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Iran-Konflikt: So erlebt Israel den Konflikt zwischen den USA und dem Iran


Israel im Iran-Konflikt
"Mein Bunkerzimmer ist immer bereit"

Von Mareike Enghusen, Tel Aviv

08.01.2020Lesedauer: 4 Min.
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Israelische Soldaten sitzen auf einem artilleriegepanzerten Fahrzeug: Trotz der Drohungen des Irans ist die Stimmung im Land nur wenig angespannt.Vergrößern des Bildes
Israelische Soldaten sitzen auf einem artilleriegepanzerten Fahrzeug: Trotz der Drohungen des Irans ist die Stimmung im Land nur wenig angespannt. (Quelle: dpa-bilder)

Zwar stehen die Zeichen auf Deeskalation, sollte es trotzdem noch zu einem Krieg zwischen Iran und den USA kommen, ist auch Israel bedroht. So ist die Stimmung im Land, das den Iran zum Erzfeind hat.

Kein Mensch wagte sich an diesem Mittwochnachmittag in eins der sonst so belebten Straßencafés Tel Avivs – doch das lag nicht etwa an der Furcht vor iranischen Raketen, sondern vielmehr an dem strömenden Regen, der seit Tagen auf die Stadt niedergeht und ihre Straßen unter Wasser setzt.

Das Wetter nimmt in lokalen Nachrichten und Alltagsgesprächen mindestens so viel Raum ein wie die regionale Sicherheitslage. Fünf Tage, nachdem US-Präsident Donald Trump den iranischen General Ghassem Soleimani in Bagdad per Drohne töten ließ, ist von den regionalen Spannungen in Israel wenig zu spüren – trotz der Drohungen, die iranische Offizielle in Richtung Israels ausgesandt haben.

"Wir sehen das zionistische Regime in keiner Weise getrennt von dem kriminellen US-Regime, was diese Verbrechen betrifft", heißt es in einem Statement, das die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) kurz nach ihrem Vergeltungsschlag auf US-Kräfte im Irak veröffentlichten. Tage zuvor hatte ein General laut der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim gewarnt: "Wir können auch Tel Aviv erreichen."

Vorsorglich erhöhten die israelischen Streitkräfte, die IDF, die Einsatzbereitschaft ihrer Truppen nahe der Landesgrenzen, und am Sonntag tagte das Sicherheitskabinett der Regierung. Doch die Militärs gaben Entwarnung: Die Wahrscheinlichkeit, Iran könnte den Anschlag auf Soleimani mit Schlägen gegen Israel vergelten, sei gering. "Ich glaube nicht, dass der Iran so etwas plant", meint auch Meir Litvak, Nahost- und Iran-Experte von der Universität Tel Aviv. "Während eines Konflikts mit den USA ist es nicht in seinem Interesse, Öl ins Feuer zu gießen und eine zweite Front gegen Israel zu eröffnen."


Ghassem Soleimani hatte die Quds-Brigaden angeführt, jene Einheit, die für Operationen im Ausland zuständig ist. Sie gelten als Drahtzieher etlicher Terroranschläge, darunter auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994 mit 85 Opfern. Einige israelische Kommentatoren warnten nach der Tötung Soleimanis vor einer möglichen Eskalation, die meisten Politiker und Analysten begrüßten die US-Attacke jedoch. "Soleimani war verantwortlich für den Tod ungezählter unschuldiger Menschen", sagte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. "Präsident Trump verdient Gratulationen für sein schnelles, mutiges und entschiedenes Handeln gegen diesen führenden Terroristen."

