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Nach Corona-Gipfel – Reaktionen: "Jetzt ist nicht die Zeit für Reisen"


Corona-Gipfel
"Eigentlich müssten wir sagen: Bleiben Sie zu Hause"

Von dpa, afp, rtr, t-online
Aktualisiert am 15.10.2020Lesedauer: 6 Min.
Helge Braun (CDU), Chef des Bundeskanzleramtes: "Im Grundsatz ist eigentlich, was wir sagen müssten: Bleiben Sie zu Hause".Vergrößern des BildesHelge Braun (CDU), Chef des Bundeskanzleramtes: "Im Grundsatz ist eigentlich, was wir sagen müssten: Bleiben Sie zu Hause". (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)
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Bund und Länder haben sich auf Einschränkungen angesichts steigender Corona-Infektionen geeinigt. Doch die Bundeskanzlerin ist nicht zufrieden. Und auch Ministerpräsident Söder spricht Warnungen aus.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hält die neuen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für noch nicht ausreichend. Deutschland stehe am Anfang einer sehr großen zweiten Infektionswelle, sagt Braun in der ARD. "Im Grundsatz ist eigentlich, was wir sagen müssten: Bleiben Sie zu Hause – so wie wir es im März/April hatten. Jetzt ist nicht die Zeit für Reisen." Eigentlich müssten jetzt alle Kontakte halbiert werden, um die Pandemie einzudämmen, ergänzt Braun.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich mit den Beschlüssen unzufrieden. "Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden", sagte die CDU-Politikerin nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern. "Es reicht einfach nicht, was wir hier machen." Nach der Sitzung betonte Merkel, ob die Beschlüsse reichen oder nicht, werde man sehen. "Deshalb ist meine Unruhe mit dem heutigen Tag noch nicht weg." Merkel machte deutlich, dass sich ihre Unzufriedenheit vor allem auf die umstrittenen Beherbergungsverbote bezieht.

Auch Söder skeptisch, ob Maßnahmen reichen

Aus Sorge vor einer unkontrollierbaren Ausbreitung der Corona-Pandemie mit unabsehbaren Folgen für Bürger und Wirtschaft haben sich Bund und Länder auf neue Gegenmaßnahmen in Hotspots geeinigt.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat Zweifel, ob die neu beschlossenen Gegenmaßnahmen am Ende ausreichen. Er hält die Corona-Lage fast für gefährlicher als im Frühjahr. Man sei zwar einen deutlichen Schritt vorangekommen, sagte Söder am Mittwochabend in Berlin. "Aber ob das reicht, ist meiner Meinung nach offen." Das werde man erst nach zehn Tagen oder zwei Wochen sehen.

Merkel: "Lieber heute auf'n paar Feten verzichten"

Sollten die aktuell beschlossenen Maßnahmen nicht reichen, müssen nach Darstellung Söders noch striktere Kontaktbeschränkungen erwogen werden. "Kontakte verfolgen kann man nur, wenn man Kontakte vielleicht beschränkt und reduziert." Das Problem sieht er vor allem bei privaten Zusammenkünften, wo keine Masken getragen werden. Söder betonte: "Das größte Land in Europa muss stabil bleiben."

Merkel appellierte bei der Pressekonferenz mit Blick auf die aktuelle Corona-Entwicklung vor allem an junge Menschen, sich einzuschränken. "Gerade die Jugend ist es, an die wir jetzt auch appellieren müssen, lieber heute auf 'n paar Feten und Feiern und Partys zu verzichten, um morgen und übermorgen gut leben zu können." Man habe es hier mit einer Riesenherausforderung zu tun, die ganz viel nach sich ziehen könne, sagte Merkel nach den rund achtstündigen Beratungen.

Länder streiten über Beherbergungsverbot

"Deutschland kann sich einen zweiten Lockdown nicht leisten", erklärte Merkel mit Hinweis darauf, dass der Bund bereits in diesem Jahr 200 Milliarden Euro Schulden aufnehme, um die Corona-Folgen bewältigen zu können. "Sollte ein zweiter Lockdown kommen, würde dies den Wohlstand des Landes fundamental gefährden", warnte auch der CSU-Chef. Getrieben wurde die Debatte durch die stark steigenden Infektions-Zahlen. "Wir sind bereits in der exponentiellen Phase", warnte die Kanzlerin.

Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Daran gab es massive Kritik. Bund und Länder fanden auch im Kanzleramt an diesem Mittwoch keine Einigung und vertagten das Thema erst einmal bis zum 8. November. Bis dahin soll diese Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) betonte zur Diskussion über die Beherbergungsverbote: "Wir für das Saarland jedenfalls werden von Beherbergungsverboten ab sofort Abstand nehmen." Diese Verbote hätten sich "nicht bewährt". Mittlerweile seien weite Teile Deutschlands davon betroffen. Er sei froh, dass zum Ende der Herbstferien in allen Bundesländern diese Maßnahme evaluiert werden soll:

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisierte die Vertagung der Entscheidung zum Beherbergungsverbot. "Das ist eine Enttäuschung. Das Beherbergungsverbot in der jetzigen Form ist nicht verhältnismäßig. Es trifft so viele Menschen, die nichts mit dieser Krankheit zu tun haben, und deswegen wäre es besser gewesen, wenn es hier eine Verständigung gegeben hätte. Wir sind ein Land und deswegen muss es auch möglich sein, dass die Menschen sich bewegen können."

