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Kriegt die AfD-Stiftung jetzt Geld vom Staat? So einfach ist das nicht


Nach Urteil in Karlsruhe
Millionen für AfD-Stiftung? So einfach ist das nicht

Von t-online, lib

Aktualisiert am 22.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Die Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung, Erika Steinbach: "Da alle diese Dinge von uns eingehalten werden, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn wir keine Mittel erhalten."Vergrößern des BildesDie Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung, Erika Steinbach: "Da alle diese Dinge von uns eingehalten werden, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn wir keine Mittel erhalten." (Quelle: Felix Zahn/photothek.net/imago-images-bilder)
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Die AfD hat vor dem höchsten deutschen Gericht einen Sieg errungen. Doch in Geld schwimmt ihre Stiftung deswegen noch nicht. Warum?

Stiftungen, die den im Bundestag vertretenen Parteien nahe stehen, bekommen hierzulande Geld vom Staat. Und das nicht wenig: Jährlich fließen insgesamt rund 600 Millionen Euro an solche Einrichtungen. Beispiele dafür sind etwa die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) oder die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne).

Einzige Ausnahme bislang: die Desiderius-Erasmus-Stiftung, die der AfD nahesteht. Sie hat bis heute noch kein Steuergeld erhalten, obwohl die AfD seit 2017 im Bundestag sitzt. Dagegen ist die Partei vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Die Ungleichbehandlung verzerre den politischen Wettbewerb, beanstandete die AfD – und bekam vom obersten deutschen Gericht am Mittwoch teilweise recht.

Heißt das, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung nun also Geld aus dem Haushalt überwiesen bekommt? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Was haben die Richterinnen und Richter entschieden?

Dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung von der staatlichen Förderung ausgeschlossen wurde, hat die Partei in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt – zumindest im Jahr 2019. Das urteilten die Richterinnen und Richter in Karlsruhe.

Denn im Haushaltsjahr 2019 habe der Bundestag die Förderung der politischen Stiftungen – und damit auch die Nicht-Förderung der Desiderius-Erasmus-Stiftung – ohne zugrunde liegendes Gesetz festgelegt. Ein solcher Eingriff in die Chancengleichheit müsse jedoch durch ein eigenes Gesetz gerechtfertigt werden, in dem die Voraussetzungen für die Zuschüsse festgelegt sind.

Bekommt die AfD-nahe Stiftung jetzt also Geld?

Nein, nicht unbedingt. Dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung in Zukunft wie die anderen sechs parteinahen Stiftungen Geld vom Staat bekommt, ist nicht ausgemacht. Denn: Gesetzlich wäre es möglich, einzelne Stiftungen von der Förderung auszuschließen, sagte Vizegerichtspräsidentin Doris König – "zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter". Als ein solches gleichwertiges Verfassungsgut nennt sie bei der Urteilsverkündung insbesondere den "Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung".

Allerdings sei es nicht einfach, die Stiftung zukünftig per Gesetz von der Förderung auszuschließen, sagt die Expertin für Parteienrecht Heike Merten t-online. Die Hürden dafür seien aus gutem Grund hoch, so die Rechtswissenschaftlerin. Das liege schon allein daran, dass auch das Bundesverfassungsgericht feststelle, dass parteinahe Stiftungen wichtig für den Parteienwettbewerb sind.

Heike Merten

Die Juristin ist die Geschäftsführerin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung (PRUF) der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Davon, dass die Stiftung nun nachträglich für das Jahr 2019 noch Geld zugesprochen bekomme, gehe sie jedoch nicht aus, so die Juristin. Das liege daran, dass auf der bisherigen rechtlichen Grundlage überhaupt keine Mittel mehr zugeteilt werden könnten.

Was heißt das in der Konsequenz?

Das Urteil bedeutet damit vor allem: Die Ampelkoalition wird sich mit dem Thema befassen müssen. SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich vorgenommen, die Finanzierung der Stiftungen rechtlich besser abzusichern. Bisher ist das aber nicht passiert.

Jetzt machen die Richterinnen und Richter deutlich: Es braucht ein eigenes Gesetz, das das Fördersystem für parteinahe Stiftungen regelt. Denn dieses gibt es bislang nicht.

Was ist der bisherige gesetzliche Rahmen?

Bislang lief der Prozess eher formlos ab: Die Gelder, die die politischen Stiftungen erhalten sollen, werden jährlich bei den Haushaltsberatungen im Bundestag beschlossen.

