Umstrittene SPD-Richterkandidatin Brosius-Gersdorf zieht Kandidatur zurück

Nach der gescheiterten Verfassungsrichterwahl im Bundestag stand lange Zeit nicht fest, ob Frauke Brosius-Gersdorf erneut zur Wahl steht. Nun hat die Kandidatin eine Entscheidung getroffen.
Die umstrittene SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf will nicht länger Bundesverfassungsrichterin werden. Eine entsprechende Erklärung veröffentlichte die Bonner Kanzlei, die sie vertritt. Zuerst hatte die "Zeit" berichtet.
Brosius-Gersdorf begründete den Schritt mit Äußerungen aus der Union. "Mir wurde aus der CDU/CSU-Fraktion – öffentlich und nicht öffentlich – in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist." Sie wolle dadurch nicht die Wahl der anderen beiden Kandidaten gefährden, "die ich schützen möchte", erklärt sie. Sie wolle eine Entwicklung verhindern, "deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind".
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Dagegen habe die SPD "uneingeschränkt vor und hinter mir" gestanden. "Für sie ist es eine Prinzipienfrage, dem Druck unsachlicher und diffamierender Kampagnen nicht nachzugeben."
Brosius-Gersdorf wollte Schaden für das Gericht vermeiden
Die Wahl von Brosius-Gersdorf und zwei weiteren Nominierten für das höchste deutsche Gericht war im Juli im Bundestag kurzfristig abgesetzt worden. Teile der Unionsfraktion hatten Vorbehalte gegen die von der SPD nominierte Kandidatin. Als Grund wurden unter anderem Äußerungen zum Schwangerschaftsabbruch und zu einer möglichen Impfpflicht in Corona-Zeiten angeführt. Auch meldete sich kurz vor der geplanten Wahl der Plagiatssucher Stefan Weber mit Fragen zur Dissertation der Staatsrechtlerin zu Wort.
Brosius-Gersdorf hatte zunächst an ihrer Nominierung festgehalten. Sie hatte in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" aber auch erklärt, sie würde verzichten, falls dem Gericht in der Debatte Schaden drohen sollte. "Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten." Das Bundesverfassungsgericht müsse in Ruhe arbeiten können und funktionsfähig bleiben.
Die Jura-Professorin betonte damals: "Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert. Das sind alles Aspekte, die nehme ich unheimlich ernst und die bedenke ich."
Geplatzte Wahl im Bundestag
Obwohl die Fraktionsführung der Union die Nominierung von Brosius-Gersdorf zunächst mitgetragen hatte, konnte sie die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung unmittelbar vor der geplanten Wahl nicht mehr garantieren. Auch die Wahlen des Unionskandidaten Günter Spinner und der zweiten SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold wurden von der Tagesordnung genommen.
Brosius-Gersdorf hatte von Drohungen berichtet
In einer früheren schriftlichen Stellungnahme hatte die Juristin die gegen sie erhobenen Vorwürfe deutlich zurückgewiesen. "Die Bezeichnung meiner Person als 'ultralinks' oder 'linksradikal' ist diffamierend und realitätsfern", heißt es darin. In manchen Medien sei zudem falsch über ihre Position zum Schwangerschaftsabbruch berichtet worden. Im ZDF betonte Brosius-Gersdorf: "Ich vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft." Dies könne jeder nachlesen.
Brosius-Gersdorf hatte auch berichtet, sie habe Drohungen und verdächtige Poststücke erhalten. "Ich musste vorsorglich meine Mitarbeitenden bitten, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten", sagte die Juristin im ZDF. Die Berichterstattung über die Verfassungsrichterwahl und ihre Person sei "nicht spurlos an mir vorbeigegangen, nicht an mir, nicht an meinem Mann, an meiner Familie, meinem gesamten sozialen Umfeld."
Schlappe für die Koalition
Für die schwarz-rote Koalition war die geplatzte Richterwahl eine Schlappe. "Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt", hatte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) in einem Brief an seine Fraktion geschrieben. Er gab aber auch der SPD eine Mitverantwortung für die gescheiterte Suche nach einem Kompromiss.