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Bundeswehr: Widerstand gegen Vorstoß aus Habeck-Beirat


"Davon halte ich nichts"
Widerstand gegen Vorstoß aus Habeck-Beirat

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

25.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Robert Habeck: Der unabhängige Wissenschaftliche Beirat seines Ministeriums hat Vorschläge zur Reform des Beschaffungswesens der Bundeswehr gemacht. (Quelle: IMAGO/Thomas Trutschel)

Wie kommt die Bundeswehr schneller an moderne Ausrüstung? Darüber zerbricht sich die Politik seit Monaten den Kopf. Wissenschaftler haben nun neue Vorschläge gemacht – von denen einer auf Widerstand stößt.

Es dauert zu lange. Noch immer. Darüber sind sich eigentlich alle einig. Doch wie kommt die Bundeswehr künftig schneller an Panzer, Gewehre und Munition? Spätestens da wird es kompliziert.

Mit der "Zeitenwende" nach Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine hat sich die Ampelregierung bemüht, auch das träge Beschaffungswesen der Bundeswehr zu reformieren. Neben einem großen Batzen Geld, dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen, sollte ein Gesetz mit 43 Buchstaben die langen Prozesse verkürzen: das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz.

Doch hat das funktioniert? Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, ein unabhängiges Gremium, das bei Minister Robert Habeck (Grüne) angesiedelt ist, zweifelt daran. Und hat seine Bedenken jetzt in ein Gutachten gegossen, das einige Ideen enthält, wie es besser laufen könnte.

Einer der Kernvorschläge stößt dabei in der Politik schon jetzt auf deutlichen Widerstand. Der Beirat kritisiert nämlich den Bundestag, genauer gesagt: ein neues Recht des Haushaltsausschusses. Die "Parlamentsschleife" sieht vor, dass sich die Bundesregierung Verträge über mehr als 25 Millionen Euro vor Abschluss vom Haushaltsausschuss noch einmal genehmigen lassen muss. Diese 25-Millionen-Euro-Vorlagen, wie sie im Haushälterjargon heißen, hält der Beirat für hochproblematisch.

Einerseits aus grundsätzlichen Erwägungen, weil so die Zuständigkeiten von Legislative und Exekutive, also Parlament und Regierung, vermischt würden. "Das Parlament hat sich in einem Nachtstreich eine Kompetenz geholt, die ihm nicht zusteht", sagte Christoph Engel, der das Gutachten federführend erarbeitet hat. "Man muss ihm klarmachen, dass es sich da schlecht benommen hat und dass es das bitte schön wieder zurücknehmen soll."

Doch der Beirat hat auch praktische Bedenken. "Es ist deshalb problematisch, weil es die Verhandlungsposition der Bundesregierung gegenüber der Industrie schwächt", sagte Professor Klaus Schmidt, der Vorsitzende des Beirats. Wenn ein Bieter zum Beispiel wisse, dass es doch noch Nachverhandlungen geben könne, werde er nicht sein bestes Angebot machen.

"Von dem Vorschlag halte ich nichts"

Haushaltspolitiker der Ampelfraktionen widersprechen der Analyse der Wissenschaftler. "Von dem Vorschlag halte ich nichts, denn die Parlamentsschleife ist wichtig für die parlamentarische Kontrolle", sagte SPD-Haushälter Andreas Schwarz t-online. Die Regelung sei erst unlängst in die Bundeshaushaltsordnung aufgenommen worden, "damit dem Parlament Kontrollmöglichkeiten bleiben", weil das Verteidigungsministerium nun mehr Flexibilität bei den Haushaltsstellen habe.

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Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer begrüßte die Vorschläge des Beirats zwar grundsätzlich. "Bei der Beschaffung gibt es weiterhin Reformbedarf", sagte er t-online. Die Beteiligung des Parlaments verteidigte er jedoch ebenfalls: "Durch gutes parlamentarisches Controlling werden Risiken gemindert und damit Kosten gespart." Die Beteiligung könne gerade bei Großprojekten einen Mehrwert für den Steuerzahler haben, wie die Ampel etwa beim Kampfflugzeug F35 bewiesen habe. Die Rechte müssten nur "verantwortungsbewusst genutzt" werden.

Christian Haase, Haushaltspolitiker der CDU, zeigte sich hingegen offen für eine Reform. "Über die jetzige Form der sogenannten 25-Millionen-Euro-Vorlagen kann diskutiert werden", sagte Haase t-online. "Das Parlament ist aber nicht das Problem und jederzeit auch zu kurzfristigen Entscheidungen bereit." Er schlägt vor: "Anstatt abgeschlossene Verträge nachträglich abzunicken, könnte die Parlamentsbeteiligung alternativ am Anfang des Beschaffungsprozesses stehen." Die Bundeswehr ist und bleibe eine Parlamentsarmee.

"Kulturwandel" im Beschaffungsamt

Der Beirat macht in seinem Gutachten noch weitere Vorschläge, von denen einige direkt am Beschleunigungsgesetz ansetzen. Im Beschaffungswesen sei zwar schon viel passiert, das Gesetz gehe in die richtige Richtung, sagte Wissenschaftler Engel. Doch die "gewollte rasante Beschleunigung" sei bisher nicht gelungen.

Der Beirat schlägt deshalb etwa vor, den rechtlichen Instanzenweg bei Nachprüfungsverfahren zu kürzen, das Mittelstandsgebot zu lockern, und die Möglichkeit von Anreizverträgen für die Industrie zu erweitern. Die Erleichterungen bei der Beschaffung sollten aus Sicht des Beirats zudem nicht auf Güter mit rein militärischem Nutzen beschränkt werden, sondern auf den gesamten Bedarf der Bundeswehr. Etwa auch auf Sanitätsmaterial.

Im berüchtigten Bundeswehrbeschaffungsamt in Koblenz braucht es aus Sicht der Wissenschaftler vor allem einen "Kulturwandel". Nach Gesprächen dort bescheinigen sie den Mitarbeitern "sehr viel guten Willen". Zugleich wollten die Beamten verständlicherweise vermeiden, dass sie am Ende Schuld gewesen seien, wenn etwas schiefgehe. Wenn es schnell gehen solle, müsse aber auch mal etwas schiefgehen dürfen, sagte Engel.

Wie genau dieser Kulturwandel in einer Behörde mit 6.800 Mitarbeitern gelingen kann, dafür hat der Beirat zwar auch kein Patentrezept. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) aber müsse etwa dafür sorgen, den Beamten den Rücken zu stärken.

Die Rolle der Koblenzer Behörde sieht der Beirat vor allem darin, bei Vorhaben für das Controlling zu sorgen, also zu widersprechen, wenn ein Projekt auszuufern droht. Das Beschaffungsamt müsse diese Rolle noch konsequenter ausfüllen. "Auch der Generalinspekteur kann mal Dinge wollen, die nicht sinnvoll oder nicht finanzierbar sind", sagte Engel.

Lob vom Bundeswehrverband

Aus der Truppe gibt es für den Beirat Lob für das Gutachten und die Vorschläge. "Der Wissenschaftliche Beirat hat klare Empfehlungen an Regierung und Parlament gemacht", sagte der erste Stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Thomas Schwappacher, t-online. "Ich bin gespannt, ob man sich ernsthaft und intensiv damit beschäftigen wird."

"Die Regierung zeigt, dass sie verstanden hat, dass die Zeitenwende Aufgabe der gesamten Bundesregierung und der Bundeswehr ist", sagte Stabsfeldwebel Schwappacher weiter. "Nun kommt es darauf an, dass aus den Vorschlägen konkrete Umsetzungsschritte vorgenommen werden. Unsere Soldaten und die Menschen im Lande erwarten, dass nicht nur Pläne und Strategien aufgeschrieben werden, sondern dass diese auch schneller umgesetzt werden."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Anfragen
  • bmwk.de: Bundeswehr besser ausrüsten – aber wie? Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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