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Zum journalistischen Leitbild von t-online.USA-Reise von Außenminister Wadephul Hinter dem Lächeln steckt große Wut

Außenminister Johann Wadephul bemüht sich in den USA um eine konstruktive Arbeitsbeziehung zu seinem Amtskollegen Marco Rubio. Aber ist die Trump-Regierung überhaupt daran interessiert? Es wachsen Zweifel.
Aus Washington berichtet Patrick Diekmann.
Es war ein Tag, an dem auch das Wetter zur politischen Gemütslage passte. Am Mittwoch war Washington, D.C., seit dem Morgen in ein dunkles Grau gehüllt. Die Straßen waren vergleichsweise leer, vor dem Weißen Haus stand gelegentlich eine Schulklasse mit bunten Regencapes, ab und an verirrten sich kleinere Touristengruppen vor den Amtssitz des US-Präsidenten, um ein Foto zu machen. Beobachtet wurden sie von Sicherheitsbeamten, die vor dem Gebäude Schutz unter den offenen Kofferraumtüren ihrer Fahrzeuge suchten. Es war nass, sehr nass.
Doch das Wetter war nicht das einzige schlechte Vorzeichen des Besuches von Außenminister Johann Wadephul in den USA – denn die Liste der Konfliktthemen zwischen den USA und Deutschland ist lang. US-Präsident Donald Trump droht der Europäischen Union mit massiven Zollerhöhungen auf US-Importe aus Europa. Die US-Regierung kritisiert deutsche Parteien dafür, dass sie nicht mit der rechtsextremen AfD zusammenarbeiten. Und Trump lässt die Europäer im Regen stehen. Indem er Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen zunächst zusicherte, dass die USA bei weiteren Sanktionen gegen Russland mitmachen würden, um dann nach dem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin einen Rückzieher zu machen.
Einigkeit über einen gemeinsamen Kurs haben Amerikaner und Europäer gegenwärtig nicht. Die Zusammenarbeit ist zäh, mühsam. Und die Gespräche mit der US-Administration sorgten zuletzt immer wieder für Enttäuschungen, vor allem auf europäischer Seite. Eigentlich hätte Wadephul an einer Kabinettssitzung in Berlin teilnehmen müssen, und am Mittwoch bei Gesprächen mit dem ukrainischen Wolodymyr Selenskyj. Dennoch konnte der Außenminister die kurzfristige Einladung von Rubio nicht ablehnen. Schließlich sind die USA nicht nur in Handelsfragen extrem wichtig für Deutschland, sondern auch mit Blick auf die Nato und die Sicherheit Europas.
Trotz allem gibt sich die Bundesregierung aktuell zweckoptimistisch, weiterhin mit den Amerikanern in geopolitischen Fragen zusammenarbeiten zu können. Wadephul suchte in Washington nach einem engeren Draht zu Rubio und nach einem möglichst großen gemeinsamen Nenner der Zusammenarbeit mit den USA. Aber ist Trump überhaupt daran interessiert? Daran gibt es auch nach der USA-Reise des Außenministers noch immer große Zweifel.
Ein Händedruck, ein Lächeln
Schon die Reiseplanung war mühsam. Selten war es für deutsche Spitzenpolitiker so schwierig, Gesprächspartner in Washington zu finden. US-Senatoren sagten im Vorfeld ab. Keine Gespräche mit Republikanern, keine mit Demokraten. Lediglich die Mitglieder von vereinzelten US-Denkfabriken trafen sich mit dem Außenminister. Auch das zeigt: Die Prioritäten der US-Politik liegen aktuell nicht in Europa.
Im Zentrum der US-Reise stand aber ohnehin das erneute Aufeinandertreffen von Rubio und Wadephul. Mehrfach hatten die beiden Außenminister miteinander gesprochen, telefonisch oder persönlich – zuletzt bei einem Nato-Treffen in der Türkei. Der deutsche Außenminister hofft darauf, zu Rubio eine belastbare Arbeitsbeziehung aufbauen zu können. Trumps Außenminister und Nationaler Sicherheitsberater wird in europäischen Diplomatenkreisen geschätzt. Er sei freundlich, höflich, ruhig, heißt es. Gleichzeitig gab es bislang auch keinen Zweifel darüber, dass Rubio loyal zu Trump steht – und der US-Präsident bestimmt den außenpolitischen Kurs der USA.
Trotzdem gab es durchaus die Hoffnung, auch auf deutscher Seite, über den US-Außenminister Einfluss auf Trump ausüben zu können. Immerhin hatte Rubio an seinem Geburtstag Wadephul nach Washington eingeladen. Und die deutsche Delegation hatte auch ein Geschenk mit im Gepäck: ein gerahmtes Poster zu einem Spiel der Miami Dolphins gegen die Kansas City Chiefs, die am 5. November 2023 in Frankfurt am Main spielten. Die Dolphins sind das Lieblingsfootballteam von Rubio.
