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Corona-Krise: Gibt es überhaupt eine Mehrheit für die Impfpflicht im Bundestag?


Entscheidung im Bundestag
Gibt es eine Mehrheit für die Corona-Impfpflicht?


01.12.2021Lesedauer: 5 Min.
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Fraktionen im Bundestag: Nicht in allen Parteien sind die Mehrheiten bei einer Abstimmung zur Impfpflicht klar.Vergrößern des Bildes
Fraktionen im Bundestag: Nicht in allen Parteien sind die Mehrheiten bei einer Abstimmung zur Impfpflicht klar. (Quelle: Janßen/imago-images-bilder)

Nun soll die allgemeine Impfpflicht doch kommen. Dabei haben sich Politiker aller Parteien lange dagegen ausgesprochen. Doch inzwischen überwiegen ganz pragmatische Argumente.

Die Bund-Länder-Schalte zur Corona-Krise war am Dienstag noch nicht vorbei, da vibrierten schon die Eilmeldungen auf den Handys: Olaf Scholz spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus.

Es ist eine neue Volte in der voltenreichen deutschen Corona-Politik. Noch im September hatte der designierte Kanzler eine Debatte über eine Impfpflicht abgelehnt, und er war längst nicht der Einzige.

Inzwischen jedoch zeichnet sich ab, dass sich noch immer viel zu wenige Menschen freiwillig impfen lassen – trotz der kritischen Lage. Knapp über 71 Prozent haben mindestens eine Impfung. Deutlich zu wenige, um die Pandemie einzuhegen.

Nun soll alles ganz schnell gehen. Noch in diesem Jahr könnte dem Willen von Scholz zufolge ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag zumindest beginnen. Bis Anfang Februar oder Anfang März soll die allgemeine Impfplicht dann stehen.

Weil die Frage so heikel ist, will Scholz für die Impfpflicht den Fraktionszwang im Bundestag aufheben und die Abstimmung zu einer sogenannten Gewissensentscheidung machen: Die Abgeordneten sind dann nicht mehr angehalten, genau so zu stimmen wie ihre Fraktion, sondern sollen sich komplett frei entscheiden.

Wie also ist die Stimmung in den Fraktionen? Ist eine Mehrheit absehbar? t-online hat sich umgehört.

SPD:

Nicht nur Olaf Scholz war in der SPD lange gegen eine allgemeine Impfpflicht. Es gab viele andere, die sich angesichts des Eingriffs in die Selbstbestimmung skeptisch zeigten. Und die hofften, dass die Menschen schon vernünftig genug sein würden, sich impfen zu lassen. Obwohl einige von Beginn an nicht glücklich damit waren, dass eine Impfpflicht auch aus den eigenen Reihen heraus ausgeschlossen wurde.

Inzwischen aber hat sich bei einer deutlichen Mehrheit der Abgeordneten in der größten Bundestagsfraktion die Meinung gewandelt. Auch aus der Erkenntnis heraus, dass die Impfquote noch lange nicht ausreicht, um eine mögliche fünfte und sechste Welle zu verhindern. Und dann würden diejenigen, die sich fleißig geimpft haben, im Zweifel ein weiteres Mal unter den Impfmuffeln leiden müssen.

Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), hat das wohl stellvertretend für viele so ausgedrückt: "Viele Menschen, die sich impfen lassen haben, die sich jetzt boostern lassen und sich an die Regeln halten, sind total frustriert."

Prognose: Große Mehrheit für die allgemeine Impfplicht.

Grüne:

Noch Mitte Juli ließ die Berichterstatterin für Infektionsschutz der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, folgende Stellungnahme über den offiziellen Presseverteiler der Fraktion verbreiten: "Die Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen oder gar die gesamte Bevölkerung ist nicht zielführend."

Inzwischen hat sich die Meinung der Mehrheit in der Fraktion dem Vernehmen nach deutlich gewandelt. Aus sehr ähnlichen Gründen wie bei der SPD: Es reicht eben nicht. Im Sinne einer Politik, die vorausschaut und nicht immer zu spät reagiert, müsse eine allgemeine Impfpflicht nun auf den Weg gebracht werden. Auch damit dann wirklich alles funktioniert, also zum Beispiel genügend Impfstoff zur Verfügung steht.

Allerdings, das betonen die Grünen auch immer wieder, helfe die Impfpflicht nicht, die aktuelle Welle zu brechen. Dafür brauche es jetzt Einschränkungen.

Prognose: Deutliche Mehrheit dafür.

FDP:

In der FDP ist man gespalten: Einerseits, sagen viele Abgeordnete, ist man gegen die Impfpflicht. Dass der Staat den Bürgern vorschreibt, was sie sich in den Arm spritzen lassen müssen, widerspricht den Idealen der Liberalen. Doch die Gruppe derer, die so argumentieren, schwindet.

