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Merkel-Trump: Interview zum Verhältnis der beiden Regierungschefs


Polit-Problem-Paar
"Trump hat Merkel von Anfang an als Rivalin wahrgenommen"

InterviewVon Fabian Reinbold

25.04.2018Lesedauer: 5 Min.
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Merkel beim ersten Besuch im Weißen Haus: Bisweilen schaute sie Trump irritiert an.Vergrößern des Bildes
Merkel beim ersten Besuch im Weißen Haus: Bisweilen schaute sie Trump irritiert an. (Quelle: reuters)

Angela Merkel muss bei ihrem Washington-Besuch einen Draht zu Donald Trump finden. US-Experte Jackson Janes erklärt, wie das gelingen kann – und wo die Kanzlerin Entgegenkommen zeigen muss.

Angela Merkel steht vor einem schweren Washington-Besuch. Die Bundeskanzlerin muss am Freitag nicht nur bei einer ganzen Reihe von dringenden Streitthemen eine Lösung mit Donald Trump suchen, sie muss zugleich versuchen, überhaupt einen Draht zum US-Präsidenten zu finden.

Das erste Treffen der beiden misslang – im März 2017 verweigerte Trump ihr im Oval Office etwa einen Handschlag für die Kameras und Merkel verzog bei einem Witz Trumps auf der Pressekonferenz gequält die Mine.

Die Chemie stimmt nicht, während Trump zugleich Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron so empfängt, als seien die beiden beste Freunde. "Trump hat Merkel von Anfang an als Rivalin wahrgenommen", so erklärt Jackson Janes im Interview mit t-online.de das komplizierte Verhältnis. Merkel und ihre Bundesregierung müssten den richtigen Umgang mit Trump immer noch lernen.

Janes ist Experte für das deutsch-amerikanische Verhältnis. Der 70-Jährige leitet das American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) der Johns Hopkins University in Washington. Für sein Engagement für die deutsch-amerikanischen Beziehungen erhielt der Politikwissenschaftler im Jahr 2005 das Bundesverdienstkreuz.

Hier lesen Sie das komplette Interview mit ihm:

t-online.de: Herr Janes, Donald Trump empfängt Emmanuel Macron mit ausgiebigem Staatsbesuch, hat aber für Angela Merkel nur ein paar Stündchen Zeit. Was sagt uns das über das Verhältnis von Trump und Deutschland?

Jackson Janes: Macron ist es gelungen, mithilfe der Militärparade im vergangenen Juli, zu der er den US-Präsidenten eingeladen hat, einen Nerv bei Donald Trump zu treffen. Seitdem haben die beiden ein gutes Verhältnis. Merkel hat bislang Trumps Nerv nicht getroffen, und ich glaube nicht, dass sie es schaffen kann.

Warum nicht?

Als Merkel und Trump aufeinander trafen, galt sie als seine Rivalin. Sie wurde als die Anführerin der freien Welt bezeichnet. Sie selbst hat solche Bezeichnungen stets zurückgewiesen, aber Trump hat das natürlich mitbekommen und Merkel von Anfang an als Rivalin wahrgenommen. Dann ist auch noch das erste Treffen im März 2017 misslungen. Ich werde nie vergessen, wie sie ihn angeschaut hat, nachdem er gewitzelt hatte, sie beide seien von Barack Obama abgehört worden.

Macron inszeniert sich ebenfalls als Rivale, hat aber Zugang gefunden, indem er Trump schmeichelt. Ist das eine Option für Merkel?

Macron konnte auf der Klaviatur des Nationalismus spielen. Die Parade zum Trump-Besuch war direkt verbunden mit einer Frage, die Trump sich stellt: Ist Europa mein Partner oder sind es starke Nationen wie Frankreich? Merkel betont immer, wie wichtig und stark Europa sein muss. Macron sagt das auch, aber zugleich hat er Trump gegenüber die nationale Karte gespielt. Merkel kann das nicht, das liegt ihr als Person nicht und es passt nicht zu Deutschland. Merkel will ein starkes Europa, Trump eher nicht. Das steht ihr bei ihrer Beziehung zu Trump im Wege.

Merkel scheint anders als Macron noch keine Strategie beim Umgang mit Trump gefunden zu haben.

