Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Esken bekommt keinen Ministerposten Das wird sich rächen

Das Minister-Portfolio der SPD steht fest, und Saskia Esken geht dabei leer aus. Ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil dagegen wird Vizekanzler und Finanzminister. Ist das unfair?
Sie hat bis zuletzt keinen Hehl daraus gemacht, dass sie sich für die SPD am Kabinettstisch der schwarz-roten Bundesregierung sieht. Aber: Saskia Esken wird keinen Ministerposten erhalten.
Das kann man wenig überraschend finden, denn vor allem für ihre öffentlichen Auftritte war sie parteiintern kritisiert worden. Auch ihr Direktmandat hatte sie im Februar bei der Bundestagswahl erneut verloren. Andererseits hat sie als Parteilinke durchaus Unterstützer in der SPD. Es stellt sich also die Frage:
Ist es richtig, dass Saskia Esken der schwarz-roten Bundesregierung in keiner Funktion angehören wird?

Ja. Sie ist das Problem, nicht die Lösung
Als Saskia Esken vor sechs Jahren Parteivorsitzende der SPD wurde und sie keiner so richtig kannte, musste sie sich bei "Anne Will" die Frage gefallen lassen, was sie ihrer Meinung nach an Voraussetzungen mitbringe, um diesem Amt und dieser Führungsaufgabe gewachsen zu sein. Sie sei einige Jahre stellvertretende Vorsitzende eines Landeselternbeirats gewesen, entgegnete sie allen Ernstes. Auf Strecke hat sich gezeigt, was man damals schon ahnen konnte: Das reicht dann doch nicht ganz hin.
Nachdem ihr ursprünglicher Prinzgemahl des neuen Führungsduos, Norbert Walter-Borjans, beiseitegetreten war und Lars Klingbeil aufrückte, war schnell klar, dass es unter zwei formal Gleichen einen Gleicheren geben würde. Klingbeil verfügt über das sanfte Machtbewusstsein einer Planierraupe, deren Walze mit einem Flokati umwickelt ist, aber die Dinge dennoch glatt streicht. Er war es auch als einziger, wie t-online und "Tagesspiegel" im Herbst enthüllten, der Olaf Scholz beizubiegen versuchte, besser nicht noch einmal anzutreten.
Die Arbeitsteilung der beiden war wie folgt: Klingbeil bestellte das Haus, und Esken irrlichterte durch die Talkshows. Bis in ihrer eigenen Partei Stimmen laut wurden, ihr das zu untersagen. Weil ihre Auftritte dort wie Senkblei für die SPD wirkten. Daher ist es auch nur formal richtig, zu sagen, dass beide gleichermaßen für das katastrophale Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl verantwortlich seien. Der Anteil von Saskia Esken ist definitiv höher. Für ein Erstarken der Sozialdemokratie ist es richtig und wichtig, dass sie nicht nur keinen Ministerposten erhält, sondern demnächst auch als Parteivorsitzende abgelöst wird. Weil zugleich Hubertus Heil, von vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Schutzpatron der Arbeitsscheuen wahrgenommen, von Klingbeil beiseite geschubst wurde, könnten der Sozialdemokratie tatsächlich wieder bessere Zeiten ins Haus stehen.

Nein, Esken ist ein Bauernopfer
Für den historischen Absturz bei der Bundestagswahl auf 16,7 Prozent muss jemand Verantwortung übernehmen. Aber wer?
Die preiswerte Antwort auf diese Frage ist: Saskia Esken. Die Co-Vorsitzende der ehemaligen Volkspartei (die Älteren werden sich erinnern) ist das Gesicht der Niederlage, ihr Pendant Lars Klingbeil wird als Vizekanzler und Finanzminister Sinnbild des Neuaufbruchs. Da darf man schon fragen: warum eigentlich der und nicht sie?
Dass Olaf Scholz dem fatalen Irrglauben erlegen ist, er könne das Ruder für die SPD beim Wahlgang noch einmal herumreißen, ist Klingbeil ebenso anzukreiden wie Saskia Esken. Dass die Linkspartei neben der SPD fulminant wiederauferstehen konnte, hat auch Klingbeil nicht zu verhindern gewusst.
Warum Esken nun von der eigenen Partei bei der Vergabe der Ministerposten die kalte Schulter gezeigt bekommt, während Klingbeil die Karriereleiter hinauf stolpert, hat noch kein Sozialdemokrat schlüssig erklärt. Es müffelt unangenehm nach Hinterzimmer, wenn Esken jetzt vor den Bus geworfen wird, wie man so unschön umgangssprachlich sagt.
Dieses Bauernopfer wird sich rächen. Auch für Klingbeil. Es war Esken, die in der Vergangenheit die notorisch zankenden Parteiflügel der SPD im Zaum gehalten hat. In einer künftigen Koalition hätte sie als Parteilinke der sich nach Arbeiterflair sehnenden Basis das Gefühl vermitteln können, sie sei mehr als nur der Zustimmungsverein eines Juniorpartners in einer unionsgeführten Koalition. Und sie – die Streitbare – hätte den Konservativen, die Friedrich Merz mit in die Regierung bringt, weit mehr entgegenzusetzen gehabt als der konziliante Klingbeil. Unter dessen Führung kann Merz die altehrwürdige SPD nun leicht zu einer "CDU light" zusammenquetschen. Wie das enden kann, könnte sich Klingbeil jetzt schon anschauen – am Beispiel der FDP.
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