Öffentlicher Streit zwischen Wadephul und Rubio in Washington war unwahrscheinlich, und auch von deutscher Seite nicht erwünscht. Eine Mitarbeiterin des US-Außenministeriums rief vor dem Treffen im Amtssitz von Rubio am Mittag den wartenden Journalisten entgegen: Es werde nur einen gemeinsamen Handschlag geben. Keine Fragen waren gestattet, es werde "kein Drama" geben, ergänzte sie.
Und so kam es auch. Wadephul und Rubio kamen durch eine Tür, wie es schien, in ein freundliches Gespräch vertieft. Beide lachten, ein Handschlag für Fernsehsender und Fotografen, und sie gingen wieder. "Herr Außenminister. Sehen Sie in Deutschland noch immer eine Tyrannei?", rief ein Journalist dem US-Außenminister entgegen. Keine Reaktion, weder von Wadephul noch von Rubio. Die beiden Außenminister lächelten in die Kameras, ignorierten die Frage.
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Trumps flexibler Umgang mit Meinungsfreiheit
Hinter Rubios Lächeln steckt auch die große Wut der Trump-Anhänger. Der US-Außenminister hatte Deutschland scharf dafür kritisiert, nachdem der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextrem" eingestuft hatte. "Das ist keine Demokratie", schrieb er am 2. Mai auf X. Das Auswärtige Amt hatte daraufhin erwidert: "Diese Entscheidung ist das Ergebnis einer gründlichen und unabhängigen Untersuchung zum Schutz unserer Verfassung und der Rechtsstaatlichkeit."
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Dieser Konflikt steht für einen grundsätzlicheren Streit. Die US-Regierung sieht sich als Verfechter der Meinungsfreiheit, fokussiert sich dabei aber vor allem auf ideologische Verbündete. So hatte Rubio vor seinem Treffen mit Wadephul Visabeschränkungen für Verantwortliche von Online-"Zensur" gegen US-Bürger oder Techfirmen angekündigt. Ausländer, die sich daran beteiligten, "die Rechte der Amerikaner zu untergraben", dürften nicht mehr in die USA reisen, schrieb er am Mittwoch auf X. Dies gelte für Verantwortliche "in Lateinamerika, Europa oder anderswo".
Aus diesen Zeilen spricht Trumps Zorn gegen Deutschland. Samuel Samson, leitender Berater für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit, veröffentlichte noch am Dienstag über das US-Außenministerium eine Analyse mit scharfen Attacken gegen die Bundesrepublik: "In Deutschland hat die Regierung unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Desinformation und der Verhinderung von Beleidigungen ausgeklügelte Systeme zur Überwachung und Zensur von Online-Meinungen etabliert", heißt es hier. Und weiter: Die AfD in Deutschland würde ähnlich ausgegrenzt werden wie vormals Trump und seine Anhänger in den USA.
Für Deutschland war das eine erneute Ohrfeige, die zugleich sehr widersprüchlich ist. Denn erst am Dienstag hatte Rubio einen vorläufigen Stopp der Vergabe von Studentenvisa angeordnet. Die USA wollen die Aktivitäten von Antragstellern in Onlinenetzwerken schärfer überprüfen, etwa was pro-palästinensische Äußerungen angeht. Wo Meinungsfreiheit anfängt, wo sie aufhört, darüber gibt es in Washington unterschiedliche Interpretationen.
Gemeinsames politisches Handeln fällt schwer
In den Gesprächen der beiden Außenminister sollen diese Themen allerdings keine Rolle gespielt haben und die Bundesregierung versucht, diesem Streit auch möglichst wenig Gewicht zu geben und den Ärger um die AfD in den Gesprächen mit den Amerikanern nicht zu erwähnen. Rubio räumte Wadephul insgesamt 45 Minuten seiner Zeit ein. 15 Minuten unter vier Augen, danach 30 Minuten zusammen mit den Delegationen. Größere Probleme liegen woanders, zumindest aus deutscher Perspektive.
Mit besonders großer Sorge blicken die Europäer auf den Nato-Gipfel in Den Haag im Juni. Legt Trump die Nato lahm? Stehen die Amerikaner noch zu ihren Sicherheitsgarantien für Europa? Oder lässt sich der US-Präsident vielleicht gar nicht in den Niederlanden blicken? Um das alles zu verhindern, umschmeichelt die Bundesregierung Trump, deswegen übte Wadephul auf seiner USA-Reise keinerlei Kritik an der US-Regierung.
Trotzdem sucht der deutsche Chefdiplomat in Washington demonstrativ einen Schulterschluss mit den Amerikanern. Wie groß dieser Kraftakt ist, zeigte sich auch in den Gesprächen um den Krieg in der Ukraine. Man habe "verabredet, dass wir die nächsten Schritte eng miteinander abstimmen, damit (Kremlchef Wladimir) Putin endlich an den Verhandlungstisch kommt, damit Russland endlich in ernsthafte Verhandlungen einsteigt", sagte Wadephul bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch. Eng miteinander abstimmen bedeutet allerdings auch, dass es noch keine Einigkeit über ein gemeinsames Handeln gibt.
