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China und die "Neue Seidenstraße": Wie chinesisches Geld die Welt verändert


Mix aus US- und Sowjet-Imperialismus
Chinas leiser Einmarsch

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

29.04.2019Lesedauer: 4 Min.
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China-Flagge: Der Einfluss des östlichen Landes wächst auch in Europa (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
China-Flagge: Der Einfluss des östlichen Landes wächst auch in Europa (Symbolbild) (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Darf es eine Brücke sein? Ein Kraftwerk, ein Flughafen? China bietet vielen Ländern Zusammenarbeit auf Kreditbasis an, die man besser Imperialismus nennen sollte. | Eine Kolumne von Gerhard Spörl.

Gleich im ersten Semester musste ich mich mit dem Imperialismus befassen. Heidelberg war ein linkes Pflaster und deshalb setzten die jungen Tutoren, die uns Anfänger in die Wissenschaft einführen sollten, das Thema mit dem US-Imperialismus gleich. Im Kern ging das so: Der US-Imperialismus unterwirft sich die Welt ökonomisch, indem er vorgibt, er verbreite die Demokratie. In Wirklichkeit macht er den Weg frei für seine profitgierigen Konzerne, die nationale Firmen entweder aufkaufen oder aus dem Markt drängen, bis sie sich alles unterworfen haben. Das Ziel ist die Weltherrschaft, was sonst.

Japan und Deutschland, so ging die Logik weiter, waren die Musterbeispiele für die Strategie des US-Imperialismus. Die beiden Kriegshetzer und Kriegsverlierer waren ja auch noch dankbar dafür, dass sie vom US-Imperialismus zu Demokratie und Marktwirtschaft gezwungen wurden und somit leichte Beute für ihn waren.

Nebenher gab es auch noch den Sowjetimperialismus, der darin bestand, dass sich die Sowjetunion nach 1945 Ost- und Südosteuropa unterwarf und nach seinem Vorbild prägte: Planwirtschaft plus Einparteiendiktatur.

Sowjet- oder US-Imperialismus? Das war ein großer Unterschied

Ich kannte beide Ausformungen des Imperialismus von Kindesbeinen an. Ich wuchs dort auf, wo damals die Zonengrenze lag, an der Nahtstelle zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Von der strukturellen Gewalt des US-Imperialismus bemerkte ich wenig, uns ging es recht gut. Von der strukturellen Gewalt des Sowjetimperialismus bemerkten wir ziemlich viel, weil wir rüber in das andere Deutschland durften, aber unsere Verwandten nicht herüber.

Imperialismus gab es schon immer und wird es vermutlich auch immer geben. Ihn üben meistens Länder aus, die den anderen in vielerlei Hinsicht überlegen sind: militärisch wie ökonomisch und oft auch kulturell. Wenn dann noch der Wille zur Weltherrschaft hinzukommt, haben die Unterlegenen einiges zu befürchten, es sei denn, sie werfen sich dem Überlegenen an den Hals.

China geht den dritten Weg

Der nächste Imperialismus kommt aus China. Sein Modell lautet: Einparteiendiktatur plus staatlich gelenkter Kapitalismus. Darin liegt eine Synthese aus US- und Sowjetimperialismus. Vom einen kommt der Kapitalismus, vom anderen die Diktatur. China hat aus der Geschichte der beiden gelernt. Es geht den dritten Weg.

Auch dieser Imperialismus gibt sich als nette Form der Zusammenarbeit: Wir bauen euch Häfen und Kanäle, Straßen und Kraftwerke, Eisenbahnstrecken und Flughäfen. Wir investieren in eure Infrastruktur und ihr gebt uns Sicherheiten. Und wenn ihr eure Kredite nicht abbezahlen könnt, reißen wir uns den Hafen und das Kraftwerk unter den Nagel. Nichts für ungut, aber Geschenke bekommt ihr von uns nicht.

China geht es nicht um Geopolitik? Als ob!

"Neue Seidenstraße" hat der Westen das Vorhaben beschönigend genannt. "Belt and Road"-Initiative nennt Staats- und Parteichef Xi Jinping seinen Imperialismus, als er sie im Jahr 2013 startete. Heute sagt er, dabei handle es sich um ökonomische Zusammenarbeit zu Wasser und zu Land und nicht etwa um Geopolitik oder gar Geostrategie.

