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Sahra Wagenknecht: Das Bild der Parteigründerin bekommt erste Risse | BSW


Machtkampf im BSW eskaliert
Kann das gut gehen?

Von t-online, cc

Aktualisiert am 02.11.2024Lesedauer: 4 Min.
Sahra Wagenknecht (l-r), BSW-Parteivorsitzende, und die BSW-Spitzenkandidaten in Thüringen, Katja Wolf und Steffen Schütz.Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht (l-r), BSW-Parteivorsitzende, und die BSW-Spitzenkandidaten in Thüringen, Katja Wolf und Steffen Schütz. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)
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In rasendem Tempo an die Macht. Der Aufstieg der Wagenknecht-Partei ist beispiellos. Nun bekommt das Bild der Parteigründerin jedoch Risse.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht darf man getrost als eines der spannendsten Projekte der deutschen Parteienlandschaft bezeichnen. Nicht nur, weil hier eine Partei in Windeseile aus der Taufe gehoben und ohne viel Federlesens nach ihrer Initiatorin benannt wurde, sondern weil die Neugründung BSW auch im Eilzugtempo den Sprung in die (Landes-)Parlamente und nun wohl auch an die Macht schaffte.

Doch nun gerät das BSW zunehmend in den Strudel einer innerparteilichen Auseinandersetzung. "Der Machtkampf ist bereits voll entbrannt", stellte der Politikwissenschaftler Christian Stecker im "Deutschlandfunk Kultur" fest. "Das ist bemerkenswert".

Stecker sieht in Thüringen mit Katja Wolf eine pragmatische Landespolitikerin, die sich darum bemüht, mit den möglichen Koalitionspartnern CDU und SPD Kompromisse einzugehen, dabei aber von der Parteispitze, insbesondere Namensgeberin Sahra Wagenknecht, immer stärker ausgebremst wird.

Der Kern des Konflikts ist ein zweiseitiges Papier, das CDU, BSW und SPD am Montag in Erfurt präsentierten. Es sollte als Präambel für einen möglichen Koalitionsvertrag in Thüringen gelten. Darin waren auch Passagen zum Ukraine-Krieg oder der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland enthalten.

Wagenknecht hatte eine solche Einigung vor Eintritt in Koalitionsgespräche zwar gefordert. Schon Stunden nach der Präsentation sprach die Parteichefin aber im "Spiegel" von einem "Fehler". Der Wortlaut ging ihr nicht weit genug in Richtung dessen, wofür das BSW – also sie selbst – steht: eine kompromisslose Friedenspolitik. Dennoch werde man die Gespräche weiter führen, so die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken.

Heftige Kritik am Vorgehen in Thüringen

Die strenge Ausrichtung des BSW auf Wagenknecht sorgt für Aufsehen. Manchen Beobachtern scheint es, als habe sich das Bündnis seiner Gründerin komplett unterworfen. Die "taz" sieht die "dunkle Seite der Macht", die sich im BSW nun bemerkbar mache, sie fürchtet im BSW schon die Wiedergängerin der SED. Auch das Magazin "Cicero" spricht von einer "Kaderpartei", die eindeutig "autoritäre Züge" trage. Wer da von der Parteilinie ausschere, dem drohe Ärger. Katja Wolf bekommt das in Thüringen gerade zu spüren.

Nicht nur ließ Wagenknecht ihren Schatzmeister Ralph Suikat und die parlamentarische Geschäftsführerin des BSW, Jessica Tatti, jüngst bei t-online einen Gastbeitrag veröffentlichen (Lesen den Artikel hier), in dem Wolfs Kurs heftig kritisiert wurde. Nun legt die BSW-Spitze nach: In einem auf der Homepage der Partei veröffentlichten Beschluss fordert der Bundesvorstand die Thüringer auf, außenpolitische Positionen in Koalitionsverhandlungen zu konkretisieren – oder in die Opposition zu gehen.

"Das ist der erste öffentliche Machtkampf, den man da beobachten kann", sagt auch der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Technischen Universität Chemnitz zu der innerparteilichen Auseinandersetzung im BSW. Offiziell gehe es um sicherheitspolitische Themen und die Frage: kompromisslose Westbindung und Solidarität mit der Ukraine, wie es CDU und SPD fordern, oder Hinwendung zum sogenannten Friedenskurs, wie ihn der russische Gewaltherrscher Wladimir Putin propagiert?

Wagenknechts riskanter Kurs bringt BSW in die Zwickmühle

"Aber die eigentliche Frage ist: Wer hat das Sagen in der Partei?", so Politikexperte Höhne. Wagenknecht habe offenbar die Eigenwilligkeit von Wolf unterschätzt – obwohl diese sich schon länger abgezeichnet habe. Nun versucht die Parteichefin, die ein Faible für die Theorien des Marxismus und Leninismus pflegt, ihre Kollegin Wolf wieder auf Linie zu bringen. Um die Glaubwürdigkeit gegenüber den Wählern nicht zu verlieren, wie es offiziell heißt. Damit bringt sie sich aber auch in die Zwickmühle.

Wagenknecht habe sich mit dem Beharren auf der Friedensformel "in ein Dilemma hineinmanövriert, das schwierig aufzulösen ist", meint Höhne. Die Thüringer BSW-Abgeordneten seien frei gewählt und könnten im Extremfall auch ohne BSW-Label mit CDU und SPD zusammengehen. "Sie müssen nicht darauf hören, was im Saarland oder in Berlin beschlossen wird. Formal sind Frau Wagenknecht die Hände gebunden." Die Voraussetzung sei, dass Wolf ihre Leute hinter sich habe. Am Dienstagabend segnete der BSW-Landesvorstand in Thüringen die Präambel ab. Wolf hat also offenbar die Rückendeckung der eigenen Leute.

Auch der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität Bochum, der lange in Thüringen gelehrt hat, sieht in dem Machtkampf ein Risiko für Wagenknecht persönlich. "Sie ist sehr schnell auf einen hohen Baum geklettert. Ob sie dort wieder runterkommt, wird man sehen." Schon alleine, dass es bei den Verhandlungen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen voraussichtlich unterschiedliche Ergebnisse gebe, beschädige Wagenknechts Image und ihre Vorstellung von einer Kaderpartei.

Wagenknecht tue alles dafür, den Widerstand zu brechen

Wagenknecht habe vor allem die Bundestagswahl im Blick, sagte Lembcke. Das Thema Frieden ziehe bei der Bevölkerung und sie wolle davon keinesfalls abrücken. Höhne attestiert Wagenknecht zwar generell Machtbewusstsein und Lust am Regieren, auch in den Ländern. "Aber wenn sie dadurch riskiert, bei der Bundestagswahl Wählerinnen und Wähler zu verlieren, die Frieden mit Russland wollen, verlöre das Mitregieren auf der Landesebene an Bedeutung."

Für Katja Wolf sind das eher keine guten Perspektiven, wie Politologe Christian Stecker festhält: "Mittelfristig kann sie den Machtkampf nicht gewinnen." Wagenknecht habe "massives politisches Gewicht", was sich in nichts stärker ausdrücke, "als dass die Partei ihren Namen trägt". Die 55-Jährige werde daher ihre Autorität in die Waagschale werfen und alles tun, um den Widerstand im Landesverband Thüringen zu brechen.

Verwendete Quellen
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