Die sächsische Staatsregierung werde am Donnerstag darüber beraten. "Wir werden auch jetzt noch vor den Ferien die Möglichkeit schaffen, dass die Sachsen in den Urlaub fahren können." Aber sie könnten eben nicht beispielsweise nach Mecklenburg-Vorpommern fahren, weil es dort eine "restriktive Regelung" gebe. Kretschmer sagte: "Ich bin schon der Meinung, dass wir jetzt auch konsequent handeln müssen, ohne Hysterie. Aber gerade diese Maßnahme ist aus meiner Sicht zu rabiat. Sie trifft viel zu viele Menschen, die nichts mit dieser Krankheit zu tun haben."

Die umstrittenen Reisebeschränkungen in Mecklenburg-Vorpommern könnten jedoch teilweise fallen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) will prüfen, ob auf die mindestens fünftägige Quarantäne und die Pflicht zu einem Test danach künftig verzichtet wird. "Das hängt aber davon ab, wie die Infektionszahlen in unserem eigenen Bundesland sich weiter entwickeln und ob dieses bundesweite Ampelsystem konsequent in Deutschland umgesetzt wird", sagte Schwesig.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte die Bedeutung der Mobilität bei der Eindämmung des Virus in Deutschland. Die meisten der vergleichsweise wenigen Infektionen in Sachsen-Anhalt gingen auf Reisende aus dem In- und Ausland zurück, sagte der Regierungschef. Er sprach sich für eine Regelung aus, die möglichst in den Hotspots und nicht in den Zielgebieten der Reisenden greift. Sachsen-Anhalt sei auf die Disziplin der Länder mit vielen Infektionen angewiesen. "Momentan ist der Erfolg der anderen, in den Hotspots, entscheidend dafür, dass wir unsere Lage weiterhin so gut im Griff behalten."

Thüringen lehnt das Beherbergungsverbot bislang ab. Ministerpräsident Bodo Ramelow betonte, dass die Länder dieses Thema nach den Herbstferien gemeinsam neu bewerten wollen. Zu den neuen Regeln sagte der Linken-Politiker: "Das sind die Maßnahmen, auf die sich dann auch Thüringen wird einstellen müssen." Die aktuelle Corona-Verordnung läuft im Freistaat noch bis Ende Oktober. Es werde Anpassungen geben, machte Ramelow klar, "aber immer abhängig vom Infektionsgeschehen."

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sieht ein Beherbergungsverbot zur Eindämmung der Corona-Pandemie weiter kritisch. Ein solches Verbot habe für die Hansestadt als Zentrum einer 5-Millionen-Einwohner-Metrolpolregion "kaum eine positive Wirkung", sagte der SPD-Politiker. "Viele andere Bundesländer bestehen aber darauf." Über eine bundeseinheitliche Regel solle Anfang November entschieden werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hält die neuen Einschränkungen für zumutbar. "Ich weiß, was wir vielen Menschen zumuten", sagte der SPD-Politiker nach den Beratungen. "Aber was können wir eigentlich noch tun, um jedem begreiflich zu machen: Wir sind in einer weltweiten Krise. Und in einer weltweiten Krise gibt es Einschränkungen." Und diese könnten erheblich dramatischer sein, als das, was Bund und Länder bisher beschlossen hätten.

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Der Deutsche Tourismusverband zeigte sich enttäuscht darüber, dass das Beherbergungsverbot fortbestehen soll. "Es ist herber Rückschlag für das Reiseland Deutschland, dass die Beherbergungsverbote in vielen Bundesländern zunächst weiter Bestand haben", sagte Geschäftsführer Norbert Kunz am Mittwochabend. Der Urlaub in Deutschland habe, wenn man die Regeln einhalte, kein besonderes Gefährdungspotential. Die Gastgeber von Ferienwohnungen und Hotels hätten bewiesen, dass sie die Kontakt- und Hygieneregeln ernst nähmen und umsetzten. "Übernachtungen sind nicht das Problem und sollten deshalb weiterhin möglich sein." Auch Christian Rusche, Wettbewerbsökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, sieht das so. "Ein Beherbergungsverbot schadet viel mehr, als es im Kampf gegen die Pandemie nützt", sagte er zu t-online.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält die Verabredungen von Bund und Ländern zur Eindämmung des Coronavirus für einen Erfolg. Es seien große Fortschritte erreicht worden, sagte der Grünen-Politiker. In einer Reihe von Fragen seien "drastische Einschnitte" beschlossen worden. "Das wird uns alle sehr treffen", sagte Kretschmann. Ob die Maßnahmen genügten, würden die nächsten Tage zeigen.

Das Robert Koch-Institut hatte am Mittwoch 5.132 Ansteckungen gemeldet. Für Donnerstag wird eine Zahl über 6,000 erwartet. In EU-Nachbarländer schossen sich Zahlen so stark in die Höhe, dass etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Mittwochabend eine Sperrstunde für französische Großstädte von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr morgens verkündete.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
  • Statement Christian Rusche
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