Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Aufarbeitung von Spahns Maskendeal Ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt

Jens Spahn ging in der Pandemie eigenwillig vor, so viel ist klar. Grüne und Linke möchten, dass seine Verantwortung dafür vor einem Untersuchungsausschuss geklärt wird. Es gibt aber eine Alternative.
Von Jens Spahn stammt der schöne Satz mitten aus der Pandemie: "Wir werden uns noch viel zu verzeihen haben." Das stimmt, nur bleibt unklar, wie weit das Verzeihen gehen sollte.
Am Dienstag wurde das Maß zwischen Verzeihen und Verantwortung definiert. Denn Margaretha Sudhof sagte im Haushaltsausschuss aus. Sie hat einen Bericht über das Verhalten des damaligen Gesundheitsministers und heutigen Fraktionsvorsitzenden Spahn beim Maskengeschäft angefertigt. Sudhof war bis zu ihrer Pensionierung Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, ist Juristin und gehört der SPD an, was zum weiteren Verständnis nicht unwichtig ist.
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Die Pandemie, die im März 2020 begann, bedeutete eine beispiellose Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Politik trat zurück, hat die Wissenschaft verstärkt zur Rate gezogen. Bald erwies sich, wie wenig das Land auf den Ausbruch einer solchen Seuche vorbereitet war.
In dieser Situation galten nicht unbedingt die üblichen bürokratischen Regeln für das Beschaffungswesen, das sollte man nicht vergessen. Seinem Wesen nach mag Jens Spahn die außergewöhnliche Lage sogar gelegen gekommen sein, als er daran ging, einen Vorrat an FFP-2-Masken anzulegen. Dass er sich über den Rat seines Hauses hinwegsetzte, muss aber nicht falsch gewesen sein. Ein Untersuchungsausschuss ist in jedem Fall nicht geeignet, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Besondere Lagen bedingen besonderes Verhalten
Besondere Lagen bedingen besonderes Verhalten. Gut möglich, dass in den Anfangstagen der Pandemie Eile vor Gründlichkeit ging, aber Verständnis für die spezielle Situation sollte man schon walten lassen.
Aber wie arbeitet man heute Entscheidungen und Vorgänge, Fehlleistungen und Fehleinschätzungen von damals auf? Anders gefragt: Wie hütet man sich davor, mit dem Wissen von heute das Verhalten damals angemessen zu kritisieren?
Margarete Sudhof liefert ein Beispiel für die Tücken des Besserwissertums. Sie wirft Jens Spahn Fehler aus überzogenem Ehrgeiz und geringer Kompetenz vor. Das ist ein politisches Urteil. Daraus spricht das SPD-Mitglied, das dem CDU-Politiker an den Karren fährt. So richtig überzeugend ist dieser Bericht nicht. Aber wie soll es jetzt weitergehen?
Die Opposition aus Grünen und Linken macht sich für einen Untersuchungsausschuss stark. Gemeinsam verfügen beide Parteien über 149 Stimmen im Bundestag. Nicht genug, denn ein Viertel des Bundestags ist für die Einsetzung nötig, das wären aber 156 Stimmen. Als Ausweg fordern Grüne und Linke die Regierung auf, selbst für das Quantum zu sorgen, was ziemlich viel verlangt ist. Die AfD als Helfershelfer wollen sie nicht in Anspruch nehmen.
Untersuchungsausschüsse werden vom Parlament regelmäßig eingesetzt. Im Bundestag legte ein Ausschuss, der sich um den Atomausstieg drehte, am 19. Februar 2025 seinen Bericht vor. Ein Schuft, der sich Schlechtes dabei denkt, dass vier Tage später Bundestagswahlen anstanden. Der Ausschuss warf Robert Habeck vor, dass sein Haus nicht vorurteilsfrei über den Weiterbetrieb der drei letzten Nuklearanlagen befunden habe. Keine große Überraschung, aber ein Politikum.
Wer war schuld, wer hat es verbockt?
Der Nachteil an Parlaments-Ausschüssen ist diese Politisierung, die zumeist der eigentliche Zweck der Unternehmung ist. Wer war schuld, wer hat es verbockt – Personalisieren geht vor Sachlichkeit.
Es gibt eine Alternative, die Enquete-Kommission. Sie besteht auch aus Politikern, wird aber ergänzt durch externen Sachverstand. Eingesetzt wird sie, wenn komplizierte und übergreifende Probleme vorliegen. Die Covid-Krise mit ihren Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft fällt zweifellos in diese Kategorie.
Solche Kommissionen sind in der Vergangenheit schon häufig einberufen worden. Sie sind bekannt dafür, dass sie sich Zeit lassen. Vier Jahre lang, von 1971 bis 1975, befasste sich eine Kommission mit Grenzen und Reichweite der Psychiatrie. Über "Frau und Gesellschaft" lag erst 1981, nach acht Jahren, eine Expertise vor. Und 72 Empfehlungen lagen im Januar 2025 dem Bundestag als Lehren aus dem chaotischen Abzug aus Afghanistan vor.
Ja, es hat auch sachbezogene Untersuchungsausschüsse gegeben, aber sie waren die Ausnahme. Aus Erfahrung genießt eine Enquete-Kommission größeres Vertrauen. Sie kann dann empfehlen, wie viel wir einander verzeihen müssen – und Jens Spahn.
- Eigene Beobachtungen