USA erhalten Zugang zu wichtigen Rohstoffen in der Ukraine, im Gegenzug sichern sie dem Land weitere militärische Unterstützung im Krieg gegen die russische Invasionsarmee zu.
Trump hatte unmittelbar nach Amtsantritt zu Jahresbeginn die weitere militärische Unterstützung für die USA angezweifelt und die Summe für die bisherige Waffenhilfe auf rund 500 Milliarden Dollar taxiert. Eine Zahl, die von den USA angezweifelt wurde. Bald kam es im Weißen Haus zum Eklat.
Die Wende kam in Rom. Am Rande der Beisetzung für Papst Franziskus am 26. April in Rom fanden Trump und Selenskyj dann bei einem kurzen Gespräch im Petersdom eine neue Basis. Die finalen Verhandlungen für das Abkommen konnten beginnen.
Die Inhalte
In Washington wurde das Abkommen am 1. Mai unterzeichnet. Selenskyj versprach, das ukrainische Parlament werde dem Vertrag rasch zustimmen. Das Institute for the Study of War (ISW), eine US-Forschungseinrichtung, beleuchtete nähere Details. Der Vertrag beinhaltet demnach:
- Gemeinsamer Fonds: Die USA und die Ukraine zahlen zu gleichen Teilen in einen gemeinsamen Fonds ein, um Entwicklungs-, Infrastruktur- und Rohstoffprojekte in der Ukraine zu finanzieren. Von ukrainischer Seite hieß es, das Land behalte die volle Kontrolle über "Boden, Infrastruktur und natürliche Ressourcen" sowie das Recht, die Nutzungsbedingungen der eigenen Bodenschätze zu bestimmen. Die Ukraine werde die Hälfte ihrer Rohstoff-Einnahmen dem Fonds zuführen. Selenskyj: "Es wird ein Fonds – ein Wiederaufbaufonds – eingerichtet, der in die Ukraine investieren und hier Geld verdienen wird."
- Zugang zu Rohstoffen: Die Ukraine verfügt über wichtige Rohstoffe, wie etwa 3 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen. Das Metall ist ein wichtiger Bestandteil von Batterien, etwa in E-Autos. Zudem lagern große Grafit-Vorkommen in dem Land, ein entscheidender Ausgangsstoff für die Chip-Industrie. Im ukrainischen Boden liegen zudem rund 6 Prozent der globalen Titan-Ressourcen, ein wichtiges Metall für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Allein in einem F-35-Kampfjet stecken nach Angaben des Fachmagazins mining.com rund 460 Kilogramm Seltene Erden.
- Sicherheitszusagen: In den US-Bemühungen um eine dauerhafte Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine dringt die ukrainische Seite auf Beistandsgarantien. Eine offizielle Sicherheitsklausel findet sich in dem Vertrag nicht. Doch ist im Umfeld von einer erweiterten Sicherheitsgarantie die Rede. US-Finanzminister Scott Bessent erläuterte bei Fox News, dass das Abkommen ein "starkes Signal" an Russland sei, dass es zwischen den USA und der Ukraine "keinen Unterschied" gebe. So deutlich war das bislang nicht zu hören.
Die Bedeutung des Abkommens
Von einer "Win-win-Situation" spricht Martin Blum, Professor für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Präsident des Deutschen-Lithium-Instituts. Dem Schweizer Sender SRF sagte Blum: "Die USA zeigen mit dem Abkommen ein langfristiges wirtschaftliches Interesse an der Ukraine – nicht nur ein politisches. Das stärkt die Ukraine strategisch: Sollte Russland gezielt Rohstoffinfrastruktur angreifen, hätte es ein Problem mit den USA. Das wirkt abschreckend und signalisiert Rückhalt."
Die USA verfolgen in der Ukraine also künftig ein strategisches und ökonomisches Interesse. Selbst, wenn das Abkommen also keine direkte militärische Zusicherung für die Ukraine erhält, rückt das Land mit dem Deal näher an den Schutzschirm der USA. Auch die Tonlage in den USA ändert sich. So ist in einer Mitteilung des US-Finanzministeriums ausdrücklich von Russlands "umfassender Invasion" die Rede. Bislang sprach die Trump-Administration bevorzugt von "Konflikt".
Die USA wiederum erhalten Zugang zu kritischen Rohstoffen, wichtig auch im Handelskonflikt mit China, das derzeit noch einen Großteil der Seltenen Erden aufarbeitet und im Streit über die US-Zölle die Ausfuhr an die amerikanische Wirtschaft gestoppt hat.
Und besonders wichtig für den auf Außenwirkung bedachten Donald Trump. Der US-Präsident kommt seinem Vorhaben eines Waffenstillstands zwischen der Ukraine und Russland näher. Bessent sagte, das Abkommen zeige die Verpflichtung beider Seiten für einen dauerhaften Frieden und Wohlstand in der Ukraine.
Es bewegt sich was in der Ukraine. Nun richten sich die Blicke auf Trumps großes Ziel einer Waffenruhe. Der Mann liebt nicht nur den Deal, sondern auch den großen Auftritt.
- understandingwar.org : "Russian Offensive Campaign Assessment, May 1, 2025"
- srf.ch: "Der Deal kann sich zu einer Win-Win-Situation entwickeln"
- ft.com: "How Volodymyr Zelenskyy lured Donald Trump with Ukraine’s minerals"
- mining.com: "US fighter jets and missiles are in rare-earth firing line"