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SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: Meint der das wirklich ernst?


Olaf Scholz
Meint der das wirklich ernst?


Aktualisiert am 08.05.2021Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz: Ja, er meint es ernst. Aber kann es auch was werden mit der Kanzlerschaft?Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Ja, er meint es ernst. Aber kann es auch was werden mit der Kanzlerschaft? (Quelle: Felix Zahn/photothek.net/imago-images-bilder)

Er wollte doch eigentlich auch mitkämpfen. Doch nun droht Olaf Scholz im Wettbewerb ums Kanzleramt unterzugehen. Selbst viele in der SPD verlieren den Glauben. Aber war's das wirklich schon?

Bei der SPD steht Martin Schulz gerade wieder hoch im Kurs. Ja, genau, der Martin Schulz, der vor vier Jahren für die Partei als Kanzlerkandidat erst zu ungeahnten Höhenflügen ansetzte, nur um am Wahltag eine schmerzhafte Bruchlandung hinzulegen.

Und doch fällt der Name Martin Schulz gerade oft, wenn man sich in der SPD umhört, um zu erfahren, wie es denn eigentlich weitergehen soll mit der einst so stolzen Volkspartei.

Das liegt nicht etwa daran, dass die Genossen den Namen ihres aktuellen Kanzlerkandidaten vergessen hätten. Den wiederholen sie geradezu mantraartig, vielleicht nützt es ja was.

Es hat vielmehr damit zu tun, dass sich viele auch dieses Mal wieder einen Schulz-Effekt erhoffen. Natürlich nicht für die SPD selbst, dafür müsste es ja erst einmal aufwärts gehen. Aber für die politische Gegnerin: die in den Umfragen gerade scheinbar über den Wolken fliegende Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

Es sagt viel über das Schlamassel der SPD aus, wenn die eigenen Hoffnungen für die Wahl darauf ruhen, dass die anderen es noch verbocken. Und doch ist es eine durchaus realistische Einschätzung der Lage. Es gibt wenig, das derzeit für Olaf Scholz und viel, das gegen ihn spricht. Allein aus eigener Kraft schafft er es wohl nicht mehr ins Kanzleramt. In der SPD wächst langsam, aber sicher die Kritik.

Und doch sollte man Scholz noch im Auge behalten.

Scholz nirgendwo

Es brauche "ein gewisses Wohlwollen", um Olaf Scholz überhaupt für einen "ernsthaften Kanzlerkandidaten" zu halten, schrieb der "Spiegel" vor zwei Wochen. Immerhin kam er da noch vor. Die "Zeit" titelte: "Sie oder er?" Sie war Baerbock. Er war Laschet.

Scholz nirgendwo.

Und genau das ist sein größtes Problem. Der Wahlkampf spitzt sich auf ein Duell zwischen den Grünen und der Union zu. Durch die perfekt inszenierte Nominierung Annalena Baerbocks und die perfekt versemmelte Nominierung Armin Laschets ist zwar Bewegung in die Umfragen gekommen, das betont die SPD gerade gerne. Doch diese Bewegung spart die Sozialdemokraten eben weitgehend aus.

Während die Grünen an der abstürzenden Union vorbeiziehen, ist die SPD bei rund 15 Prozent festgetackert. Als sie vor fast einem halben Jahr Olaf Scholz in trauter Einigkeit zum Kanzlerkandidaten kürte und die Aufholjagd starten wollte, passierte: nichts. Als sie vor zwei Monaten vor allen anderen ihr Wahlprogramm präsentierte und wieder durchstarten wollte, passierte: noch immer nichts.

Eigentlich passiert schon seit dreieinhalb Jahren kaum noch was bei der SPD. Seit Anfang 2018 ist sie nicht mehr über die 20-Prozent-Marke hinausgekommen.

Die Grenzen sind fließend

Die SPD-Spitze verweist gerade gerne auf die vergangenen Landtagswahlen in Hamburg oder in Rheinland-Pfalz, wenn sie erklären will, warum noch alles drin sei für sie. Oder sich das zumindest selbst einreden will, die Grenzen sind fließend. In Hamburg gewann SPD-Amtsinhaber Peter Tschentscher, nachdem die Grünen ihm in den Umfragen gefährlich nahegekommen waren. In Rheinland-Pfalz gewann SPD-Amtsinhaberin Malu Dreyer, nachdem die CDU sie zwischenzeitlich sogar überholt hatte.

Das Problem ist nur: Nichts stimmt an diesem Vergleich. Die SPD kämpft gerade nicht um Platz eins, sondern erst einmal um einen Platz unter den ersten zweien. Und Scholz ist zwar der einzige Kandidat mit Erfahrung in einer Bundesregierung, aber einen Kanzlerbonus hat er nicht. Genau das ist ja seit Jahren das Problem der SPD in der großen Koalition.