Lediglich ein Ziel teilen beide Seiten des Atlantiks: schneller Frieden in der Ukraine. Es sei wichtig, den Druck auf Putin aufrechtzuerhalten, fügte Wadephul hinzu.
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Trump blockiert Sanktionen
Doch gemeinsame Ziele helfen nur dann, wenn es Einigkeit darüber gibt, wie man sie erreichen kann. Genau in diesen Fragen sind die Brüche in der transatlantischen Beziehung kaum zu übersehen. Die Europäer bitten die Amerikaner etwa um weitere Sanktionen gegen Russland, auch Wadephul spricht oft eine Initiative von US-Senatoren an, die neue US-Strafmaßnahmen gegen Putin forcieren möchten. Dem erteilte Trump allerdings am Mittwoch eine Absage. "Wenn ich glaube, dass ich kurz vor einem Abkommen stehe, will ich das nicht durch solche Maßnahmen vermasseln", sagt er zu Reportern. "Wir werden herausfinden, ob er uns hinhält oder nicht. Falls ja, werden wir etwas anders reagieren."
Putin ist es in den vergangenen Monaten immer wieder gelungen, erfolgreich auf Zeit zu spielen. Immer, wenn die US-Regierung weitere Sanktionen erwägt, wirft Moskau dem US-Präsidenten ein paar diplomatische Brotkrümel hin. So war es der russische Außenminister Sergej Lawrow, der am Mittwoch weitere Gespräche mit der Ukraine in Istanbul ins Gespräch brachte, die wahrscheinlich schon kommende Woche stattfinden sollen.
Das könnte die US-Regierung erneut darin bestärken, auf ein Ergebnis dieser Gespräche warten zu wollen. Vor allem für die Ukraine ist die Lage nicht gut. Putin spielt erfolgreich auf Zeit und auch der für seine Impulsivität bekannte Trump lässt sehr lange die Erkenntnis reifen, dass der Kremlchef die US-Regierung hinhält. Auch hier gibt sich Wadephul zuversichtlich, dass neue US-Sanktionen kommen werden. Unklar bleibt, woher er diesen Optimismus nimmt.
Stabiles Fundament der transatlantischen Freundschaft?
Gemeinsame Maßnahmen verkündeten die USA und Deutschland in jedem Fall nicht. Die Probleme bleiben, aber für den deutschen Außenminister geht es vor allem darum, den Dialog mit den Amerikanern fortzusetzen. Deutschlands Ziel: Die transatlantischen Beziehungen sollen sich nicht weiter verschlechtern – und dafür nimmt die Bundesregierung durchaus große Mühen in Kauf und intensiviert den Dialog mit der Trump-Administration. Zunächst mit der Reise des deutschen Außenministers, zeitnah wird dann ein Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in der US-Hauptstadt erwartet.
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Auch für Wadephul wird dieser Kampf in den kommenden Monaten weitergehen. In Washington versuchte er, die Botschaft zu verbreiten, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland und Europa auch für die USA Vorteile bringt. Viele deutsche Unternehmen würden in den Vereinigten Staaten Arbeitsplätze schaffen und darüber hinaus erhöht nun auch die Bundesrepublik ihre Verteidigungsausgaben perspektivisch auf über fünf Prozent – so wie von Trump gefordert.
Sollten auch diese Argumente Trump nicht von seinem EU-kritischen Kurs abbringen, bleibt vielleicht nur ein Appell an die historische Verbundenheit. Der Außenminister hebt dazu den Einsatz der USA gegen den Naziterror und für die Wiedervereinigung hervor. "Gerade in herausfordernden Zeiten ist dieses gemeinsame Fundament zentral", sagt er. "Das gilt auch gerade dann, wenn wir unterschiedliche Perspektiven haben, wenn wir an der ein oder anderen Stelle auch mal Meinungsverschiedenheiten haben." Um diesem Gedanken Ausdruck zu verleihen, besuchte Wadephul zum Ende seiner Reise den Nationalfriedhof Arlington, auf dem Hunderttausende tote US-Soldaten begraben wurden – auch aus beiden Weltkriegen.
Wadephul legt am Mittwoch einen Kranz nieder, gedenkt der amerikanischen Kriegsopfer. Er tut dies ohne seinen Amtskollegen. Auch seine anschließende Pressekonferenz gibt er ohne Angehörige der Trump-Regierung. Allein, so der Eindruck der anwesenden Beobachter, fällt es ihm leichter, ein kraftvolles Signal für das transatlantische Bündnis zu geben. Allein im Regen von Washington.
- Mitreise mit Außenminister Johann Wadephul
- Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort