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Bürgerdialog in Dresden: Kanzler Olaf Scholz löst Verwirrung aus


Ungewöhnlicher Auftritt
Ein Satz, der dem Kanzler um die Ohren fliegt


Aktualisiert am 09.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Geschenk an den Kanzler: Diese Reaktion von Olaf Scholz sorgte für einige Diskussionen. (Quelle: t-online)

Bei einem Gespräch mit Bürgern bekommt Olaf Scholz einen Stapel Aufkleber geschenkt. Darauf steht ein umstrittener Slogan. Der Kanzler reagiert ungewöhnlich.

Bürgergespräche sind gute demokratische Tradition. Einfache Abgeordnete halten sie, aber auch der Kanzler sucht regelmäßig den Dialog mit den Menschen, so wie am Donnerstag in Dresden. Dort sagte Olaf Scholz (SPD) einen Satz, der schon kurz darauf in den sozialen Medien diskutiert wurde und bei nicht wenigen Beobachtern für Irritation sorgte.

Nachdem ein Teilnehmer aus den Reihen der Freien Wähler im Publikum einen Stapel Aufkleber mit der Parole "Diplomaten statt Granaten" darauf überreicht hatte, mit der Bitte, sie an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu übergeben, stellte sich Scholz hin und nahm eben jene Parole selbst in den Mund. "Ja, Diplomaten statt Granaten ist der Satz, den wir gemeinsam skandieren in Richtung Kreml, nach Moskau", sagte der 65-jährige Regierungschef. Dabei lächelte Scholz und ballte die linke Hand zur Faust – eine Geste, die an die Demonstrationen der Arbeiterbewegung ebenso erinnert wie an die Friedensbewegung der frühen Achtzigerjahre. Scholz grinst, als er die Geste macht, im Publikum brandet vereinzelt Applaus auf.

Weniger Applaus gab es für den kurzen Austausch des Kanzlers mit dem Bürgeraktivisten in den sozialen Medien. Dort fragen sich zahlreiche Nutzer, ob der Kanzler nicht etwa in der SPD ist, sondern Mitglied der AfD oder des Bündnis Sahra Wagenknecht. Scholz wird in einigen Kommentaren unterstellt, durch die Verwendung der Wörter "gemeinsam" und "wir" eine prorussische Position zu übernehmen.

Regierungssprecher sieht sich zu Erklärung genötigt

Sowohl rechtspopulistische als auch linkspopulistische Parteien fordern seit Langem statt Waffenlieferungen an die Ukraine Friedensverhandlungen mit dem diktatorischen Regime von Wladimir Putin. Auch Scholz betont immer wieder die Bedeutung von Friedensinitiativen, er selbst hatte sich mit Wladimir Putin sowohl vor als auch nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs getroffen. Ohne Erfolg.

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Ein Videoclip des Scholz-Auftritts machte im Netz sofort die Runde, dabei handelte es sich jedoch um eine verkürzte Version jener Szene, in der die Interaktion mit dem Mann im Publikum nicht zu sehen ist. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sah sich daher noch am Donnerstagabend genötigt, den von Scholz zitierten Satz in den Kontext der Vorgänge beim Bürgerdialog zu stellen.

"Beim Kanzlergespräch wurde dem Kanzler ein Zettel mit dem Satz 'Diplomaten statt Granaten' überreicht, um diesen an die Außenministerin weiterzugeben. Der Kanzler zitierte den Slogan – mit dem Zusatz, dass die Forderung an Moskau zu richten ist", schreibt Hebestreit bei X. Demnach soll Scholz' Zitat auf den Diktator im Kreml gemünzt, mitnichten jedoch eine Beschreibung der eigenen Politik gewesen sein.

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"Ich will nur eins noch mal sagen", sagt Scholz

Den ganzen Wirbel hätte sich Scholz wohl leicht ersparen können. Nachdem der Bürger Scholz nämlich seine Geschenke überreicht hatte, darunter der Stapel mit den Aufklebern, hatte Moderatorin Anja Koebel schon die nächste Fragestellerin aufrufen wollen, doch der Kanzler intervenierte – und ließ sich auf das Geplänkel mit dem Mann im knallgelben Hemd ein. "Ich will nur eins noch mal sagen, weil Sie es ja angesprochen haben", sagte Scholz.