Der größere Teil der Mittel kommt dabei von den Ministerien für Entwicklung und Bildung und vom Auswärtigen Amt. Parteinahe Stiftungen dürfen staatlich gefördert werden, solange sie von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängig sind.

Bei der Verteilung der Gelder richtet sich der Bundestag dabei vor allem nach der Stärke der Parteien. Richtschnur für die Förderung war bisher ein Karlsruher Urteil aus dem Jahr 1986. Darin steht, dass sichergestellt sein muss, dass "alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt" werden.

Für die praktische Umsetzung hatten die Stiftungen 1998 selbst einen Vorschlag gemacht. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, ein geeigneter Anhaltspunkt dürfte "eine wiederholte Vertretung" der entsprechenden Partei im Bundestag sein, und zwar zumindest einmal in Fraktionsstärke. Daran hatte sich die Politik seither orientiert.

Die AfD war 2017 zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen. 2022 dann hatte der Bundestag erstmals einen extra sogenannten Haushaltsvermerk beschlossen. Der sieht vor, dass es bei Zweifeln an der Verfassungstreue keine Förderung für parteinahe Stiftungen geben darf.

Wie geht es nun weiter?

Die Klage der AfD hatte sich nicht nur auf 2019, sondern auch auf andere Jahre bezogen. Größtenteils erklärten die Richterinnen und Richter diese für unzulässig – die für 2020 und 2021 seien nicht fristgemäß gestellt worden.

Über das Haushaltsjahr 2022 aber entschied das Gericht am Mittwoch noch nicht. Diesen erst kurz vor der mündlichen Verhandlung im Oktober gestellten Antrag trennten die Richter ab, weil er neue verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe – wegen des Vermerks im Haushaltsgesetz 2022, demnach nur solche Stiftungen Zuschüsse bekommen, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten.

Dieses Urteil zum Jahr 2022 werde der Gesetzgeber allerdings nicht abwarten, denkt die Rechtsexpertin Merten, sondern unverzüglich tätig werden. "Auf der bisherigen Basis ist eine staatliche Finanzierung der parteinahen Stiftungen jetzt verfassungsrechtlich unmöglich", sagt sie t-online.

"Wir werden nun schnell reagieren", sagte der FDP-Politiker Thorsten Lieb. Bis zur Sommerpause sollte ein Entwurf als Diskussionsgrundlage vorliegen, so der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag. Man wolle klar ausschließen, "dass Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an parteinahe Stiftungen fließen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen", sagte Lieb weiter.

Was sind die Reaktionen?

"Das Urteil ist ausgesprochen wichtig und längst überfällig", sagt Juristin Merten. Seit dem Stiftungsurteil 1986 werde das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Finanzierung der parteinahen Stiftungen kritisiert. Deshalb sei das Urteil keine Überraschung; auch die Regierung habe mit diesem Ausgang der Entscheidung rechnen müssen. "Man kann jetzt nur hoffen, dass die Politik nicht untätig war und entsprechende Vorbereitungen getroffen hat", so Merten.

Die Stiftung selbst geht nach dem Urteil davon aus, dass sie künftig auch mit Geld aus dem Bundeshaushalt gefördert wird. "Der Spielraum ist nicht so weit, wie manche sich das wünschen würden, sondern es sind Rahmenbedingungen festgelegt, die einzuhalten sind", sagte die Vorsitzende Erika Steinbach. "Da alle diese Dinge von uns eingehalten werden, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn wir keine Mittel erhalten."

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Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Peter Boehringer sagte, er finde es gut, dass es nun irgendwann ein Gesetz geben werde mit einer Klausel, wonach nur Stiftungen gefördert werden, die sich voll und ganz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verschreiben. "Dazu gehört die AfD, dazu gehört die Desiderius-Erasmus-Stiftung zu hundert Prozent." Nun sei Schluss mit der Intransparenz bei der Findung dieser Haushaltspositionen. "Das war ja eine reine Mauschelei der Altparteien und damit der Altstiftungen untereinander."

"Die Bundesregierung darf das Thema nicht länger aussitzen", sagte hingegen der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, in einem Statement. Die Regierung müsse jetzt Tempo machen und eine gesetzliche Grundlage für die Förderung auf den Weg bringen. "Wachsame Demokraten bringen ein wasserfestes Stiftungsgesetz auf den Weg", so Mendel. "Sonst fördert unsere Demokratie eine demokratiefeindliche Stiftung und füttert ihre Feinde", sagt er weiter.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an Heike Merten
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, dpa und Reuters
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