Israel – oder das "zionistische Regime", wie das Land im offiziellen iranischen Duktus heißt – gilt gemeinsam mit den USA als Erzfeind der Islamischen Republik. Israel wiederum sieht im Iran und seinen regionalen Verbündeten die größte Bedrohung seiner nationalen Sicherheit. Der Iran unterstützt sowohl die schiitische Hisbollah im Libanon als auch die islamistischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Jihad in Gaza finanziell und militärisch. Manche Beobachter spekulieren, dass der Iran die Hisbollah mit ihren geschätzt 130.000 Raketen anweisen könnte, israelische Städte unter Beschuss zu nehmen, um die Tötung Soleimanis zu rächen. Meir Litvak hält das jedoch für unwahrscheinlich. "Die Hisbollah hat derzeit kein Interesse an einem Krieg mit Israel", meint er.

"Hoffen wir, dass es nur Machtkämpfe sind"

Im Norden Israels, den die Hisbollah während vergangener Konflikte mit Raketen beschoss, werden die Nachrichten aufmerksam, aber nicht panisch verfolgt. "Es wird viel geredet und spekuliert", erzählt die 51-jährige Sally Ido, die in der Kleinstadt Maalot unweit der libanesischen Grenze lebt. "Aber die Leute leben ihr Leben wie gewohnt. Man ist in Habachtstellung – aber ist man das hier nicht immer? Mein Bunkerzimmer ist immer bereit, komme was wolle. Hoffen wir, dass das Ganze nur Machtkämpfe zwischen Politikern sind."

Nachdem der Iran in der vergangenen Nacht Raketen auf US-Truppen im Irak abgeschossen hatte, häuften sich heute Berichte über eine weitere Drohung von Seiten Irans gen Israel: Sollten die USA sich für die Attacke rächen, würden iranische Kräfte Dubai sowie die nordisraelische Küstenstadt Haifa unter Beschuss nehmen.

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Obwohl sich die Verlässlichkeit der Quelle schwer prüfen lässt, fand die Drohung ein breites Echo: Das französische Außenministerium veröffentlichte eine vage formulierte Warnung an französische Staatsbürger in Haifa, die Stadt sei "expliziten Drohungen" ausgesetzt. Und im Kurznachrichtendienst Twitter gehörte "Haifa" heute zu den am öftesten verwendeten Schlagworten in Israel.

Die israelische Regierung hält sich derweil auffallend zurück. Obwohl Benjamin Netanjahu in internationalen Foren regelmäßig vor dem Iran warnt und vor einigen Jahren gar einen Militärschlag gegen dessen Atomprogramm erwogen haben soll, geriert seine Regierung sich seit der Tötung Soleimanis als unbeteiligter Beobachter an der Seitenlinie. "Es gibt Spannung zwischen dem Iran und den USA, und wir sind nicht beteiligt", sagte Israels Energieminister Yuval Steinitz, ein früherer Minister der Geheimdienste, in einem Radiointerview.

Generalmajor Herzl Halevi, der das Südkommando der israelischen Streitkräfte leitet und damit für an Gaza grenzende Regionen zuständig ist, schlug einen ähnlichen Ton an: Die Tötung Soleimanis habe auch für Israel Konsequenzen, aber der Jüdische Staat sei nicht "die wichtigste Geschichte" in diesem Zusammenhang – "und es ist gut, dass es weit weg passiert ist".

Doch der Iran-Experte Meir Litvak warnt davor, sich von der scheinbaren Zurückhaltung Teherans täuschen zu lassen. "Die Iraner wollen die Lage nicht zu einem Krieg eskalieren lassen", sagt er. "Aber das ändert nichts an ihrem Ziel, die Amerikaner aus dem Irak zu vertreiben. Und eine gute Strategie, um das zu erreichen, ist ein Zermürbungskrieg: Wenn sie hier und da zwei, drei amerikanische Soldaten töten, gibt das den USA keinen Grund zu einer großen Attacke gegen den Iran. Das Letzte, was ein US-Präsident im Wahlkampf braucht, ist, dass amerikanische Soldaten in Särgen aus dem Irak zurückkommen. Die Iraner werden versuchen, die Amerikaner im Irak schrittweise auszubluten."

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
  • Eigene Recherche
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