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Angela Merkel bei "Anne Will": Die Kanzlerin zeigt sich kämpferisch


TV-Kritik: Merkel bei "Anne Will"
"Lassen uns nicht über den Tisch ziehen"

Eine TV-Kritik von David Heisig

Aktualisiert am 11.06.2018Lesedauer: 4 Min.
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Klartext nach G7-Eklat: Angela Merkel mit Talkshow-Moderatorin Anne Will.Vergrößern des Bildes
Klartext nach G7-Eklat: Angela Merkel mit Talkshow-Moderatorin Anne Will. (Quelle: Wolfgang Borrs/NDR/dpa-bilder)

Nach dem G7-Gipfel in Kanada reist Bundeskanzlerin Angela Merkel mit "Ernüchterung" im Gepäck zu "Anne Will". Das Gebaren von US-Präsident Donald Trump sollte aber nicht das einzige heiße Eisen der Sendung bleiben.

Die Fronten

Die Liste der Fragen an die Bundeskanzlerin war lang. Will musste sie stellvertretend stellen. Denn schon fast einer Tradition folgend besuchte Angela Merkel die Moderatorin in ihrer Sendung exklusiv. Ohne weitere Talkgäste. So blieb es an Will, Merkels Konterpart zu geben. Das tat sie ungewohnt forsch. „Warum lassen sie sich Ihre Machtlosigkeit immer so vorführen?“, fragte sie die Bundeskanzlerin zu deren Zusammentreffen mit Donald Trump. Fast schon ein wenig trotzig antwortete die stellvertretend für die anderen Europäer und Trump-Bedrohten: "Das tun wir nicht." Gegen die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium ergreife man Gegenmaßnahmen.

"Wir lassen uns nicht eins ums andere Mal über den Tisch ziehen. Wir handeln dann auch", sagte die Kanzlerin. Die Zeiten, in denen man sich auf die Amerikaner verlassen könne, seien also vorbei, legte Will nach. "Ganz würde ich nicht sagen, aber es war natürlich ein ernüchterndes Erlebnis", so Merkel. Sie spielte darauf an, dass die G7 erst gemeinsam ein Kommuniqué mit Kompromissen erarbeitet haben, das Trump umgehend in Frage stellte. "America first eben", das sei Trumps Motto. Ein Grund mehr für die Europäer, "das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen", so die Kanzlerin.


Überzeugen konnte sie Will nicht. Auch auf Trumps Ideen, aus den G7 mit Russland wieder die G8 zu machen oder kompletten Freihandel zu etablieren, kamen von Merkel ausweichende Antworten. Das müsse man alles prüfen. So spielten beim Freihandel nicht nur Zölle, sondern auch Marktzugänge und Subventionen eine Rolle. Mit Russland könne man reden, wenn das Minsker-Abkommen durchgesetzt werde. Europa dürfe nicht zwischen den Interessen der USA, Russlands und Chinas zerrieben werden, sondern müsse die eigenen Positionen stärken. Sonst sei man kein wichtiger Faktor mehr in der Welt, so Merkel.

Wie das gehen solle, wenn Europa zerstritten bleibe, fragte Will. Die Kanzlerin verwies auf Erfolge, etwa in der strategischen Kooperation zur Verteidigungspolitik. Des Weiteren gebe es eben "Durststrecken". Diese machte Will auch in den Deutsch-Französischen Beziehungen aus. Immerhin habe die Kanzlerin den Vorstoß von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, einen EU-Finanzminister mit eigenem Budget zu schaffen, abgekanzelt.

Der Aufreger des Abends

Zwangsläufig musste das Duo zum traurigen Fall der getöteten 14-Jährigen aus Mainz kommen. Zu Führungsdefiziten und Chaos beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) fragte Will ganz nüchtern: "Warum haben sie nicht für Ordnung gesorgt?" Sie habe mit der Einsetzung von Frank-Jürgen Weise im Herbst 2015 zum Leiter des Bamf "selten wie sonst in ihrem politischen Leben" gehandelt und Ordnung ins Bamf gebracht, konterte Merkel. Angesichts der außergewöhnlichen Situation des Flüchtlingszustroms seien das Amt, das Bundesinnenministerium und der Flüchtlingsstab besonders belastet und gefordert gewesen.

Will legte nach: die verkürzten schriftlichen Verfahren seien vom Gesamtpersonalrat des Bamf in einem offenen Brief an Weise als Problem beschrieben worden. Die Entscheidungspraxis sei demnach nicht rechtsstaatlich gewesen. Ob sie den Vertrauensschaden in die Rechtsstaatlichkeit in Kauf genommen habe, fragte Will. Der aktuelle Fall aus Wiesbaden lege zudem nicht den Schluss nahe, es werde jetzt sicher entschieden. Zumal viele abgelehnte Asylbewerber – wie der verdächtigte Iraker – den Widerspruchsweg über das Verwaltungsgericht gingen. Merkel erwiderte, man müsse das stark angeschlagene Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herstellen. Sie übernehme dafür Verantwortung. Mit den Ankerzentren, beschleunigten Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und der Abschiebung derer ohne Aufenthaltsstatus.

Viel Gegenwind bekam die Kanzlerin für ihre Position in den sozialen Netzwerken. Allein im Gästebuch zur Sendung fanden sich über 1200 Einträge. Gerade das mit dem "Verantwortung übernehmen", kauften ihr viele dort nicht ab. Ein User schrieb, wenn die Kanzlerin von den Problemen gewusst und sich gekümmert habe, dann sei das Kümmern umsonst gewesen. Einige setzten "Verantwortung übernehmen" auch in Korrelation zu "im Amt bleiben". Ein User meinte, ein straffälliger Mensch habe sein Recht auf Asyl verwirkt. Andere streuten ein, es gebe nicht nur „Problem-Ausländer“, sondern auch hochgebildete Fachleute, die „fleißig Steuern zahlen“. Es bedürfe eines Einwanderungsgesetzes, das die Position dieser Menschen stärke. Die GroKo müsse diese Debatte nur wieder anstoßen. Andere betonten, man müsse, statt über die Probleme mit dem Flüchtlingsstrom zu lamentieren, die Fluchtursachen beleuchten und bekämpfen.

Der Faktencheck

Merkel betonte, der schiere Faktor der Wirtschaftsstärke und Innovationskraft der USA statte Trump mit großer Macht aus. In der Tat: Die US-Konjunktur läuft, das Wachstum ist robust und die Arbeitslosigkeit gesunken. Zudem entwickeln sich die Löhne entsprechend. Zudem versprechen sich von der Steuerreform Trumps Experten einen weiteren Wachstumsschub und eine Werbung für Unternehmen, in den Standort USA zu investieren. Trumps Protektionismus könnte hierbei gar förderlich sein. Die USA bleiben die größte Volkswirtschaft der Welt mit dem Dollar als Leitwährung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2018 bei rund 20,4 Billionen US-Dollar liegen. Zum Vergleich: 2017 lag das BIP in Deutschland bei etwa 3,2 Billionen Euro. Zudem sind hier viele weltbekannte Marken zu Hause und prägen führende Technologien. Auch die Demografie spielt eine Rolle. Die US-amerikanische Gesellschaft ist jung. Im Schnitt 36,9 Jahre.

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