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Auszeichnung für ermordeten Walter Lübcke: Sohn hält emotionale Rede


Mord an CDU-Politiker
Jetzt spricht Lübckes Sohn über den Tod des Vaters

Von t-online, rew

Aktualisiert am 02.12.2019Lesedauer: 5 Min.
Jan-Hendrik Lübcke spricht nach der Verleihung der Medaille: Der Sohn von Walter Lübcke rief zum Einsatz für die Demokratie auf.Vergrößern des BildesJan-Hendrik Lübcke spricht nach der Verleihung der Medaille: Der Sohn von Walter Lübcke rief zum Einsatz für die Demokratie auf. (Quelle: Andreas Arnold/dpa)
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Der Sohn des erschossenen Walter Lübcke hat eine Auszeichnung für seinen Vater entgegengenommen. Mit emotionalen Worten bedankte er sich für die Würdigung – und kämpfte mit den Tränen.

Ein halbes Jahr nach seiner Ermordung hat das Land Hessen den getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke posthum mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet. Das berichtet die "Hessenschau". Die Wilhelm-Leuschner-Medaille ist die höchste Auszeichnung des Landes und wird für den Einsatz für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit vergeben.

Walter Lübcke ist der erste Ehrenträger, der die Auszeichnung posthum erhält. An seiner Stelle nahm sein Sohn Jan-Hendrik Lübcke die Medaille bei dem Festakt in Wiesbaden entgegen. Lübcke verband seine Dankesrede mit einem Aufruf dazu, für die Demokratie zu kämpfen und sich Gewalt entschieden entgegenzustellen. Immer wieder musste Lübcke seine Rede kurz unterbrechen, da er sichtbar gegen Tränen kämpfte.

t-online.de veröffentlicht die Rede im Wortlaut:

"(...) meine Damen und Herren,

wir, meine Mutter, mein Bruder und ich, bedanken uns sehr herzlich bei Ihnen, Herr Ministerpräsident Bouffier, für die Entscheidung meinem Vater posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille zu verleihen. Ich bin sicher, dass mein Vater Ihre Worte gerne gehört hätte und er wäre sicherlich davon angetan gewesen, wie Sie sein Wirken und seine Standfestigkeit beschrieben haben. Vielen Dank!

Sie haben es in Ihrer Rede eindrucksvoll ausgeführt und ich möchte es sehr nachdrücklich unterstreichen: Unser Vater fehlt uns allen sehr. Man kann kaum ermessen, was einem angetan wird, wenn der eigene Ehemann, der eigene Vater und Opa erschossen wird. Und ich weiß, es vermissen ihn auch viele Freunde, Bekannte und Wegbegleiter wie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Kassel. Das haben wir in der vielfältigen Anteilnahme zu seinem Tode erfahren dürfen. Darum auch an dieser Stelle danke an alle, die uns nach seinem gewaltsamen Tod Trost gespendet, Unterstützung geleistet sowie Zuneigung entgegenbracht haben.

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Ich möchte mit meinen Worten für diese hohe Auszeichnung unseres Vaters und die damit verbundene Wertschätzung danken und an ihn und sein Handeln erinnern. Im Wesentlichen möchte ich aber auch einen eindringlichen Appell senden: Unser Vater war ein Mann des klaren Wortes, freiheitlicher Überzeugung und demokratischer Werte. Seinen Standpunkt konnte er mit Nachdruck, charmant und auch mit Ironie vertreten. Sein christliches Werteverständnis leitete stets sein Handeln.

So war es auch im Jahr 2015, als er sich der außerordentlichen Situation der geflüchteten Menschen stellte und sich der Vielfalt ihrer Probleme annahm. Das war für ihn selbstverständlich, dass man die geflüchteten Menschen in Nord- und Osthessen aufnahm. Zumal das Regierungspräsidium Kassel die Verantwortung für die Errichtung der Erstaufnahmeeinrichtung im Bezirk trug. Viele Menschen, besonders aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Regierungspräsidium Kassel waren neben verschiedenen Organisationen und Freiwilligen mit der Umsetzung betraut. Sie leisteten exzellente Arbeit, wofür unser Vater sehr dankbar war.

Bei der Umsetzung dieser Aufgabe waren auch seine besonderen Eigenschaften wie sein pragmatisches Handeln, seine Vernetzung in der Region und seine Bürgernähe eine große Hilfe für das gesamte Team. Auf die Aussage 'Sie haben viel geleistet, Herr Lübcke', erwiderte er immer: 'Man ist nur so gut wie sein Team.'

