Bundestag AfD scheitert bei Wahl um Ausschussvorsitze

Knapp drei Monate nach der Wahl kommen die Ausschüsse im Bundestag zu konstituierenden Sitzungen zusammen. Sechs davon würde die AfD gern leiten – ihre Kandidaten scheitern aber bei der Wahl.
Auch in der neuen Wahlperiode bleibt die AfD bei der Besetzung von Ausschussvorsitzen im Bundestag außen vor. In den konstituierenden Sitzungen der Ausschüsse verfehlten alle ihre Kandidaten bei Wahlen zum Vorsitz wie erwartet eine Mehrheit.
Das betrifft neben dem Haushaltsausschuss die Ausschüsse für Recht- und Verbraucherschutz, Finanzen, Arbeit und Soziales, Inneres und den Petitionsausschuss, wo die AfD-Fraktion jeweils das Vorschlagsrecht zur Besetzung des Vorsitzes bekommen hatte. Da keine Vorsitzenden gewählt wurden, übernahmen kommissarisch die jeweils dienstältesten Mitglieder die Leitung dieser Ausschüsse, darunter sind keine AfD-Politiker.
Lauterbach und Esken leiten jetzt Ausschüsse
In anderen Ausschüssen wurden prominente Politiker an die Spitze gewählt: So leitet Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jetzt den Forschungsausschuss, die scheidende SPD-Chefin Saskia Esken den Ausschuss für Bildung und Familie und der frühere Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) den Auswärtigen Ausschuss.
AfD spricht von Ausgrenzung - CDU weist das zurück
Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla bezeichneten die Nicht-Wahl ihrer Kandidaten als Ausgrenzung und Diskriminierung der größten Oppositionskraft. "Wir fordern endlich die anderen Parteien auf, diese Spielchen zu beenden", sagte Chrupalla. Man habe "hochqualifizierte und untadelige Persönlichkeiten aufgestellt", sagte Weidel. Diese würden im Akt einer parteipolitischen Willkür nicht gewählt.
Die CDU wies das zurück. Jede Fraktion habe das gute Recht, ihre Kandidaten vorzustellen, sagte Fraktionsvize Sepp Müller im Fernsehsender "Welt". Diese bräuchten dann eine Mehrheit. "Ich weiß nicht, was da undemokratisch ist. Im Gegenteil: Das höchste demokratische Gut ist eine Wahl im jeweiligen Ausschuss", sagte Müller.
Mini-Parlamente zentral für Gesetzesarbeit
Der aktuelle Bundestag hat 24 Ausschüsse. Die auf verschiedene Themenfelder spezialisierten Gremien spielen eine zentrale Rolle in der Gesetzesarbeit. In ihnen sitzen entsprechend den Mehrheitsverhältnissen des Bundestags wie in einem Mini-Parlament Fachpolitiker der verschiedenen Fraktionen.
Sie bereiten die Gesetzesbeschlüsse vor, die später im Plenum getroffen werden, hören dafür Experten an und kommen in Krisensituationen zu Beratungen zusammen. Die Ausschussvorsitzenden berufen die Sitzungen ein, bereiten diese vor, leiten sie und repräsentieren den Ausschuss nach außen.
Fraktionen können Ausschussvorsitze "greifen"
Welche Fraktion für welchen Ausschuss einen Vorsitzenden nominieren kann, wird in einem sogenannten Zugriffsverfahren entschieden. Je nach Stärke der Fraktion darf diese eine bestimmte Anzahl an Ausschüssen "greifen". Das passiert Ausschuss für Ausschuss in einer bestimmten Reihenfolge, die sich auch nach der Fraktionsstärke richtet. Der Haushaltsausschuss geht traditionell an einen Abgeordneten der stärksten Oppositionsfraktion – in diesem Falle wäre das die AfD.
AfD schon einmal mit Klage gescheitert
Früher wurden entsprechend diesem Vorschlagsrecht bei den konstituierenden Sitzungen die Vorsitze im Konsens bestimmt. Schon in der vergangenen Wahlperiode wurden aber in den Ausschüssen, die der AfD zufielen, Wahlen über den Vorsitz beantragt, bei denen die AfD-Bewerber abgelehnt wurden.
Die AfD sah ihre Rechte auf Gleichbehandlung als Fraktion verletzt und hatte vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Das entschied aber, die Ausgestaltung des Besetzungsverfahrens sei eine innere Angelegenheit des Parlaments.
AfD-Debatte in Union
Nach der Bundestagswahl, bei der die AfD ihren Stimmenanteil verdoppelt hatte, war es in der Union zu einer Debatte über den künftigen Umgang mit der Partei im Bundestag gekommen. Der CDU-Politiker Jens Spahn – inzwischen Unionsfraktionschef – hatte sich dafür ausgesprochen, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien und damit eine Kontroverse ausgelöst.
Nach der Hochstufung der AfD zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" Anfang Mai durch den Bundesverfassungsschutz – die aktuell aber wieder auf Eis gelegt ist – hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gesagt, für ihn sei es jetzt "unvorstellbar, dass Abgeordnete im Deutschen Bundestag AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden wählen".
Union und SPD empfehlen Ablehnung – aber auch Kritik
Vor den Ausschusssitzungen sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese: "Wir wählen Abgeordnete der AfD nicht zu Ausschussvorsitzenden heute." Ähnliche Töne kamen aus der Union. Man empfehle den Unionsabgeordneten, die Kandidaten der AfD nicht zu wählen, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Steffen Bilger (CDU) im Deutschlandfunk und führte zur Begründung an, die AfD werde "auch im Bundestag immer radikaler, immer extremer".
Doch es gibt auch Kritik in den schwarz-roten Reihen: Er stelle sich in den Dienst dieser gemeinsamen Entscheidung von Union und SPD, sagte Hendrik Hoppenstedt (CDU), einer der anderen parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion. "Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass wir damit das AfD-Problem nicht an der Wurzel packen." Er fügte hinzu: "Die AfD nutzt jede Gelegenheit, um sich als Opfer hinzustellen. Diese Möglichkeit möchte ich ihnen gern nehmen."
- Nachrichtenagentur dpa