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China und Japan: Der neue-alte Konflikt im Pazifikraum


Tokio rüstet auf
Japan und China – Muskelspiele der alten Feinde

Von Helena Serbent und David Ruch

18.12.2018Lesedauer: 5 Min.
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Machtanspruch im Pazifikhimmel: Ein japanischer F-2A Fighter bei einem Flug nahe der Tsuiki Air Base.Vergrößern des Bildes
Machtanspruch im Pazifikhimmel: Ein japanischer F-2A Fighter bei einem Flug nahe der Tsuiki Air Base. (Quelle: imago-images-bilder)

Wirtschaft, Historie, territoriale Ansprüche: Der Konflikt zwischen den großen Wirtschaftsmächten Japan und China ist alt. Aktuell kocht er wieder hoch.

Im April diesen Jahres war Chinas erster selbst gebauter Flugzeugträger zu ersten Seetests ausgelaufen. Seine Daten beeindrucken: 315 Meter Länge, 75 Meter Breite, geschätzt 70.000 Tonnen Wasserverdrängung und Platz für bis zu 40 Maschinen. Nach Abschluss der Tests soll das Schiff voraussichtlich im Jahr 2020 in Dienst gestellt werden.

Den Nachbarn in der Region bereitet Chinas wachsende militärische Macht zunehmend Sorgen. Als wohl deutlichste Reaktion kündigte Japan nun an, sich erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg einen eigenen Flugzeugträger zulegen zu wollen. Längst drückt die neue Rüstungsdynamik auf das politische Klima im asiatisch-pazifischen Raum. Spitzt sich die Situation weiter zu, wird das auch Deutschland zu spüren bekommen.

Japan: Regierung will massive Luftaufrüstung

Laut einer Ankündigung des Kabinetts von Ministerpräsident Shinzo Abe will Japan einen Zerstörer, der bisher nur für den Transport von Helikoptern ausgelegt war, zum Flugzeugträger umbauen. Weiter sehen die neuen Verteidigungsrichtlinien die Anschaffung Dutzender Kampfflugzeuge aus den USA vor. Der Träger soll nach der Fertigstellung einmal bis zu 42 US-Jets vom Typ F-35B aufnehmen können.

Tokio begründet seine militärischen Muskelspiele mit Sorgen wegen Pekings Aktivitäten im Ostchinesischen Meer und anderen Gewässern. Der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider, China- und Ostasien-Experte an der Freien Universität Berlin, sieht darin ebenfalls eine Reaktion auf den absehbaren Aufstieg Chinas. "Es ist eigentlich ganz normal und nachvollziehbar, dass Peking nach 40 Jahren Reformpolitik und Wachstum irgendwann auch außen- und militärpolitische Ansprüche erhebt", so Sandschneider. "Das Land ist mittlerweile im Besitz eines Flugzeugträgers, sechs weitere sollen hinzukommen. Es schickt Raketen in den Weltraum und verfügt über mit die größten Fähigkeiten auf dem Gebiet der Cyberkriegsführung. Natürlich beobachten das die Nachbarn und versuchen, sich militärisch zu wappnen."

Zwei Länder – eine blutige Geschichte

Die Beziehungen von Japan und China sind historisch vorbelastet. Bei zwei Kriegen ging der Angriff vom Kaiserreich Japan aus. Im ersten japanisch-chinesischen Krieg von 1894 bis 1895 kämpften beide Staaten um die Vorherrschaft in Korea. Japan behielt in dem Konflikt die Oberhand und bekam Taiwan zugesprochen.

Im zweiten japanisch-chinesischen Krieg von 1937 bis 1945 rückten die Japaner in China ein, nachdem es beim Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke zwischen chinesischen und japanischen Soldaten zu einem Feuergefecht kam. Die kaiserliche Armee beging während der Besetzung Chinas schwere Kriegsverbrechen. In Nanjing kam es zu einem Massaker, bei dem nach Schätzungen bis zu 300.000 Einwohner ermordet wurden.

Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Habour traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein und bekämpften gemeinsam mit China die kaiserlichen Truppen. Der Krieg endete mit Japans vernichtender Niederlage und der Kapitulation gegenüber den USA. In ihrer Nachkriegsverfassung mussten die Japaner in Artikel 9 ihren Verzicht auf kriegerische Maßnahmen erklären, abgesehen von der Selbstverteidigung.

