t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikBundestagswahl 2021

Gauland in der Klemme: Bis zu 30 AfD-Abgeordnete könnten zu Petry überlaufen


Gauland in der Klemme
Bis zu 30 AfD-Abgeordnete könnten überlaufen

Marcus Bensmann, correctiv.org

Aktualisiert am 28.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Noch hält die AfD-Fraktion nach Petrys Austritt zusammen. Doch viele Abgeordnete sind in Lauerstellung.Vergrößern des Bildes
Noch hält die AfD-Fraktion nach Petrys Austritt zusammen. Doch viele Abgeordnete sind in Lauerstellung. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)

Die Ruhe in der AfD-Fraktion täuscht: Mit dem Austritt von Frauke Petry sind die Konflikte nicht gelöst. Die Petry-Anhänger erwarten vom Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland eine Abkehr vom radikalen Flügel rund um den umstrittenen AfD-Chef aus Thüringen, Björn Höcke. Sonst könnten laut Insidern bis zu 30 Abgeordnete Petry folgen.

Die neue Fraktion der AfD im Bundestag gleicht nach dem Austritt von Frauke Petry einem Mikadohaufen: noch sind die kreuz und quer liegenden Stäbchen stabil. Aber das Gebilde könnte schnell zusammenfallen, wenn noch mehr Stäbchen entfernt werden.

Der Knackpunkt ist Björn Höcke

Nach Informationen aus der Bundestagsfraktion könnte der neue Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die AfD-Fraktion zusammenhalten: Doch dafür müsste er bis zum Jahresende den radikalen, völkischen Flügel um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke fallen lassen – und stattdessen die weniger radikalen Abgeordneten einbinden, die sich selbst als "moderat" bezeichnen. Dieser Teil der AfD-Fraktion hält den Zuzug von Flüchtlingen für illegal, unterstützt aber nicht rechtsradikale Hetzparolen.

"Gauland ist mit dem Flügel groß geworden, aber er muss sich jetzt den Moderaten zuwenden", sagt ein Abgeordneter, der sich zu den Moderaten zählt. Nach Schätzungen von zwei Abgeordneten befinden sich an die 30 Abgeordnete in Wartestellung: Sie könnten die Fraktion verlassen, wenn der völkische Flügel die AfD weiterhin dominiert.

Bisher gilt Gauland als Verbündeter von Höcke. Er hat im Bundesvorstand gegen das von Petry initiierte Parteiausschlussverfahren gestimmt. Im Wahlkampf bediente er sich der Rhetorik des völkischen Lagers und beschwor einen neuen Stolz auf die Soldaten der Wehrmacht.

Petrys Plan stand schon seit Monaten

Einige aus der Gruppe, die den völkischen Flügel kritisch sehen, sind unorganisiert. Andere organisieren sich in der Interessengemeinschaft "Alternative Mitte". Ihr Ziel: den realpolitischen Kurs von Frauke Petry zu stützen. Petry war auf dem Parteitag in Köln im April mit dem Versuch gescheitert, die AfD auf diesen Kurs festzulegen.

Den Plan, die AfD unter Führung von Petry zu verlassen, sollte der völkische Flügel die AfD kapern, fasste der realpolitische Teil der AfD bereits im April nach dem Parteitag. Aber Teil des Plans sei es gewesen, wie der Abgeordnete sagt, erst die Entwicklungen in der Bundestagsfraktion abzuwarten. Der Austritt wäre die "Ultima Ratio" gewesen, sagt der Abgeordnete.

Doch dann habe die ehemalige Parteivorsitzende Petry mit ihrem spektakulären Auftritt auf der Bundespressekonferenz auch ihre Anhänger überrascht und verärgert. Mit Kopfschütteln nahm das Petry-Lager anschließend den Rücktritt ihres Ehemanns Marcus Pretzell als Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag und dessen Austritt aus der Partei auf. „Das war so nicht vorgesehen”, sagt der Abgeordnete. Petry habe zu früh gehandelt.

Petry habe damit die Fraktion erstmal auch „geeint“, sagt der AfD-Mann weiter. Daher sei ihr auch keiner gefolgt. Auch die Bundestagsabgeordneten aus NRW, die bis auf die beiden Ausnahmen Martin Renner und Stefan Keuter dem realpolitischen Lager von Petry und Pretzell zugeordnet werden, erklärten einstimmig ihre Loyalität gegenüber der Fraktion.

Vier Forderungen an Alexander Gauland

Aber an den Bedenken der „moderaten” Abgeordneten habe sich nichts geändert, sagt der Abgeordnete. Es liege jetzt an Gauland, für einen Ausgleich zwischen den Flügeln zu sorgen. Nur dann könnten weitere Austritte verhindert werden.

Man habe von Gauland auch positive Signale bekommen, sagt die Quelle. So habe Gauland zu Beginn der ersten Fraktionssitzung am Mittwoch gesagt, dass der Wahlkampf vorbei sei. Man wolle sich nun mäßigen.

Die Abgeordneten, die eine völkische Übernahme der AfD fürchten, wollen vier Bedingungen erfüllt sehen, damit sie der Fraktion erhalten bleiben:

Die wichtigste Forderung: Die Ausschlussverfahren gegen Björn Höcke und den Abgeordneten Jens Maier sollen durchgezogen werden. Maier hat Sympathien für die rechtsradikale NPD gezeigt. Zudem äußerte er Verständnis für den rechtsextremen Attentäter Anders Breivik. Tatsächlich wurde am Dienstag ein Antrag, das Parteiausschlussverfahren gegen Maier zu stoppen, abgeschmettert. Begründung von Gauland gegenüber "Correctiv": Ein Parteiausschlussverfahren sei nicht Aufgabe der Fraktion.

Zweitens: Der realpolitische Flügel will ausreichend in die Fraktionsführung eingebunden sein. Bisher scheint das zu funktionieren. Bei der Wahl zum parlamentarischen Geschäftsführer konnte sich der Pretzell-Anhänger Michael Espendiller knapp gegen Stephan Brandner mit 47 zu 44 durchsetzen. Brandner aus Thüringen gilt als Sprachrohr von Höcke im Bundestag und war im Wahlkampf durch martialische Reden aufgefallen.

Drittens: Die sogenannten "Moderaten" wollen verhindern, dass die Anhänger Höckes in NRW bei den kommenden Wahlen zum Landesvorstand die zentralen Posten besetzen. Bisher war der AfD-Vorstand dort von Pretzell-Anhängern dominiert. Nach dem Austritt von Marcus Pretzell will das völkische Lager in NRW allerdings die Gunst der Stunde nutzen.

Viertens: Die Wahl des Bundesvorstands der AfD im Dezember kommt für die schwankenden Abgeordneten in der Fraktion einer Nagelprobe gleich. Die „Moderaten” und die "Alternative Mitte" wollen dort vertreten sein. Vor allem wollen sie verhindern, dass Höcke in den Bundesvorstand gewählt wird, sagt der AfD-Mann im Bundestag.

Nach Ansicht des Abgeordneten müsse sich Gauland entscheiden, ob er bereit ist, den Flügel um Höcke in die Schranken zu verweisen. Dann könnte der Mikadohaufen stabil bleiben.

Dieser Text ist eine Recherche des gemeinnützigen Recherchezentrums correctiv.org. Dort ist der Text zuerst erschienen.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website