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Markus Lanz zu Kevin Kühnert: "Sind Sie wirklich so ahnungslos?"


Lanz zu Kevin Kühnert
"Sind Sie wirklich so ahnungslos?"

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 15.10.2021Lesedauer: 4 Min.
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Kevin Kühnert (Archivbild): Der SPD-Vorsitzende zeigte sich in der jüngsten Lanz-Sendung gelassen.Vergrößern des Bildes
Kevin Kühnert (Archivbild): Der SPD-Vorsitzende zeigte sich in der jüngsten Lanz-Sendung gelassen. (Quelle: imago images)

"Sie haben nicht mal die Nummer von Lindner. Sie wissen nicht, was in den Sondierungen geredet wird. Was machen Sie gerade eigentlich?", will Lanz von Kühnert wissen. Der lacht und zeigt: Auch so geht Macht in der SPD.

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Parteivorsitzender
  • Tankred Stöbe, Arzt, "Ärzte ohne Grenzen"
  • Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
  • Helene Bubrowski, Journalistin "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Kevin Kühnert ist Markus Lanz ein Rätsel. Scheuer Bundestagsneuling mit der "Konsistenz eines weißen, flauschigen Kaninchens" oder aber "der größte Strippenzieher, den die SPD seit langer Zeit gesehen hat": Zwischen diesen Polen verortete der Moderator am Donnerstagabend seinen Gast oder vielmehr dessen Außendarstellung. Tatsächlich gab sich der SPD-Vize in vielerlei Hinsicht ahnungslos und passiv und fand da auch nichts dabei. Er wisse tatsächlich nicht, wie die Sondierungsgespräche aktuell liefen, meinte Kühnert. Telefoniere er denn so gar nicht mit Generalsekretär Lars Klingbeil oder Kanzlerkandidat Olaf Scholz?, wollte Lanz wissen. "Ne", erwiderte der. "Ich könnte da natürlich anrufen und versuchen, irgendwas rauszufinden. Vielleicht würde ich auch etwas rausfinden. Aber warum sollte ich?"

Auch zur Kompatibilität von FDP-Chef Christian Lindner mit der SPD konnte Kühnert keine eigene Einschätzung beisteuern. "Ich weiß gar nicht, wie er sich in den Verhandlungen verhält. Aber bislang scheint ja die Chemie zwischen allen Beteiligten soweit zu stimmen." Lanz nahm dem ehemaligen Juso-Vorsitzenden das nicht ab. "Sind Sie wirklich so ahnungslos?", wollte der Gastgeber wissen. "Warum sollte ich mich jetzt dümmer stellen, als ich bin?", meinte Kühnert.

Exakt diesen Verdacht schien Lanz jedoch zu hegen. Er zeigte einen Ausschnitt aus einer NDR-Dokumentation, in dem Kühnert den späteren Siegern Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Tipps gibt, wie sie in der Kampfabstimmung um den Parteivorsitz Olaf Scholz schlagen können. "Im Grunde wie zwei Schüler, die dem Lehrer zuhören", beschrieb "FAZ"-Journalistin Helene Bubrowski die Szene. Die habe sie an Schlagzeilen über Kühnert als den heimlichen Parteivorsitzenden erinnert.

Lanz gegen Kühnert

Einen Ministerposten strebt Kühnert allerdings nicht an, das machte er bei Lanz noch einmal deutlich. Der wollte wissen, ob Kühnert jemals bei Lindner angerufen und sich entschuldigt hat, dass er den FDP-Chef mal als Luftikus bezeichnet hatte. "Jetzt kommt die nächste Überraschung: Ich habe nicht mal seine Telefonnummer. Ich könnte gar nicht anrufen", offenbarte Kühnert und fragte: "Warum denn auch?" Da wurde es Lanz irgendwie zu viel: "Sie haben nicht mal die Telefonnummer von Christian Lindner. Sie wissen nicht, was in den Sondierungsgesprächen geredet wird. Was machen Sie gerade eigentlich?" Der Turnschuhträger blieb entspannt. "Ich bereite mich beispielsweise auf Koalitionsverhandlungen – so sie denn kommen – vor, in meinen Zuständigkeitsbereichen. In der Hoffnung, dass ich da dann mitverhandeln darf", sagte Kühnert und lachte. Ansonsten sei er als frisch gewählter Bundestagsabgeordneter damit beschäftigt, seine Arbeitsfähigkeit "erst mal herzustellen".