Kritiker der Regierung in Japan sehen in der heutigen Aufrüstungsankündigung diesen Passus verletzt. Die neue Verteidigungsrichtlinie, die auch den Erwerb taktischer Marschflugkörper vorsieht, breche mit der pazifistischen Nachkriegsordnung. Sandschneider jedoch weist darauf hin, dass der Artikel 9 schon länger nur noch auf dem Papier existierte. "Längst hat Tokio aus seinen Selbstverteidigungsstreitkräften eine schlagkräftige Armee gemacht."

Frieden, aber keine Freunde

Erst seit 1972 unterhalten Japan und China wieder diplomatische Beziehungen. Seit 1978 gibt es einen Friedensvertrag zwischen beiden Ländern. China hat einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Das streben auch die Japaner an, während sich China quer stellte.

Die beiden ehemaligen Kriegsgegner haben nach dem Zweiten Weltkrieg ein extremes Wirtschaftswachstum hingelegt. Allerdings in unterschiedlichen Phasen: Japans Wirtschaft gewann bereits in den 50er- und 60er-Jahren wieder stark an Kraft, während China ab den 80ern erst auf- und dann überholte. 2017 lag das Reich der Mitte auf Platz zwei der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt, hinter den USA und vor den drittplatzierten Japanern. Die beiden Länder sind damit auch wirtschaftlich die größten Konkurrenten im asiatischen Raum.

Territoriale Streitigkeiten zwischen Japan und China gibt es bis heute: Im Ostchinesischen Meer erheben beide Anspruch auf die unbewohnten Senkaku-Inseln. Das Gebiet um die Inseln ist reich an Bodenschätzen. Die Hoheit über die Senkakus gilt auch als Zeichen der Vorherrschaft im asiatischen Raum.

Positionen im Pazifikstreit

Den Streit zwischen Peking und Tokio dürften die Pazifikanrainer Russland und USA mit großem Interesse beobachten. Der Kreml hat mittlerweile angekündigt, seine Präsenz in der Region verstärken zu wollen. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau am Montag mitteilte, seien auf der Inselkette der Kurilen, um die sich Russland und Japan streiten, bereits neue Kasernen gebaut worden. Nun sollten noch Hallen für gepanzerte Fahrzeuge errichtet werden.

Gleichzeitig aber bleibt Russlands sicherheitspolitischer Fokus auf dem Westen. Sandschneider betont, dass Moskau kein großer Spieler in der Pazifikregion sei. "Aber die chinesischen Aktivitäten in der Arktis, wo Peking Ansprüche auf die Ausbeutung von Ressourcen erhebt, betreffen Moskau natürlich direkt", so der Politikwissenschaftler.

Trump spielt eine Rolle, aber keine große

Die Beziehungen der USA im Pazifikraum sind ambivalent. Einerseits hat Trump in Premier Abe einen wichtigen Verbündeten in der Region, andererseits konnte Washington die Wogen im schwelenden Handelskonflikt mit China zuletzt wieder glätten. Schuld an der aktuellen Aufrüstungsdynamik im Westpazifik tragen die USA laut Sandschneider nicht. Allerdings: "Dass die zahlreichen US-Militärbasen in der Region aus Sicht der chinesischen Machtansprüche einen Faktor darstellen, liegt auf der Hand. Nur hat das mehr mit der Politik von Trumps Vorgängern zu tun“, so der Ostasienexperte.

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Und Nordkorea? Nach dem historischen Gipfel an der koreanischen Demarkationslinie ist es ruhiger geworden um Machthaber Kim Jong Un. Sandschneider weist aber auf Berichte hin, wonach Pjöngjang sein militärisches Nuklearprogramm weiter voran treibt. "Donald Trump scheint nach dem Treffen mit Kim Jong Un ruhiggestellt und lässt sich für den diplomatischen Erfolg feiern."

Wirtschaftliche Konsequenzen – auch für Deutschland

Weit größer scheint die Gefahr, dass die Spannungen zwischen China und Japan den Welthandel belasten. "Die Frage, wie etwa die USA und China mit den Risiken im Ost- und Südchinesischen Meer umgehen, wirkt unmittelbar auf die Weltkonjunktur", erläutert Sandschneider. "Durch die Gewässer verlaufen einige der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Wachsende Spannungen können das Investitionsklima belasten und den Warenaustausch empfindlich schwächen."


Auch Europa – und damit Deutschland – würde dann die Auswirkungen zu spüren bekommen. "Unsere Wirtschaft ist nun einmal sehr vom Export abhängig", so Sandschneider. "Im Konfliktfall wäre die Bundesregierung in einem Dilemma, China ist schließlich inzwischen wichtigster Außenhandelspartner Deutschlands.“

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