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Kommentar zum Wahlkampf: "Deutschland muss von den Parteien Antworten verlangen"


Deutscher Wahlk(r)ampf
Parteien im Tunnel von Angst und Planlosigkeit

Meinungt-online, Patrick Diekmann

13.09.2017Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel und die CDU haben in den Umfragen seit Monaten einen komfortablen Vorsprung vor der SPD.Vergrößern des BildesAngela Merkel und die CDU haben in den Umfragen seit Monaten einen komfortablen Vorsprung vor der SPD. (Quelle: Christoph Schmidt/dpa-bilder)
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Der Bundestagswahlkampf plätschert seinem langweiligen Ende entgegen. Wir erleben eine politische Kissenschlacht mit Parteien, die aus strategischem Kalkül wichtige Themen aussparen. Deutschland wählt 2017 Emotionen und nicht eine Idee für eine bessere Gesellschaft.

Ein Kommentar von Patrick Diekmann

Zuerst die gute Nachricht: Auf den deutschen Straßen spricht man derzeit viel über Politik. Die Bundestagswahl ist allgegenwärtig und der digitale Wahlkampf hat sich, neben den Reden auf Marktplätzen und dem Werben an den Haustüren, als feste Größe in der politischen Landschaft etabliert. Es könnte die Zeit sein, in der Bürger und Parteien in einer vernetzten Welt gemeinsam über ein "besseres" Deutschland diskutieren. Stattdessen besetzen die Parteien lediglich die Themen, die das Land aktuell emotional bewegen.

Die TV-Duelle waren Sinnbild eines hochgradig strategisch geführten Wahlkampfes. Das Ergebnis sind inhaltlich ausgehöhlte Debatten, die den Menschen das Gefühl geben, nicht zwischen unterschiedlichen politischen Positionen wählen zu können. Emotionale Themen wie Migration und Flüchtlinge, der Türkei-Konflikt und der Diesel-Skandal werden umfangreich besetzt.

Dies sind ohne Zweifel wichtige Themen. Aber in den Debatten geht es primär um Angst und Wut, und alle Parteien positionieren sich so, dass sie die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich meinen: Die Flüchtlingskrise von 2015 darf sich nicht wiederholen und Deutschland soll "klare Kante" gegen Erdogan und Volkswagen zeigen. "Klare Kante" hört man dieser Tage oft. So mag es nämlich der Volksmund.

Niemals die Augen vor Armut verschließen

Wichtige Zukunftsaufgaben gehen im Meer aus Angst und Wut unter. Neue politische Visionen polarisieren, und es gibt keine politische Agenda ohne Menschen, die dadurch benachteiligt werden. Diese "Opfer" kann keine Partei brauchen, besonders nicht im Wahlkampf. Deshalb schieben wir mittlerweile einen Berg ungelöster Zukunftsfragen vor uns her: Ist die Rente trotz des demografischen Wandels zukunftsfähig? Wird unser Bildungssystem den Anforderungen einer tertiären Dienstleistungsgesellschaft gerecht? Wie können mehr Menschen am Wohlstand in diesem Land teilhaben? Wie gehen wir mit der zunehmenden Altersarmut um?

"Deutschland geht es gut", propagiert die Union im Wahlkampf. In Deutschland geht es den Menschen tatsächlich gut, besonders im Vergleich zu anderen Ländern. Aber nicht alle, die bei diesen Worten mahnend den Zeigefinger heben, reden Deutschland schlecht. Gesellschaftlicher Fortschritt erstickt dann, wenn man versucht, Kritik mundtot zu machen. Wir sollten niemals die Augen davor verschließen, wenn Kinderarmut steigt, wenn Rentner mit Flaschensammeln ihre Rente aufbessern müssen oder wenn die Lohnentwicklung im europäischen Vergleich stagniert - trotz wirtschaftlichem Wachstum.

Neue politische Ideen

Die Politik weicht diesen Themen aus. Parteien funktionieren teilweise wie Wirtschaftsunternehmen, nur dass es ihnen statt um Gewinnmaximierung um die Maximierung von Wählerstimmen geht. Angela Merkel hat den zweckmäßigen Wahlkampf perfektioniert. Sie verwaltet den CDU-Vorsprung in den Umfragen und wird ihn höchst wahrscheinlich ohne großen Streit und hitzige Debatten am 24. September ins Ziel bringen.

Schwer machte es ihr die SPD nicht. Zu tief ist der Glaubwürdigkeitsverlust und zu schwer wiegt der Verlust ihres Markenkerns "soziale Gerechtigkeit." Als die Umfragewerte immer schlechter wurden, setzten die Sozialdemokraten zunehmend auf "emotionale" Themen. Geholfen hat es der SPD nichts.

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Von dem Angst- und Wutwahlkampf profitiert lediglich die AfD. Die Partei hat das Einfangen von Emotionen perfektioniert und ist auf dem Gebiet eine wahre Stimmenfangmaschine. Selbst als die Themen Euro und Flüchtlingskrise aus dem Scheinwerferlicht verschwanden, schaffte es die AfD weiterhin, Ängste in Stimmen umzuwandeln. "Mit gezielten Provokationen", wie es in einem AfD-Strategiepapier im Vorfeld der Bundestagswahl heißt.

So plant Alice Weidel offensichtlich einen empörten Abgang aus einer ZDF-Wahlsendung oder Alexander Gauland schwadroniert von der "Entsorgung" einer SPD-Politikerin. Diese Vorgänge geschehen aus politischem Kalkül. Ein großes mediales Echo ist das Ergebnis. Die AfD wird Deutschland nicht gerechter machen und die Armen nicht reicher. Aber die Partei hat verstanden, Emotionen und die sozialen Netzwerke perfekt für sich zu nutzen.

Ein derartiges politisches System verbaut Deutschland den Weg in die Zukunft. Die Parteien müssen auch komplexe Themen wieder anpacken, selbst wenn sie dadurch polarisieren und potentielle Wähler verprellen. Und die Deutschen müssen sich trauen, wieder von einer besseren Gesellschaft zu träumen.

Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass sich die Menschen wieder zunehmend für Politik interessieren. Doch sie müssen auch nach Antworten auf die komplizierten Zukunftsfragen verlangen. Wenn die Menschen wieder an Wandel glauben und politische Ideen zum wichtigen Kriterium von Wahlentscheidungen werden, entsteht auch wieder politischer Wettbewerb. Und dann gehören Koalitionsgespräche in TV-Duellen hoffentlich der Vergangenheit an.

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