Die Bundesregierung lernt immer noch den Umgang mit Trump. 2017 musste man sich erst einmal an ihn gewöhnen. Dann kam das Problem, dass Deutschland lange keine Regierung hatte. Da gab es einen Leerlauf, während hier in den USA viel passiert ist. Nun steht die Bundesregierung vor dem Problem, dass es einen Präsidenten gibt, mit dem man nicht klarkommt. Umso wichtiger ist es, sich auf andere Anlaufstellen zu konzentrieren. Von den Wirtschaftsverbänden bis zu den Gouverneuren, denn Trump kann das große Schiff Amerika nicht alleine drehen.

Viele Anlaufstellen, wie etwa Rex Tillerson oder H. R. McMaster, die für deutsche Diplomaten wichtig waren, sind längst entlassen. Trumps Ärger über Deutschlands Handels- und Verteidigungspolitik ist aber noch da. Wie sollte Merkel mit dieser Verärgerung umgehen?

Sie kann das nicht allein. Die Bundesregierung muss weiter diejenigen ansprechen, die das Ohr von Trump haben. Das sind etwa Gouverneure von Staaten, die abhängig sind von deutscher Industriepräsenz vor Ort, wie South Carolina oder Mississippi. Trump wird weiter motzen über Deutschland, so viel ist sicher. Die Frage wird sein: Ist man schlau genug, die anderen Leute zu erreichen, die direkt etwa von Autozöllen betroffen wären?

Und was kann Merkel konkret beim Trump-Besuch tun?

Merkel muss anerkennen, dass die Probleme, die Trump anspricht, tatsächlich existieren. Beim Streit um die Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten sollte sie sagen: "Wir wissen, dass wir in der Vergangenheit zu wenig ausgegeben haben und das werden wir verbessern." Auch beim Handel muss sie einen gemeinsamen Nenner finden. Hier sollte Merkel Trumps Kritik an Zöllen ausdrücklich anerkennen und ein paar Vorschläge machen, etwa beim Umgang mit China. Ich bin zuversichtlich, dass sie gute Vorschläge im Gepäck haben wird. Dafür braucht Merkel keinen großen Empfang wie Macron. Das hat sie nicht nötig.

Deutschland hat das womöglich schon nötig. Aus Trumps Ärger erwachsen immer wieder Drohungen wie Zölle auf Autoimporte, was die deutsche Autobranche hart treffen würde. Vielleicht schadet eine kleine Charmeoffensive doch nicht?

Ich sehe eine Zwickmühle. Kommt man, um Trump zu besänftigen? Oder kommt man, um Probleme einzugestehen und versucht, sie auf die eigene Art zu lösen? Es gibt nicht dieselbe Erfolgsformel für Macron und für Merkel. Man kann nur hoffen, dass die beiden sich ganz genau absprechen und sich die Aufgabe teilen. Das Entscheidende beim Umgang mit Trump ist, nicht unbedingt das, was man sagt, sondern wie man ein Problem darstellt. Das ist eine große Herausforderung für Politiker wie Merkel.

Wie stark hat Trump die deutsch-amerikanischen Beziehungen belastet?

Deutschland tut sich schwer damit, den Trump-Schock zu verdauen. Amerika selbst ist ja tief gespalten und viel mehr als der Präsident. Aber Trump überschattet das alles mit seinen stündlichen Tweets. Die Deutschen waren auch sehr kritisch gegenüber Ronald Reagan oder George W. Bush, aber zugleich war Amerika für viele immer mehr als eine bestimmte politische Richtung. Momentan wird Trump aber als Verkörperung von ganz Amerika gesehen.

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Und wie blickt Washington auf die Bundesregierung?

Hier weiß man, dass Merkel in ihrer letzten Amtszeit ist und man fragt sich, wie zuverlässig Berlin die Erwartungen Trumps bei Handel und Verteidigung erfüllen kann. Alle in Washington wissen, dass Deutschland die dominante Wirtschaftsmacht und politische Kraft Europas ist. Doch aktuell blickt man auf Berlin und fragt sich: Kann Merkel leisten, was wir brauchen? Oder ist Macron jetzt der Mann?

Was muss Berlin tun, damit das Verhältnis besser wird?

Auf keinen Fall darf man einfach sagen: "Wir warten, bis dieser Mann wieder weg ist." Die Bundesregierung sollte die Kontakte intensivieren, auch im Kongress mit allen Interessierten sprechen. Bundestag und Regierung müssen so viel wie möglich die Vielfalt in Amerika für die eigenen Interessen ausnutzen, das ist schlicht und einfach Realpolitik. Darf ich der deutschen Politik einen Ratschlag geben?

Bitte.

Lasst Euch nicht von jedem verdammten Tweet hypnotisieren, sondern redet weiter mit so vielen Amerikanern, wie es nur geht.

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