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Friedrich Merz und die K-Frage: CDU-Kanzlerkandidat nach Europawahl?


Friedrich Merz und die K-Frage
Das ist ein Pulverfass


Aktualisiert am 12.06.2024Lesedauer: 5 Min.
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Kanzlerkandidat im Herbst? Merz fehlt bislang noch der Fahrplan zur Kandidatur. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen/imago)

Nach der Europawahl sieht Friedrich Merz sich in seinem Kurs als Parteichef bestätigt. Für die K-Frage im Herbst sollte ihm das Rückenwind geben. Aber reicht es auch, damit alles glattläuft? Im Hintergrund rumort es schon wieder.

Friedrich Merz legt die Stirn in Falten, seine Augen kneift er ein Stück weit zusammen. Es sieht aus, als überlege der CDU-Chef noch kurz, ob er wirklich sagen will, was ihm gerade durch den Kopf geht. Dann tut er es doch: "Wir haben ein Wahlergebnis erzielt, was für mich auch wirklich die Untergrenze war", erklärt Merz. Die Partei dürfe sich jetzt nicht zurücklehnen. Insbesondere im Osten sei das Ergebnis nicht zufriedenstellend.

Es ist Montagmittag nach der Europawahl. Und Merz klingt plötzlich sehr reflektiert.

Klar, er unterstreicht nach wie vor den eigenen Wahlsieg. Spricht immer noch von einem "Desaster" für die Ampel. Und übt deutliche Kritik am Kanzler. Aber: Er hinterfragt auch, warum vor allem die AfD von der Unzufriedenheit mit SPD, Grünen und FDP profitiert. Am Vorabend hat Merz noch ganz anders geklungen. Da sprach er von einem "großen Erfolg". So ganz zufrieden scheint er doch nicht zu sein.

Warum bei der K-Frage noch viel schiefgehen kann

Eigentlich läuft es im Moment gut für Merz. Der CDU-Chef ist innerhalb der Partei gefestigt, die Stimmen seiner Kritiker sind leiser geworden – und in der Frage, wer Kanzlerkandidat der Union wird, scheint derzeit alles auf den Sauerländer hinauszulaufen. Im Europawahlkampf hat Merz kaum bis keine Fehler gemacht. Der unkontrollierte Hardliner, vor dem alle gewarnt haben? Er blieb zuletzt aus.

Andersherum ist Olaf Scholz mittlerweile offenbar zu einer solchen Belastung für die SPD geworden, dass Merz erstmals Chancen haben könnte, sich in einer Wahl gegen ihn durchzusetzen. Woran lange gezweifelt wurde – auch in der Union.

Der Wahlsieg am Sonntag sollte nun noch einmal Rückenwind geben, Merz weiter festigen. Aber die Lage ist anders. Im Hintergrund rumort es schon wieder. Nicht nur in der Partei, sondern auch in Teilen der Parteispitze herrscht Nervosität. Denn in Wahrheit haben die Reaktionen auf das Wahlergebnis gezeigt, wie volatil die Situation noch ist. Merz muss sich in Sachen K-Frage nicht nur Gedanken um das "Ob", sondern auch um das "Wie" machen. Bisher scheint es dafür keinen wirklichen Fahrplan zu geben. Und genau das könnte noch richtig gefährlich werden.

Die magische Marke – warum das so wichtig war

Wer wissen will, wie angespannt die Lage in der Union derzeit ist, der kann einfach mal nach dem Europawahl-Befund fragen. Nach den klassischen "Ein gutes Ergebnis"- und "Darauf können wir aufbauen"-Floskeln, dauert es nicht lang, bis durchklingt, dass viele sich eigentlich mehr erhofft hatten. In der Bundesvorstandssitzung der CDU am Montag wagt sich einer vor: Johannes Steiniger kritisiert, der Wahlkampf hätte besser laufen müssen. Die Kampagne sei flach gewesen. So berichten Teilnehmer es t-online. Auch aus CSU-Kreisen lässt die Kritik nicht lang auf sich warten. Es habe bei keiner Partei ein wirkliches Thema gegeben, heißt es dort. Auch bei den eigenen nicht. Die Bundestagswahl müsse besser laufen.

Bereits am Sonntagabend droht die Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus für einen Moment zu kippen. Als die Zahlen auf der Leinwand zu sehen sind, herrscht Stille im Raum. Auch, weil zunächst nur das CDU-Ergebnis gezeigt wird, das bei 23,5 Prozent liegt. Erst als die Prozentzahlen der CSU (6 Prozent) hinzukommen, ertönt Applaus. Für CDU-Verhältnisse bleibt er verhalten.

Hört man anschließend in die Reihen der Partei hinein, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Angespannt wartet man darauf, dass die Union in den aktualisierten Ergebnissen noch die 30 Prozent knackt. Es ist die magische Grenze. Immer wieder sieht Generalsekretär Carsten Linnemann nervös auf sein Handy. Viele andere tun es ihm gleich. Am Ende ist es eine Punktlandung. 30,0 Prozent – für Merz war das wichtig. Schließlich war es das Mindestmaß.

