Parteitag in Chemnitz Linke: Vier Stars und ein unausgesprochenes Problem

Die Linke trifft sich zum Parteitag in Chemnitz. Das passt. Karl Marx grüßt noch immer mit einem Denkmal mitten in der Stadt. Die Partei feiert den Wiedereinzug in den Bundestag. Doch schwelt eine ungelöste Frage.
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Der Leitantrag zum Parteitag in Chemnitz trägt einen programmatischen Namen. "Wir sind die Hoffnung", verspricht die Linkspartei zu ihrem Treffen in Chemnitz. Die Partei ist selbstbewusst nach dem Wiedereinzug in den Bundestag. Ihr Ziel ist, die anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen zu bestehen und binnen vier Jahren die Zahl von 150.000 Mitgliedern zu erreichen.
Seit Jahresbeginn ist die Partei im Aufwind. 55.000 Neuzugänge wurden auf dem Parteitag in Chemnitz gemeldet. Ein Blick auf Personal und Herausforderungen:
Heidi Reichinnek
Heidi Reichinnek, 37, ist das neue Gesicht der Partei. Die Frau spricht so schnell, wie andere nicht mal denken. Eine einzige Rede zu Jahresbeginn (und ein Video in den sozialen Medien) reichte, um sie berühmt zu machen. Im Bundestag zerlegte Reichinnek die Strategie des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, in Migrationsfragen mit der AfD abzustimmen.
Die Linke war plötzlich die auffälligste Oppositionspartei und schaffte im Februar den Wiedereinzug in den Bundestag. Reichinnek führt die Fraktion als Co-Vorsitzende. Und ist omnipräsent. Der Union riet sie nach der gemeinsamen Abstimmung zur Geschäftsordnung diese Woche im Bundestag schon mal selbstbewusst, sie solle ihr Verhältnis zur Linken überdenken.
Auch sonst passt sie nicht recht in ein klassisches Schema. Aufgewachsen im Osten, lebt sie heute in Osnabrück, wo die studierte Nahost-Expertin an der Universität arbeitete. Die Linke der Nachwendepartei überwindet die klassische Ost-West-Dimension.
"Die Linke ist zurück", sagte Reichinnek in Chemnitz. Sie hat daran einen großen Anteil.
Sören Pellmann
Sören Pellmann, 49, ist der "rote Rettungsschirm", wie die Taz einmal schrieb. Der Linken-Politiker aus Leipzig holte 2017, 2021 und 2025 ein Direktmandat für die Linkspartei in Leipzig. Das war so etwas wie die Lebensversicherung der Linken. Vor vier Jahren verpasste die Linke noch knapp die Fünf-Prozent-Hürde und zog nur über die Grundmandatsklausel ein, die jeder Partei den Bundestagseinzug sichert, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnt.
Pellmann gewann. Auch dieses Mal. Er führt die Fraktion gemeinsam mit Reichinnek. Schwerpunkt: Sozialpolitik.
Ines Schwerdtner
Ines Schwerdtner, 35, ist seit vergangenem Jahr Co-Vorsitzende der Partei. Die Linke stellte sich damals nach einer Serie von Wahlniederlagen und dem Abgang von Sahra Wagenknecht neu auf. Dass über Wagenknecht niemand mehr spricht, liegt auch an Schwerdtner. Die ehemalige Journalistin des linken Magazins "Jacobin" verpasste der Partei eine bessere Kommunikation.
In Chemnitz ist Schwerdtner offensiv und bietet der Union "Verhandlungen auf Augenhöhe" an, für alle Fragen, die im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Nichts mehr mit Schmuddelkinder-Image.
Eine wichtige Voraussetzung aber bleibt für die Zusammenarbeit. Bedingung sei, "dass es keine Parallelverhandlungen mit der AfD gibt", so Schwerdtner in Chemnitz.
Jan van Aken
Jan van Aken, 64, kennt sich aus mit Toxischem. Der Naturwissenschaftler war für die UN als Biowaffen-Inspekteur unterwegs. Seit 2009 sitzt er für die Linke im Bundestag. Im vergangenen Jahr übernahm er mit Schwerdtner die Parteiführung. Wichtigste Eigenschaft: Optimismus.
Links definiert van Aken so: "Dass nicht der ganze Reichtum in diesem Land einigen wenigen zugeschaufelt wird". Die Partei bleibt kämpferisch.
Alles gut?
Läuft doch bei der Linken. Reichinnek gab in Chemnitz schon mal ein mutiges Ziel aus. "Der erste linke Bürgermeister für Berlin. Das ist doch mal ein Ziel", erklärte sie.
Zur Erinnerung: Die Linke wurde bei der Bundestagswahl in der Hauptstadt stärkste politische Kraft. Im kommenden Jahr wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Da darf man träumen.
Doch erinnert Berlin die Partei an ein ungelöstes Problem: Der Landesverband zerlegte sich über seine Haltung zur Nahost-Politik. Prominente Linke wie der ehemalige Senator Klaus Lederer verließen aus Protest die Partei. Auch in Chemnitz schwelt der Konflikt. Israels Vorgehen in Gaza nach dem Terrorangriff der Hamas ist das schwierigste Thema für die Partei. Auch in Chemnitz war das zu spüren.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- www.taz.de: "Roter Rettungsschirm im Gegenwind"