Wie wir alle wissen, gab es auch kritische Stimmen und Meinungen zur Flüchtlingspolitik. Auch hier war es seine Aufgabe zu reagieren, die Ängste in der Bevölkerung anzuhören und diese durch Aufklärung zu nehmen. Dies gehörte ebenso zu seinem Selbstverständnis, wie sich hasserfüllten Äußerungen entschieden entgegenzustellen und demokratische Werte zu verteidigen.

So auch bei der Veranstaltung in Lohfelden im Herbst 2015. Bei dieser wurde ein Halbsatz unseres Vaters aus dem Kontext gerissen. Vorangegangen waren provozierende und verächtliche Zwischenrufe zur Flüchtlingspolitik, gegen den deutschen Staat, gegen die Demokratie und gegen sein Handeln. Die eindeutige Positionierung gegenüber den Störenden wurde ihm schlussendlich zum Verhängnis. Der aus dem Kontext gerissene Halbsatz unseres Vaters gelangte durch die Hände der Mörder unmittelbar als Video ins Netz. Diese bewusst verkürzte Darstellung seiner Aussage führte nicht nur zu falschen inhaltlichen Interpretationen und Bewertungen, sondern wurde instrumentalisiert, um gegen ihn zu hetzen, ihn zu beleidigen und ihn zu denunzieren. Aus Worten wurden Taten: die unbegreifliche Ermordung unseres Vaters.

Auch Wilhelm Leuschner setzte sich als hessischer Innenminister für die Demokratie ein bis hin zur Unterstützung derer, die gegen das nationalsozialistische und antidemokratische Regime Widerstand leisteten. Er ließ sich auch nicht einschüchtern und stand zu seiner demokratischen Überzeugung. Doch dann im Jahr 1944 wurde er in Berlin-Plötzensee von seinen Gegnern hingerichtet. Schreckliches Resultat von rechtsradikaler und nationalistischer Gesinnung waren damals wie heute die Ermordung von Wilhelm Leuschner und die Ermordung unseres Vaters Walter Lübcke.

Besonders uns und unserer Familie fällt es schwer zu sehen und zu verstehen, wie der Extremismus wieder Raum in Deutschland findet und wie Extremisten ihr verirrtes Denken ungeschönt in die Öffentlichkeit grölen. Nicht weniger schlimm waren und sind die Kommentare und Statements, die im Geheimen und in aller Öffentlichkeit nach der Tat und sogar noch heute gesagt, gepostet, geteilt wurden und werden. Hass, Brutalität, Verrohung, Demokratieverachtung und die Herabsetzung des anderen werden zunehmend salonfähig, sogar vor einem feigen und hinterhältigen Mord schreckten die Extremisten nicht zurück.

Im Sinne unseres Vaters ist es unser aller Auftrag, diesem schrecklichen Ungeist entgegenzuwirken. Die Unkultur der Hetze und Diffamierung darf sich nicht verfestigen. Wir sind alle aufgefordert, demokratische Werte zu verteidigen, die schlimme Verrohung der Sprache zu stoppen, damit jetzige Generationen und nachfolgende in Frieden und Freiheit leben können. Also heißt es: sich erinnern, hinschauen, nicht wegsehen, das Gespräch suchen, sich einmischen und mitreden. Die Angst vor politischem Engagement darf sich nicht verfestigen. Gemeinschaftlich müssen wir dieser Angst entgegentreten. Verbale und körperliche Gewalt dürfen nicht toleriert werden.

Zum Schluss möchte ich gerne Bundespräsident Steinmeier aus seiner Weihnachtsrede 2018 zitieren: 'Mehr noch als der Lärm von manchen besorgt mich das Schweigen von vielen anderen.' Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"

Hessen will einen Preis nach Lübcke benennen

Wie die "Hessenschau" zudem berichtete, will das Land Hessen künftig eine weitere Auszeichnung vergeben: den "Walter-Lübcke-Demokratie-Preis". Wie der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier bei dem Festakt ankündigte, sollen Menschen mit dem Preis geehrt werden, die sich in besonderer Weise für Demokratie engagieren.


Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war am 2. Juni in seinem Haus erschossen worden. Hauptverdächtig ist der Rechtsextreme Stephan E., der die Tat zunächst gestand und nach wenigen Tagen widerrief. Kürzlich kündigte E. an, ein neues Geständnis ablegen zu wollen.

Verwendete Quellen
  • Hessenschau.de: Emotionale Ehrung für ermordeten Walter Lübcke
  • Video der "Hessenschau" von Jan-Hendrik Lübckes Rede
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