Denn auch die FDP sieht natürlich, wie stark sich das Virus in Deutschland ausbreitet. Und auch die Liberalen haben bereits große Sorge vor einer fünften Welle. Daher heißt es nun: Es könnte in diesem Fall eine Ausnahme geben, schlicht, damit die pandemische Lage irgendwann endet.

Die Befürworter in der Fraktion könnten argumentieren, dass es bei Weitem nicht die erste Ausnahme ist: Bereits seit 2019 gilt auch eine Impfpflicht gegen Masern bei Kindern und gesundheitlichem Personal.

Prognose: Nicht ganz so eindeutige Mehrheit für eine Pflicht.

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Union:

Markus Söder hat sich in der Pandemie-Bekämpfung einen Namen als Hardliner gemacht. Und bleibt diesem Ruf auch in Sachen Impfpflicht treu. Die verpflichtende Impfung bezeichnete der bayrische Ministerpräsident im ZDF-"Bericht aus Berlin" jetzt als "die einzige Chance, um aus dieser Endlosschleife herauszukommen". Sie sei ein Mittel gegen die Spaltung der Gesellschaft.

In diesem Punkt sind sich die beiden Parteien der Unionsfraktion im Bundestag einig. Auch in den Reihen der CDU zeichnet sich eine immer einheitlichere Stimmung zugunsten der Impfpflicht ab. Helge Braun, Kandidat für den Parteivorsitz, etwa steht der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht inzwischen offen gegenüber, obwohl er sie vor wenigen Wochen noch strikt abgelehnt hatte.

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich dagegen weiterhin skeptisch. Er fordert seit Längerem eine bundesweite 2G-Regelung mit harten Einschränkungen für Ungeimpfte.

Prognose: Ziemlich einheitliche Abstimmung für die Impfpflicht.

Linke:

Die Linke ist bei der Frage nach der Impfpflicht zerrissen. Vor einigen Wochen noch hätte sie einen gesetzlichen Zwang wohl mit großer Mehrheit abgelehnt. Die aktuelle Lage aber sorgt auch bei vielen Linken für ein Umdenken.

Der Bundesvorstand der Partei beriet am Dienstagabend und entschied: Impfen sei ein solidarischer Akt, man spreche sich für eine generelle Impfpflicht aus – allerdings als Ultima Ratio, als allerletztes Mittel. Vorher noch müssten zum Beispiel neue Wege zur Aufklärung gefunden und mobile Impfangebote ausgebaut werden.

Dass alle Mitglieder der Bundestagsfraktion dem Votum des Parteivorstands folgen, ist nicht zu erwarten. Zu zerstritten ist dafür die Partei, zu unterschiedlich die Ansichten zur Corona-Politik. Mit Sahra Wagenknecht findet sich ein impfskeptisches Kraftzentrum in ihrer Mitte. Die ehemalige Fraktionsvorsitzende wertet eine Corona-Impfpflicht als Schritt in Richtung "Gesundheitsdiktatur". Einige werden dieser Argumentation wohl folgen.

Prognose: Eine eindeutige Mehrheit für oder gegen die Impfpflicht ist derzeit nicht zu erwarten.

AfD:

Die AfD steht mit den Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern auf Kriegsfuß, als einzige Partei adressiert und nährt sie explizit auch die absurdesten Sorgen von Ungeimpften. Für den eigenen Schutz gegen das Virus sorgen einige AfD-Politiker allerdings trotzdem vor. Als geimpft geoutet haben sich schon Ehrenvorsitzender Alexander Gauland und Bundessprecher Jörg Meuthen.

Sie betonten aber: Die Entscheidung müsse freiwillig bleiben. So steht es auch im AfD-Wahlprogramm. Fraktionschef Tino Chrupalla teilte am Mittwoch mit, dass er mit einer "hundertprozentigen" Ablehnung durch seine Fraktion rechne. Bei einer Debatte im Bundestag dürfte die AfD die anderen Parteien wohl nun noch stärker angreifen, weil sie in der Impfpflicht-Frage ihre Haltung geändert haben.

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Prognose: Wohl quasi geschlossene Mehrheit dagegen.

Es wäre wohl eine deutliche Mehrheit

Noch sind diverse Detailfragen zu klären, und im Bundestag steht zunächst ohnehin noch die Impfpflicht für bestimmte Einrichtungen auf der Tagesordnung. Die soll schon vorher kommen. Aber auch jetzt wird schon klar: Eine Mehrheit für die allgemeine Impfpflicht fände sich im Bundestag ganz offensichtlich zusammen.

Was das dann in der Praxis bedeuten könnte, machte der designierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schon einmal klar. Er gehe davon aus, sagte der Jurist dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass bei einem Verstoß gegen die Impfpflicht ein Bußgeld verhängt würde. "Käme es zu einer allgemeinen Impfpflicht, gibt es einen breiten Konsens unter Verfassungsrechtlern, dass es nicht zulässig wäre, Menschen zur Impfung zu zwingen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Infos der Nachrichtenagentur dpa
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