Und kämpft die SPD überhaupt? Ausgerechnet aus Rheinland-Pfalz meldete sich vor gut einer Woche der für gewöhnlich eher zurückhaltende Landeschef Roger Lewentz mit deftiger Kritik zu Wort. "Wir verpassen gerade den Wahlkampfstart", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "In so einer Lage ist es wie im Fußball: Wenn du 0:2 hinten liegst, kannst du doch nicht auf Ergebnis halten spielen."

Das Interview erregte Aufsehen, weil es sich einzig um die Kritik am Wahlkampf drehte, und weil öffentliche Kritik in der oft raufbrüderhaften SPD zwischenzeitlich tatsächlich selten geworden war.

Ein früher wichtiger Genosse, der viele Wahlkämpfe miterlebt hat, wird zumindest hinter vorgehaltener Hand noch wesentlich deutlicher als Lewentz: Die SPD stehe eigentlich gar nicht auf dem Platz, sagt er. Weder gebe es begeisternde Botschaften, noch eine Euphorie für den Kandidaten. Nicht mal in der SPD selbst. Die Parteispitze? Nicht geeignet für die erste Liga. Strategie, Organisation, Kommunikation? Sei einfach alles nichts.

Es klingt ziemlich vernichtend.

Scholz überall

Man kann Olaf Scholz allerdings schwer vorwerfen, nichts zu versuchen im Kampf gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. Schon seit Februar tourt er quer durch die Republik, an einem Tag von Potsdam bis nach Niederbayern, von Starnberg in den Spreewald. Zwei bis drei Auftritte pro Woche, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Digital natürlich, es ist Corona, so richtig nah dran geht gerade nicht. Doch für Scholz mit seinem hanseatischen Charme sei das wahrscheinlich gar kein großer Nachteil, sagen einige im Willy-Brandt-Haus. Sozialdemokratische Bierbank-Geselligkeit ist ohnehin nicht seine Stärke. Die Massen elektrisiert er auch eher selten. Deshalb probiert er es ja mit Fleiß.

Seit einigen Wochen schnappt sich Scholz jedes größere bundespolitische Thema und versucht, es zu seinem eigenen zu machen. Egal, ob er als Finanzminister zuständig ist oder nicht: Hauptsache, es sieht so aus, als gehe Scholz voran und die anderen hinterher.

Nur nützt es eben nichts. Vielleicht noch nicht?

Aufregend unaufregend

Die SPD hofft, auf ihrem Parteitag am Sonntag so etwas wie Aufbruchstimmung erzeugen zu können. Sie wird ihr Wahlprogramm offiziell beschließen und Scholz eine große Bühne bereiten. Allerdings ist unklar, warum das dieses Mal mehr bringen sollte als bei der Scholz-Nominierung oder der Programmvorstellung.

Nur weil die anderen jetzt auch Kandidaten haben, wird Scholz ja nicht plötzlich interessanter.

Seine aufregendste Qualität ist es, völlig unaufregend zu sein. Er ist der Mann, der Deutschland mit seiner Erfahrung solide regieren will, das ist sein stärkstes Argument. Für einen plötzlichen Schub in den Umfragen ist das eher nichts. Deshalb hofft die SPD, dass sich die Menschen jetzt irgendwann fragen, ob sie das Land wirklich der regierungsunerfahrenen Annalena Baerbock oder dem Corona-Tollpatsch Armin Laschet anvertrauen wollen.

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Doch auch das ist natürlich: nur eine vage Hoffnung.

Der Politikberater Frank Stauss, der für die SPD schon viele Wahlkampagnen konzipiert hat und der Partei deshalb nicht gerade fernsteht, sagt: "Ohne massive Fehler der anderen Parteien kann die SPD nicht Kanzlerpartei werden." Allerdings hätten Union und Grüne schon die ersten großen Fehler gemacht, indem sie mit den schwächeren Kandidaten ins Rennen gingen – und sich die Union auch noch zerlegt habe.

Zwischen Olaf Scholz und dem Kanzleramt steht natürlich trotzdem mindestens ein Konjunktiv-Reigen. Das wohl einzige halbwegs realistische Szenario geht so: Das Wahlergebnis im Herbst müsste für eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP reichen. Die FDP müsste regieren wollen, auch mit den fernstehenden Sozialdemokraten und Grünen. Die SPD müsste auf jeden Fall ein bisschen stärker werden als die Grünen, um den Kanzler zu stellen. Und dann müsste das Wahlergebnis eine Koalition aus Union und Grünen wohl auch noch unmöglich machen, weil die Grünen sich sonst für diese Option entscheiden könnten.

Ist das wahrscheinlich? Natürlich nicht. Ist es unmöglich? Auch nicht. Noch nicht.

Verwendete Quellen
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