Seit Monaten fragt man sich, warum die Union nicht mehr von der Schwäche der Ampel profitiert. Hinter vorgehaltener Hand wird nach wie vor spekuliert, ob der CDU-Chef als Zugpferd im Wahlkampf tatsächlich zieht. Zumal bei der Europawahl weniger Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen als Merz selbst auf der Bühne war. Eine Art Testlauf.

Glatteis: Merz schließt BSW aus und verärgert damit

Wenn die Reaktionen nun verhalten sind, dann hängt das auch damit zusammen, dass es im Bundestagswahlkampf für Merz noch mal deutlich härter würde. Die Umfragewerte des CDU-Chefs lassen nach wie vor Luft nach oben. Im direkten Vergleich schneidet Merz sogar noch immer schlechter ab als Scholz. Laut einer aktuellen Umfrage der ARD sagten nur 20 Prozent der Befragten, sie glaubten, Merz sei ein guter Kanzler. Bei Scholz waren es 23 Prozent.

Hinzu kommt, dass die entscheidenden Wahlen im Herbst noch bevorstehen: Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Ihr Ausgang und vor allem der Umgang damit könnten für die K-Frage entscheidend sein. Aktuell ist man dort nicht besonders gut auf Merz zu sprechen.

Grund dafür ist eine Aussage des CDU-Chefs am Montagabend in der ARD-Sendung "Brennpunkt". Als Merz auf eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angesprochen wird, antwortet der: "Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen." Für Frau Wagenknecht gelte beides: "Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem." Da ist sie, die Brandmauer.

Bei den betroffenen Länderchefs soll man die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Erst Anfang des Jahres hatte man gemeinsam mit dem Parteipräsidium vereinbart, das BSW nicht vorschnell auszuschließen. Nun schränkt Merz mit seiner Aussage nicht nur unabgesprochen den Verhandlungsspielraum der eigenen Leute ein – nach den Wahlen im Herbst könnte es auch sein, dass eine Mehrheit ohne das BSW gar nicht möglich ist.

Also wird am Dienstag zügig bei Generalsekretär Linnemann interveniert. Mit Erfolg: Der CDU-Chef korrigiert sich noch einmal. Auf Nachfrage vor der Unions-Fraktionssitzung am Nachmittag sagt Merz, seine Aussage habe der Zusammenarbeit mit dem BSW im Bund gegolten, bei den Ländern müsse man noch einmal sehen.

Sind Fehler wie dieser womöglich genau das, was eine Kanzlerkandidatur für Merz am Ende doch noch gefährden könnte?

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Zwei Störenfriede namens Wüst und Söder

Zwei Männer dürften all das derzeit sehr genau aus der Ferne beobachten: Hendrik Wüst und Markus Söder. Beide sind in den Umfragen konstant beliebter als Merz. Beide werden nach wie vor als mögliche Anwärter auf die Kanzlerkandidatur gehandelt. Gut, mehr oder weniger aussichtsreich. Aber: Ganz aus dem Spiel ist keiner von ihnen. Zumal beide immer mal wieder in Sachen K-Frage sticheln.

Etwa sagt Wüst in einer ARD-Dokumentation unmittelbar vor der Europawahl: "Alle Ministerpräsidenten haben die Regierungserfahrung und auch die Fähigkeit zur Kanzlerkandidatur." Er sehe aktuell "eher fünf als zehn" potenzielle Unions-Kanzlerkandidaten. Wer es am Ende wirklich werde? Sei offen. "Sonst hätten wir es ja entschieden", sagt Wüst.

Auch Söder provoziert immer mal wieder. Beim CDU-Parteitag erklärt der CSU-Chef: "Ich verspreche euch, an mir wird der Erfolg 2025 nicht scheitern." Und auf die Frage, ob die Kanzlerkandidatur sich für ihn erledigt habe, antwortet Söder nur: "Ich bin mit mir im Reinen – 2021 ist erledigt. Unser gemeinsamer Fahrplan steht: Alles Weitere besprechen wir im Herbst."

Klingt beides nicht so nach abgehakt.

In der CDU mag derzeit alles auf Merz hinauslaufen. Allerdings gibt es nach wie vor keinen Fahrplan dafür, wie man sich mit Söder und Wüst einigen will. Aus Parteikreisen heißt es nun, Merz müsse die Lage, zumindest im Hintergrund, noch vor den Ostwahlen klären. Sonst mache er sich unnötig angreifbar. Merz selbst scheint bislang entspannt. Womöglich denkt er auch, dass das gar nicht nottut. Es wäre ein Zeichen von Leichtfertigkeit – und die Konsequenzen könnten verheerend sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • ARD-Trend
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