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Hambacher Forst: Das ist der Pakt hinter der geplanten Rodung


Kampf gegen die Energiewende
Das ist der Pakt hinter der Rodung des Hambacher Forsts

MeinungEin Gastbeitrag von Volker Quaschning

Aktualisiert am 17.09.2018Lesedauer: 4 Min.
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Konfrontation am "Hambacher Forst": Polizisten stoppen Demonstranten, die eine Räumung des Geländes verhindern wollen.Vergrößern des Bildes
Konfrontation am "Hambacher Forst": Polizisten stoppen Demonstranten, die eine Räumung des Geländes verhindern wollen. (Quelle: Henning Kaiser/dpa-bilder)

Bei der geplanten Rodung des Hambacher Forsts geht es um viel mehr als um ein paar Bäume. Hier kämpft eine rückschrittliche Kohleindustrie um ihre Existenz. Ein Gastbeitrag von Volker Quaschning.

Der Berliner Professor Volker Quaschning gilt als einer der führenden Forscher zur Energiewende und kann nicht verstehen, warum Polizisten im Hambacher Forst in den Einsatz für die Braunkohle geschickt werden. Mit einer Anfrage will der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin die in seinen Augen vorliegende Absurdität vorführen. In diesem Gastbeitrag für t-online.de schreibt der Wissenschaftler, wieso ihm jedes Verständnis fehlt.

Ja, ich habe das Bauamt Marzahn-Hellersdorf gefragt, ob ich für ein Baumhaus meiner Kinder bei Nichteinhalten von Brandschutzauflagen einen behördlich verhängten Abriss mit einem eventuellen Großaufgebot von Polizei befürchten muss. Und das habe ich auch anderen geraten, damit sie ein unerwartet heftiges Eingreifen der Behörden vermeiden können. Weil wir in Deutschland in einem Rechtsstaat leben, darf eigentlich kein Ministerpräsident seine Behörden anweisen, einfach das Baumhaus in Nachbars Garten wegzureißen, nur weil es ihm missfällt.

Aber eine Regierung kann seine Behörden anweisen, geltende Brandschutzregeln einzufordern und wenn die Bürger sich weigern auch den Abriss durchzusetzen. In einem Rechtsstaat darf das dann aber nicht nur an ausgewählten Baumhäusern wie im Hambacher Forst passieren, sondern es müssten landesweit alle existierenden und geplanten Baumhäuser überprüft und eventuell abgerissen werden.

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Doch das wird sicher nicht passieren. Die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst zeigt, dass rechtsstaatliche Prinzipien in Deutschland nicht ganz so wichtig sind, wenn es um die Interessen und wirtschaftlichen Belange großer Konzerne geht.

Obwohl die Regierung in Deutschland bereits seit Jahrzehnten immer wieder Klimaschutzziele verkündete, hat sich der RWE-Konzern mit Billigung der Politik bis heute geweigert, einen wesentlichen Beitrag zum Einhalten der Ziele zu leisten. Noch im Jahr 2012 weihte der Konzern zwei neue Blöcke am Braunkohlekraftwerk Neurath ein, das alleine rund vier Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verursacht.

Peter Altmaier feierte als zuständiger Umweltminister die Anlage seinerzeit sogar als gelungenen Beitrag zur Energiewende. Als Konsequenz sitzt der Konzern heute auf einem Kraftwerkspark, der im Wesentlichen Kohle- und Atomkraftwerke umfasst. Eine zu schnelle Energiewende würde vermutlich das Ende von RWE bedeuten. Und da der Konzern zu mächtig ist, um ihn sterben zu lassen, opfert die Politik lieber sämtliche Klimaschutzziele und schafft im Hambacher Forst Fakten. Ist erst einmal der Wald gerodet, sind die Voraussetzungen für den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke über viele Jahre geschaffen.