Der Mann ist kein Unbekannter. Es handelt sich um Torsten Küllig, ein Beamter a.D. des Freistaats Sachsen. Küllig ist Mitglied der Freien Wähler Dresden (FW). Die Partei, die 2019 den Sprung in den Stadtrat schaffte, gilt als umstritten. Ihr werden rechte Tendenzen zugeschrieben, unter anderem pflegen die FW gute Verbindungen zur AfD und stimmen in Dresden auch regelmäßig deren Anträgen zu.

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Erst vor wenigen Tagen eskalierte der Streit zwischen den Freien Wählern Sachsen und dem Bundesverband der Partei. Diese hatte von dem Landesverband gefordert, die Brandmauer zur AfD einzuhalten, also eine deutliche Abgrenzung von der als in Teilen rechtsextrem eingestuften AfD verlangt. Der Chef der sächsischen FW, Thomas Weidinger, weigert sich jedoch, dieser Aufforderung nachzukommen.

Auch AfD-Spitzenkandidat posierte bereits mit Slogan

FW-Mitglied Küllig ist bei Instagram auf einem Profil namens "Diplomaten statt Granaten" zu sehen. Der Account scheint eine Art Deutschland-Tour von einem oder mehreren Aktivisten zu dokumentieren, die mit dem Slogan an verschiedenen Orten im Land auftauchen. Auf einigen Postings ist auch Küllig zu sehen, ebenso auf dem Profilbild. Wer hinter dem Account steckt, ist bislang unklar.

Das Pikante an dem Slogan "Diplomaten statt Granaten": Er tauchte als Banner auch schon bei rechtspopulistischen Kundgebungen auf. Ebenso bei einer von Alice Schwarzer und Wagenknecht organisierten Querfrontdemo, die von zahlreichen prorussischen Demonstranten besucht wurde. Aber auch der in rechtsextremen Kreisen offenbar gut vernetzte Maximilian Krah zeigte den Slogan bereits im Wahlkampf für die Oberbürgermeisterwahl in Dresden, wo der AfD-Mann 2022 als Spitzenkandidat seiner Partei antrat und auf dem dritten Rang landete.

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Eine weitere Seltsamkeit bei dem Bürgerdialog mit Scholz: Im Publikum saß offenbar auch Katja Kaiser. Sie ist in der politischen Landschaft Sachsens ebenfalls keine Unbekannte. Kaiser gilt als Aktivistin aus dem Umfeld der rechtsterroristischen Gruppe Freital, deren Mitglieder wegen Sprengstoffanschlägen auf Asylunterkünfte verurteilt wurden. Kaiser nahm auch regelmäßig an Protestmärschen der Pegida-Bewegung teil und wird seit rund zehn Jahren immer wieder bei neonazistischen Aufmärschen gesichtet. Kaiser saß in der ersten Reihe des Kanzlergesprächs, eine Frage an Scholz stellte sie aber nicht.

Bedarf an Antworten von Scholz scheint groß zu sein

Die Bürgerdialoge des Kanzlers finden unter dem Label "Kanzlergespräch" an unterschiedlichen Orten in Deutschland statt. Die Teilnehmer werden dabei unter anderem in Zusammenarbeit mit lokalen Medienpartnern organisiert. In Dresden war das unter anderem die "Sächsische Zeitung".

Der Dialog in Sachsen war bereits die zwölfte Veranstaltung dieser Art mit Olaf Scholz. Die Teilnehmer haben dabei anderthalb Stunden Zeit, um dem Regierungschef ihre Fragen zu stellen. Welche Fragen gestellt werden, ist laut Bundesregierung vorher nicht bekannt.

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Zuletzt haben die Bewerbungen für das Format zugenommen, ist auf der Seite der Regierung zu lesen. Der Bedarf an Antworten durch den Kanzler scheint bei den Menschen also groß zu sein.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war zu lesen, dass Torsten Küllig ein ehemaliger Beamter des Freistaats Sachsen sei. Er ist tatsächlich Beamter außer Dienst. Wir haben dies entsprechend korrigiert.

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