Wer’s glaubt, wird selig.

37 Staats- und Regierungschefs kamen am Wochenende zum Jahrestreffen nach Peking, darunter Wladimir Putin aus Moskau und Giuseppe Conti aus Rom. Italien ist das erste Land aus dem Reigen der G7-Staaten, das begierig auf Milliarden Euro aus China hofft – auf dass aus seinem Schuldenberg ein Schuldenmassiv werde. Aber das ist der linksrechten Regierung gleichgültig wie so vieles, was gerade noch europäische Standards waren.

"Belt and Road" ist ein ungemein ehrgeiziges Entwicklungsprojekt, mit dem China den Handel innerhalb Asiens und darüberhinaus vorantreiben will. 150 Milliarden Dollar stehen dafür pro Jahr bereit, dank der gewaltigen Devisenreserven aus dem Handel mit Amerika. Angeblich sind Projekte im Wert von 900 Milliarden Dollar geplant oder schon in Arbeit.

Pakistan braucht ein Netzwerk an Ölleitungen und einen Hafen, Bangladesh benötigt Brücken und Russland Schienenstränge. Als Griechenland in der Rezession feststeckte, kaufte sich der chinesische Staatskonzern Cosco mit 51 Prozent in den Hafen von Piräus ein.

China betreibt Schuldenfallendiplomatie

Imperialismus ist nicht unbedingt böse. Imperialismus ist das, was eine Großmacht damit bezweckt. China baut von der Mongolei bis Malaysia, von Thailand bis Turkmenistan, von Indonesien bis Iran Kraftwerke und Solarparks, Autobahnen und Brücken, Häfen und Hochgeschwindigkeitsstrecken, mit chinesischem Geld und chinesischen Arbeitskräften. So weitet ein großes Land seine Einflusssphäre aus, so projiziert es seine Macht, so setzt es sich in der näheren und weiteren Nachbarschaft fest.

Das Mittel ist die Schuldenfallendiplomatie: Kannst du nicht bezahlen, nehme ich dir ab, was mir gefällt.

Das chinesische Modell geht gezielt und umsichtig vor, hat ökonomische Schlagkraft und politische Hintergedanken wie jeder Imperialismus. Es ist kein Zufall, dass "Belt and Road" ins Große denkt, während sich die andere Macht, die USA, aus dieser Weltgegend zurückzieht: aus Afghanistan, aus Pakistan, Iran ist ohnehin Beelzebubenland.

China wartet geduldig auf seine Zeit

In der Weltpolitik gibt es kein Vakuum. Wo der eine weggeht, geht der andere hin. Amerika baut sich ab, China baut sich auf. China hat Zeit. China hat Geduld. China wartet ab.

Amerika ist ungeduldig, unstet. Amerika macht Getöse. Amerika tut groß, gibt an, entfacht Wirbel und Staub und macht tatsächlich nur eine Bewegung: raus, weg, bündnisscheu, selbstzentriert, egomanisch. Größer könnte der Gegensatz gar nicht sein als der zwischen Donald Trump und Xi Jinping, zwischen dem Hochstapler, der Macht fingiert, und dem Machthaber, der systematisch seine Macht ausdehnt, im Land wie in der Welt.

Europa? China blickt nach Afrika

China macht seit Längerem viele Bewegungen in die Welt. Zuerst in Afrika, das als Rohstoffquelle dient und als kommender Kontinent für die nächste Weltmacht Bedeutung besitzt. Europa ist weniger wichtig. Europa ist aus chinesischer Sicht nur ein zweitrangiger Kontinent, auf dem man mitnimmt, was mitzunehmen ist.


Europa ist 20. Jahrhundert. Der Kontinent des 21. Jahrhunderts ist Asien. Wer Asien beherrscht, beherrscht die Welt. Zuerst ökonomisch und dann politisch, und wenn es sein muss schließlich auch militärisch.

Wir haben viel Zeit, den neuen Imperialismus zu studieren. Noch besser wäre es, wir würden ihm etwas entgegensetzen.

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