Die Koordination mit den 48 anderen neuen Jusos im Parlament läuft aber bereits. Kühnert verriet, dass sie über einen Telegramm-Chat vernetzt sind. Diese Gruppe junger Abgeordneter ist für den ehemaligen Juso-Chef eine nicht zu unterschätzende Machtbasis. Denn sie stellt immerhin rund ein Viertel der SPD-Bundestagsabgeordneten.

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Allerdings will es sich Kühnert offenbar nicht mit dem möglichen nächsten Kanzler verderben. Er räumte bei Lanz ein, dass er und die Jusos in ihrer Opposition gegen Scholz diesen mitunter ungerecht behandelt hätten: "Streitpunkte, die wir hatten, sind persönlicher ausgefochten worden, als es hätte sein müssen." Bereuen tue er das nicht unbedingt: "Es geht auch darum, zu lernen." Das könnte nach Ansicht von Bubrowski auch Scholz bei Bundeskanzlerin Angela Merkel – zumindest, was den Umgang mit jungen Rebellen angeht. Die ließen sich mit einflussreichen Posten "frühzeitig domestizieren", siehe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, sagte die Journalistin.

Keine Meinung hatte Kühnert auch bei der Frage, ob die Bundeswehr bewaffnete Drohnen einsetzen sollte und berief sich auf fehlende Expertise, die er als bislang Nicht-Bundestagsabgeordneter gar nicht besitzen könne. "Ich wehre mich dagegen, dass es eine einfache Ja/Nein-Frage ist", fasste der stellvertretende SPD-Vorsitzende seine Haltung zusammen. "Wir haben eine klare Position dazu", sagte dagegen Bijan Djir-Sarai, der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Zuletzt hatte unter anderem die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr gedrängt, um deutsche Soldaten bei Auslandseinsätzen wie in Mali zu schützen.

Apokalypse in Afghanistan

Damit war die Diskussionsrunde beim Thema Afghanistan angelangt. Der Mediziner Tankred Stöbe von "Ärzte ohne Grenzen" ist gerade aus dem Land zurückgekehrt. Dort hätten die bereits zuvor katastrophalen Zustände mittlerweile ein "apokalyptisches" Niveau erreicht. Stöbe berichtete von einem 18 Monte alten Jungen, der auf dreieinhalb Kilogramm – das Geburtsgewicht eines gesunden Babys– herabgehungert war und von den Ärzten nicht mehr gerettet werden konnte. "Das Leid braucht schnelle Antworten", appellierte er eindringlich an die Politiker in der Runde, auch mit Blick auf die bevorstehende nächste Corona-Welle in Afghanistan. "Da müssen bald Entscheidungen kommen, sonst kostet es Menschenleben."

Djir-Sarai war sich ebenfalls sicher: Ohne ausländische Hilfe wird es in Afghanistan eine humanitäre Katastrophe geben. Allerdings müsse im Gegensatz zu früher sichergestellt werden, dass das Geld an den richtigen Stellen ankomme und nicht einfach die neuen Machthaber stärke.

Kühnert erlaubte sich bei diesem Thema dann doch eine Meinung. Das Nationbuilding in Afghanistan sei gescheitert, weil die internationale Gemeinschaft dafür nicht genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt habe. In Mali stehe man nun vor denselben Problemen wie in Afghanistan: Mit verhältnismäßig wenig Einsatzkräften könne nur in Teilen des Landes ein Grundlevel an Sicherheit geschaffen werden. Die Deutschen und die Europäer stünden nun vor einer Grundsatzentscheidung: "Reicht uns das?"

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 14. Oktober 2021
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