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Feuerhölle im Flüchtlingslager Moria: Ein Armutszeugnis für die EU


Feuer in Moria
Dieses Problem dürfen wir nicht aussitzen

MeinungEin Kommentar von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 10.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Bewohnerinnen und Bewohner gehen zwischen beschädigten Unterkünften im Flüchtlingslager Moria, nachdem dort mehrere Feuer ausgebrochen waren und das Lager nahezu vollständig zerstört haben.Vergrößern des Bildes
Bewohnerinnen und Bewohner gehen zwischen beschädigten Unterkünften im Flüchtlingslager Moria, nachdem dort mehrere Feuer ausgebrochen waren und das Lager nahezu vollständig zerstört haben. (Quelle: dpa-bilder)

Die Feuerhölle auf Lesbos wird zum Sinnbild des Versagens der europäischen Asylpolitik. Die Katastrophe war absehbar, aber lange wurde sie auch von Deutschland ignoriert. Damit muss nun Schluss sein.

Beim Inferno von Moria brannten in der letzten Nacht auch europäische Werte. Europas Asylpolitik ist auf schreckliche Art und Weise gescheitert, ein politisches Armutszeugnis für die Europäische Union. Die Katastrophe war absehbar, aber zu lange wurde das Leid der Menschen in dem Flüchtlingslager ignoriert. Die Hölle auf Lesbos schuf sich die EU selbst, sie wurde zum Sinnbild des Versagens europäischer Solidarität.

Nach der Katastrophe in Moria herrscht Chaos auf der griechischen Insel. Zahlreiche Menschen haben keine Behausungen mehr, sind auf der Insel verteilt, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten fällt schwer. Gebrannt hat es in Moria aber schon seit Monaten, im gesamten Mittelmeerraum noch länger – denn seit Jahren wird die humanitäre Katastrophe in der Region größer.

In Deutschland regiert die Angst

Die EU-Staaten fanden nie eine Einigung, keinen Weg zu einer gemeinsamen Asylpolitik. Nun muss vor allem Deutschland handeln: Einerseits muss Kanzlerin Angela Merkel in der Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine Koalition der Willigen gründen – mit Staaten, die bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen.

Andererseits hat die Bundesrepublik als wirtschaftlich stärkstes Land in Europa – und als eines , das nicht so hart von der Corona-Pandemie getroffen wurde wie andere – eine besondere Verantwortung. Kurz gesagt: Wir müssen so schnell wie möglich Flüchtlinge aus Moria aufnehmen.

Dafür ist es aber unabdingbar, dass sich die Bundesregierung der Ängste stellt, die im Jahr 2015 geboren wurden. Deutschland nahm vor fünf Jahren knapp eine Million Migrantinnen und Migranten auf. Danach hielt die Bundesregierung sich zurück, vor allem die Union möchte ein weiteres Erstarken der AfD verhindern. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist die Furcht sogar noch größer, aber das Problem lässt sich spätestens seit dem Brand in Moria nicht mehr aussitzen.

Im Gegenteil: Die Glaubwürdigkeit der europäischen Werte steht nach dem Inferno auf dem Spiel. Dabei ist die Situation eine völlig andere als im Jahr 2015, im Flüchtlingslager auf Lesbos sind 13.000 Menschen. Damals waren die Kommunen in Deutschland überfordert von Hunderttausenden Geflüchteten, trotzdem signalisieren Städte heute Bereitschaft, Schutzsuchende aus Moria aufzunehmen. Aber die Bundesregierung verhindert das, aus politischen Gründen, aus Angst vor rechten Bewegungen. Diese deutsche Asylpolitik ist eine Schande.

Zweitrangig, wer das Feuer gelegt hat

Aber es liegt nicht nur an der Politik, Solidarität zu beweisen und die menschenverachtenden Zustände auf Lesbos zu beenden. Auch jeder Einzelne ist gefragt, sich rechten Brandstiftern entgegenzustellen und die europäischen Werte der Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft zu verteidigen. Schon jetzt versuchen Teile der AfD, die Katastrophe in Moria zu instrumentalisieren: Flüchtlinge hätten das Feuer gelegt und wenn sie nach Deutschland kämen, würde hier ein Bürgerkrieg ausbrechen.

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Solche Aussagen sind menschenverachtend und das erfordert auch eine Antwort aus der Gesellschaft heraus: Es ist zweitrangig, wer das Feuer in Moria gelegt hat. Wichtig ist, dass den Flüchtlingen geholfen wird, besser heute als morgen.

Deutschland ist im Angesicht der Trümmer auf Lesbos gefragt, weil die Hoffnung auf eine europäische Lösung illusorisch ist. Merkel kann bestenfalls auf eine Koalition der Willigen hoffen, aber für lange Verhandlungen fehlt die Zeit. Nationale Egoismen führten in den letzten fünf Jahren dazu, dass Griechenland oder Italien mit der Unterbringung der vielen Mittelmeerflüchtlinge komplett überfordert waren. Hilfe von den EU-Partnern gab es kaum.

Zeit für Ausreden ist vorbei

Ein EU-weiter Verteilungsmechanismus für Flüchtlinge scheitert seit jeher an Ländern wie Ungarn, Polen oder Tschechien. Daran wird sich auch nach so einer Tragödie nichts ändern. Das ist die traurige Realität.

Doch mit dieser unsolidarischen Politik verspielt die EU ihre Glaubwürdigkeit. Despoten, die in ihren Ländern Menschen misshandeln und grundlos einsperren, können künftig mit ihrem moralischen Zeigefinger auf Lesbos zeigen. Denn die EU hat dort ein Gefängnis errichtet, das eigentlich für 3.000 Menschen ausgelegt war, aber in dem am Ende 13.000 Migranten lebten. Eingesperrt und dem Hass von Rechtsextremen ausgesetzt. Es ist ein Gefängnis, das eigentlich andere Flüchtlinge von der Überfahrt nach Europa abschrecken sollte. Die perfide Strategie schlug fehl.

Durch den Brand hat sich die humanitäre Katastrophe auf Lesbos massiv verschlimmert. Deshalb sind jetzt die Staaten gefragt, die Europa auch als moralische Institution sehen. Merkel sagte dazu: "Alleingänge Deutschlands wären nicht hilfreich, weil sie den Eindruck erwecken könnten, Deutschland werde die Flüchtlinge allein aufnehmen."

Aber das darf keine Ausrede sein. Hilfe für leidende Menschen muss wichtiger sein als strategisches Kalkül.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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