Dabei hat dieser Dürresommer eigentlich gezeigt, wie dringend das Umsetzen erfolgreicher Klimaschutzmaßnahmen ist. Seit Beginn der Industrialisierung ist die weltweite Durchschnittstemperatur bereits um ein gutes Grad Celsius nach oben geschnellt. Klimaforscher befürchten im schlimmsten Fall bis 2100 einen Temperaturanstieg um bis zu fünf Grad Celsius. Das ist mehr als der Temperaturanstieg von der letzten Eiszeit bis heute.

In der Konsequenz würden dann die Meeresspiegel signifikant steigen. Selbst das langfristige Abtauen aller Eismassen auf der Erde wäre denkbar. Dann müssten wir in etlichen Jahrhunderten mit einem Meeresspiegelanstieg von bis zu 70 Metern rechnen.

Berlin liegt gerade mal gut 30 Meter über null. Wenigstens hätte sich dann dort das Problem mit dem Brandschutz bei Baumhäusern erledigt. Durch eine Veränderung der Niederschlagsverteilungen wird die landwirtschaftliche Produktion leiden. Teile der Erde würden so heiß werden, dass Menschen dort ohne technische Schutzmaßnahmen nicht mehr überleben könnten. Was diese Veränderungen für einen dicht besiedelten Planeten und unsere Kinder bedeuten, mag man sich nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen ausmalen.

Genau deshalb wurde 2015 das Pariser UN-Klimaschutzabkommen verabschiedet. Der Deutsche Bundestag hat dieses Abkommen einstimmig ratifiziert und damit völkerrechtlich verbindlich zugesichert, die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Abkommen einzuhalten, müssten wir in den nächsten 15 bis 20 Jahren eine Energieversorgung aufbauen, die ganz ohne Erdöl, Erdgas und Kohle auskommt.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, dass erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Windkraft in Kombination mit Speichern problemlos in der Lage sind, eine vollständig kohlendioxidfreie und sichere Energieversorgung in Deutschland zu gewährleisten. Und durch die signifikanten Kostensenkungen der Solar- und Windkraft in den letzten Jahren wäre dieser Umbau auch ohne Weiteres bezahlbar. Wollen wir das Pariser Klimaschutzabkommen wirklich einhalten, müssten wir aber schon zwischen den Jahren 2025 und 2030 aus der Kohleverbrennung in Deutschland aussteigen.

RWE kämpft ums Überleben

Die für einen erfolgreichen Klimaschutz nötige schnelle Energiewende würde aber massive Veränderungen nach sich ziehen. Unternehmen wie RWE wären vermutlich nicht überlebensfähig. Dafür würden andere Unternehmen, die rechtzeitig auf erneuerbare Energien gesetzt haben, die Lücke füllen. Doch der Einfluss von RWE auf die Politik ist zu groß, um das zuzulassen.

Um den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke nicht durch ein zu hohes Aufkommen an Solar- und Windstrom zu gefährden, wurde der Zubau an Photovoltaikanlagen in Deutschland bereits zwischen 2012 und 2015 auf ein Viertel reduziert. Rund 80.000 Arbeitsplätze wurden seitdem in der deutschen Solarbranche vernichtet. In China sind im gleichen Zeitraum dort über 200.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Um einen Arbeitsplatz in der Braunkohle zu erhalten, hat die Politik vier Arbeitsplätze in der Solarenergiebranche geopfert. Ein ähnlicher Kahlschlag droht nun in der Windenergiebranche.

Der Protest im Hambacher Forst richtet sich genau gegen diese Fehlentwicklungen, die den Bruch internationaler Klimaschutzabkommen und damit auch die Zerstörung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen zulassen und stattdessen die wirtschaftlichen Interessen eines großen Konzerns schützen. Die Politik ist aber zu feige, um das zuzugeben und schiebt stattdessen den fehlenden Brandschutz vor.

Wer Kinder hat und nicht die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen verantworten möchte, sollte jetzt aufstehen und sich gegen diese Politik zur Wehr setzen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten. Ein Brief an das zuständige Bauamt kann dabei für alle sichtbar machen, wie wenig Klimaschutz in unserem Rechtsstaat zählt und wie absurd das alles ist.

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